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Plenum 24. November 2016 - Mündliche Anfragen

Frage 48


48. Wie sieht die Zukunft der Wasserstraßen in Niedersachsen aus?

Abgeordnete Gabriela König, Hillgriet Eilers, Almuth von Below-Neufeldt und Jörg Bode (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur beabsichtigt eine Trennung der Wasserstraßen in Deutschland. Geplant ist, künftig ein sogenanntes Hauptnetz auf der Grundlage einer Mindestmenge an transportierten Gütern aufrechtzuerhalten oder sogar auszubauen. Damit verabschiedet sich der Bund vom bisherigen einheitlichen Wasserstraßennetz, bei dem die unterschiedlichen Nutzungsansprüche gleichberechtigt nebeneinander gegolten haben. Zum künftigen Hauptnetz kommen dann Wasserstraßen mit den Schwerpunkten Güternebenwasserstraße, Freizeitwasserstraße und naturnahe Wasserstraße. Für die vier Kategorien ist ein vergleichbarer Infrastrukturstandard nicht mehr erforderlich. So soll neben dem Hauptnetz nur noch an stark mit Motorbooten und Fahrgastschiffen frequentierten Gewässern (Freizeitwasserstraßen) ein Schleusenbetreib aufrechterhalten werden. An weniger genutzten Gewässern als den Freizeitwasserstraßen ist im Rahmen des Bundesprogramms „Blaues Band“ mit Renaturierungsmaßnahmen und mit dem Rück- und Umbau von Schleusen und Wehranlagen zu rechnen.

Welche Wasserstraßen für den Bund erhaltenswert sind und für den Verkehr erhalten bleiben, ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Dies hat Konsequenzen für viele Nebenflüsse in Norddeutschland. So wird befürchtet, dass sämtliche Nebenflüsse der Elbe, die Eider in Schleswig-Holstein, die Peene in Mecklenburg-Vorpommern oder die Aller, Abschnitte der Ems oder die Leine in Niedersachsen mit ihrer derzeitigen Bedeutung für Tourismus, Erholung und Freizeitgestaltung als gering bis sehr gering eingestuft werden.

Vorbemerkung der Landesregierung

im Zusammenhang mit der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wurden auch die Wasserstraßen, die im Eigentum des Bundes stehen, in Wasserstraßenkategorien mit unterschiedlicher Bedeutung eingruppiert. Das gesamte Wasserstraßennetz des Bundes umfasst eine Streckenlänge von 7.300 km. Wasserstraßen in den Kategorien A, B und C werden als Kernnetz bezeichnet, das Kernnetz umfasst eine Streckenlänge von ca. 4.500 km. Im Kernnetz findet der wirtschaftlich relevante Güterverkehr auf Wasserstraßen statt. Die übrigen Wasserstraßen der Kategorie S werden als Nebennetz bezeichnet; das Nebennetz umfasst eine Streckenlänge von ca. 2.800 km.

In Niedersachsen gibt es einige wenige Bundeswasserstraßen, die nach der neuen Systematik des Bundes in die Wasserstraßenkategorie S (Sonstige Wasserstraßen) eingestuft sind und für die gewerbliche Schifffahrt keine verkehrliche Bedeutung mehr haben (Aller/Leine, Elisabethfehnkanal, Ilmenau etc.).

Der Bund als Eigentümer der Wasserstraßen plant, diese Wasserstraßen nicht mehr im bisherigen Umfang, sondern nur noch im Rahmen der Eigentümerverpflichtung zu unterhalten.

Das BMVI hat im Juli 2016 das seit langem angekündigte, sogenannte Wassertourismuskonzept für die künftige Nutzung der Freizeitwasserstraßen dem Bundestag vorgelegt. Das Wassertourismuskonzept des BMVI ist in dieser Form nicht geeignet, auf die drängenden Fragen des Umgangs mit den Nebenwasserstraßen eine Antwort zu finden. Ein Tourismuskonzept soll zudem Maßnahmen vorsehen, die die Naturlandschaft aufwerten.

Losgelöst hiervon ist der Bund bereit, auch regionale oder lokale Initiativen zu unterstützen, sofern diese Aktivitäten zu einer einver­nehm­lichen und zielführenden Strategie für den Umgang des betreffenden Wasserstraßen­abschnittes führen.

Die weiteren Umsetzungsschritte sind nach dem Bericht des Bundes erst in der nächsten Legislaturperiode vorgesehen.

Parallel zur Thematik der künftigen touristischen Nutzung der Bundeswasserstraßen des Kern- und Nebennetzes ist hier ebenfalls das im Aufbau befindliche Bundesprogramm Blaues Band zu nennen. Dieses zielt auf ökologische Verbesserungsmaßnahmen primär am Nebennetz, in geringerem Umfang auch am Kernnetz ab. Die damit verbundene Steigerung der Erlebnisqualität der Landschaft trägt zugleich auch zu einer Verbesserung von Erholungsnutzung und Tourismus bei. Die Wiederherstellung der Auen kann zur Verbesserung des Hochwasserschutzes beitragen.

1. Welche Wasserstraßen in Niedersachsen werden künftig in eine Güternebenwasserstraße, eine Freizeitwasserstraße oder zu einer naturnahen Wasserstraße umgewidmet werden?

Die Bedeutung der einzelnen Wasserstraßenabschnitte in Niedersachsen ist aus der Karte der kategorisierten Binnenwasserstraßen der Kategorien A bis S zu entnehmen (Quelle: BVWP 2030, https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/BVWP/bvwp-2030-gesamtplan.pdf?__blob=publicationFile, S.185).

Eine Umwidmung der Wasserstraßen ist seitens des Bundes nur im Einzelfall vorgesehen; der Bund bleibt generell nach wie vor in seiner Eigentümerverpflichtung. In Niedersachsen ist bezüglich der unteren Ilmenau vorgesehen, diese als Wasserstraße aufzuheben und an den Wasserverband der Ilmenau-Niederung abzugeben. Hierzu liegt zunächst eine grundsätzliche Vereinbarung vor, nähere Details bleiben der weiteren Ausarbeitung vorbehalten.

2. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Neuorganisation des Bundes im Bereich Wasserstraßen: Wie beurteilt die Landesregierung die künftigen Perspektiven der niedersächsischen Wasserstraßen mit Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung, die touristische Entwicklung, Erholung und Freizeit und Renaturierung?

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat ein sogenanntes Wassertourismuskonzept vorgelegt, dass sich mit Fragen der Schaffung der organisatorischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen zur Verbesserung der wassertouristischen Infrastrukturen beschäftigt. Das Konzept ist dem Vernehmen nach bisher nicht mit dem für den Tourismus zuständigen Bundeswirtschaftsministerium abgestimmt worden. Es bleibt in vielen zentralen Bereichen sehr unscharf und benennt nur Diskussionsansätze. Eine konkrete Umsetzungsstrategie wird nicht beschrieben.

Welche Auswirkungen die Neuorganisation des Bundes im Bereich der Wasserstraßen haben wird, lässt sich zurzeit noch nicht beurteilen, da die Umorganisation noch nicht abgeschlossen ist. Für die Nebenwasserstraßen der Kategorie S wird in der nächsten Legislaturperiode ein entsprechendes Nutzungskonzept mit allen gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet.

3. Worauf müssen sich Betreiber von Fahrgastschiffen und Sportbootfahrer auf den betroffenen Nebengewässern in Niedersachsen einstellen?

Die Frage lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Hierzu wird auf die Vorbemerkungen und auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

Grundsätzlich bekennt sich das BMVI zu seiner Verpflichtung als Eigentümer auch für den Erhalt der Wasserstraßen zu sorgen, die ausschließlich Freizeitzwecken (Tourismus und Sport) und der Natur dienen. Offen bleibt allerdings die Frage, wie die Ressourcen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zwischen Kern- und Nebennetz aufgeteilt werden. Der Bund skizziert für den Bereich des Nebennetzes den Aufbau einer Sonderverwaltung unter dem Dach der WSV und beschreibt mehrere aus seiner Sicht in Betracht kommende Rechtsformen. Zur Refinanzierung denkt der Bund auch über eine anteilige Nutzerfinanzierung nach. Wie das konkret aussehen soll, ergibt sich aus dem Konzept nicht.

Niedersachsen könnte mit Nebenwasserstraßen betroffen sein, deren Unterhaltung durch den Bund seit Jahren vernachlässigt worden ist (beispielsweise Elisabethfehnkanal und die Aller) und die der Bund hinsichtlich ihrer Bedeutung für Freizeit und Tourismus als mittel bis sehr gering einstuft. Es muss aus hiesiger Sicht weiter möglich sein, diese Gewässer – wenn regional gewollt und aktiv betrieben – auch touristisch zu entwickeln. Es besteht die Gefahr, dass der Bund sich sehr stark auf die für den Tourismus bedeutsamen Gewässersysteme in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern konzentriert, weil diese eine höhere Naturschutz- und Erlebnisqualität aufweisen. Hinsichtlich der wenig genutzten Gewässer findet sich im Konzept der Hinweis auf einen möglichen Rückbau von Schleusen und die Renaturierung der Strecke. Grundsätzlich bietet dieser Ansatz Chancen für die Entwicklung attraktiver Kanureviere.

Für eine abschließende Bewertung bleibt die weitere Diskussion mit den Ländern und den Fachverbänden abzuwarten. Es ist zurzeit noch nicht absehbar, wann und in welcher Weise der Bund die Länder in die weitere Diskussion einbeziehen wird.

Minister Olaf Lies spricht im Niedersächsischen Landtag, Fotograf: Thiemo Jentsch   Bildrechte: MW-Nds

Minister Olaf Lies spricht im Niedersächsischen Landtag

Artikel-Informationen

erstellt am:
24.11.2016

Ansprechpartner/in:
Pressesprecher: Christian Haegele und Sabine Schlemmer-Kaune

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