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Nachteile der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.01.2015 - TOP 26.

Antwort von Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Gabriela König, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP).


Die Abgeordneten Christian Dürr, Gabriela König, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP) hatten gefragt:


Nachteile der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns?

Im April 2013 erklärte Frau Bundeskanzlerin Merkel gegenüber der BILD-Zeitung, dass sie gegen „einen von Politikern festgelegten Einheitsmindestlohn“ sei. „Viele Länder in Europa haben doch genau deshalb eine viel höhere Arbeitslosigkeit als wir, weil ihre Löhne und Leistung bei ihnen weit auseinanderklaffen“ (Süddeutsche Zeitung vom 19. April 2013). CDU, CSU und SPD haben sich dann im Herbst 2013, unter dem Anspruch, bundesweit „Gute Arbeit“ und faire Löhne für alle einführen zu wollen (Koalitionsvertrag vom Dezember 2013), auf die Einführung einer „allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnregelung“ geeinigt. Seit dem 1. Januar 2015 gilt in der Bundesrepublik Deutschland, unabhängig von Regionen und Branchen, ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde. Lediglich einige Ausnahmen und Übergangsregelungen sind zulässig.

Die Kritik von Verbänden, Wirtschaftsweisen (Jahresgutachten), Ökonomen und Unternehmen im Vorfeld der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes hat nichts an dessen Einführung geändert. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages listete mit Bezug auf Beschäftigungseffekte und Haushaltseinkommen („Beschäftigungs- und Verteilungswirkungen eines gesetzlichen Mindestlohnes“) viele Nachteile auf, die mit einer Einführung eines gesetzlichen Mindestlohn verbunden sein können. Zehn Tage nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes mehrt sich die Kritik an selbigem. Laut Süddeutscher Zeitung vom 11. Januar 2015 dringt der Ministerpräsident von Bayern auf rasche Korrekturen beim gesetzlichen Mindestlohn und pocht auf weniger Bürokratie. Gleiches war bereits der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - „Wenn der Mindestlohn die Wanderhütte bedroht“ - vom 10. Januar 2015 zu entnehmen. Verbände, Vereine und Museen können oder wollen ihren Minijobbern die Aufwandsentschädigung nicht mehr auszahlen, weil für sie 8,50 Euro pro Stunde unwirtschaftlich sind. Sportvereine sehen ihre Nachwuchsarbeit gefährdet und fordern Ausnahmeregelungen für den Breitensport, während Arbeitgeber über ungeklärte Rechtsfragen und Bürokratieaufwand klagen.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Stellt die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes für Vereine, Verbände, Museen oder vergleichbare Institutionen bezüglich der Bezahlung von Minijobbern einen „Schlag gegen das Ehrenamt“ dar, wie es die FAZ am 10. Januar 2015 beschreibt?

  2. Kann die Landesregierung die Ausführungen in der FAZ vom 10. Januar 2015 bezüglich in- und ausländischer Spediteure bestätigen, und welche Pflichten ergeben sich für in- und ausländische Lastenwagenfahrer bzw. Spediteure?

  3. Welche Pflichten, insbesondere bezüglich der Dokumentation, ergeben sich aus dem Mindestlohngesetz für die Binnenschifffahrt, für Beschäftigte auf Hafenschiffen und für Arbeitnehmer (m/w - Inländer/Ausländer) in der Handelsschifffahrt bei Handelsschiffen unter deutscher Flagge und bei Handelsschiffen unter einer nicht deutschen Flagge in deutschen Hoheitsgewässern?


Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Seit Übernahme der Regierungsgeschäfte Anfang des Jahres 2013 hat sich die Landesregierung konsequent für die Umsetzung ihres Leitbildes „Gute Arbeit“ eingesetzt, auch und gerade mit dem Ziel der Einführung eines bundesweit geltenden Mindestlohnes.

Mit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) als Teil des Tarifautonomiestärkungsgesetzes im August 2014 ist – mit ausdrücklicher Unterstützung der Landesregierung im Bundesratsverfahren – die Rechtsgrundlage geschaffen worden, die grundsätzlich allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf einen Mindestlohn ab 01.01.2015 in Höhe von 8,50 € pro Stunde verschafft. Den Besonderheiten einiger Branchen wurde dabei Rechnung getragen. Verwiesen sei auf die Übergangsfristen für Zeitungszusteller oder Branchen mit Tarifverträgen, in denen von der gesetzlichen Lohngrenze nach unten abgewichen wird.

Vorbehalte und kritische Äußerungen im Hinblick auf die Umsetzung politischer Ziele sind nicht nur legitim sondern wesentlicher Bestandteil unseres durch das Grundgesetz bestimmten Rechtssystems. Bei der zitierten Äußerung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages „Beschäftigungs- und Verteilungswirkungen eines gesetzlichen Mindestlohnes“ handelt es sich allem Anschein nach um die Nr. 41/13 vom 18.November 2013, abrufbar über die Homepage des Bundestages. Soweit die Anfrage Bezug auf die Äußerung des Wissenschaftlichen Dienstes nimmt, erweckt sie den Eindruck, der Wissenschaftliche Dienst habe sich eine kritische, im Ergebnis möglicherweise ablehnende Haltung gegenüber einem gesetzlichen Mindestlohn zu Eigen gemacht. Welche „viele(n) Nachteile“ der Wissenschaftliche Dienst „aufgelistet“ hat, konkretisiert die Anfrage nicht. Ebenso wenig erwähnt sie – vom Wissenschaftlichen Dienst wiedergegebene - positive Effekte wie eine zu erwartende sofortige Lohnerhöhung für 17 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor, in dem vor allem Frauen, Geringqualifizierte sowie jüngere Beschäftigte und Ausländer tätig sind. Tatsächlich verweist der Wissenschaftliche Dienst lediglich auf Erkenntnisse renommierter Institute (IAB, DIW, SOEP) und gibt einen Überblick über den Stand der Diskussion im November 2013, ohne eine Wertung pro oder contra Mindestlohn vorzunehmen.

Die aufgrund von Presseberichten behaupteten negativen Entwicklungen für Verbände, Vereine und Museen sind bisher lediglich prognostiziert und nicht belegt.

Informationen über die Pflichten im Zusammenhang mit dem Mindestlohn können Arbeitgeber auf der Internetseite des Zolls abrufen:

http://www.zoll.de./DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Sonstige-Pflichten/sonstige-pflichten_node.html

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die Frage vermengt zwei Formen von Betätigungen, die getrennt zu bewerten sind.

Die sog. „Minijobber“, bei denen es sich um geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des § 1 MiLoG. Sie haben daher – wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch - grundsätzlich Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Der Umfang der Beschäftigung ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Bei der einem/einer geringfügig Beschäftigten geleisteten Zahlung handelt es sich um das Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung. Der Arbeitsleistung steht im Austauschverhältnis eine angemessene Gegenleistung in Gestalt einer Lohnzahlung – zumindest in Höhe des Mindestlohnes - gegenüber.

Eine Tätigkeit im Ehrenamt wird – wie der Name schon sagt – „der Ehre wegen“ ausgeübt. Sie ist nicht auf Erwerb ausgerichtet. Die dafür geleistete Zahlung soll den Aufwand des Erbringers abdecken. Sie spiegelt nicht den materiellen Wert der Leistung wider. Ein Austauschverhältnis wie bei einem Arbeitsverhältnis liegt nicht vor. Aus diesem Grund sind ehrenamtlich Tätige vom Geltungsbereich des MiLoG ausgenommen (§ 22 Abs. 3 MiLoG)

Von einem „Schlag gegen das Ehrenamt“ durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns kann daher keine Rede sein.

Zu 2.:

Das MiLoG findet auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer während ihrer Beschäftigung im Inland Anwendung, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Daher besteht auch im Transportsektor für jede in Deutschland geleistete Arbeitsstunde grundsätzlich ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Gemäß § 16 MiLoG sind in den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Branchen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die eine/n Arbeitnehmer/in in Deutschland beschäftigen, verpflichtet, vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung in deutscher Sprache vorzulegen. Zu den Branchen, in denen eine solche Meldepflicht besteht, zählt unter anderem das Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe.

Nach der vom Bundesministerium der Finanzen erlassenen Mindestlohnmeldeverordnung vom 04.12.2014 sind Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer ausschließlich mobilen Tätigkeit beschäftigen (insbesondere Gütertransport und Personenbeförderung) verpflichtet, eine Einsatzplanung vorzulegen. Diese kann einen Zeitraum von sechs Monaten umfassen.

Meldungen nach § 16 MiLoG bzw. der Mindestlohnmeldeverordnung müssen gegenüber der Bundesfinanzdirektion West abgegeben werden.

Zu 3.:

Das Mindestlohngesetz gilt in der Binnenschifffahrt, für Inselversorger, Ausflugsschiffe, Schlepper, Fährschiffe und andere. Im Inland beschäftigt werden grundsätzlich auch Seeleute im deutschen Küstengewässer, d.h. im Bundesgebiet einschließlich der 12-Seemeilen-Zone. Darüber hinaus haben Seeleute auch dann einen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns, wenn auf ihr Arbeitsverhältnis deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet. Für Seeleute, die auf deutschflaggigen Schiffen in der internationalen Fahrt beschäftigt sind und nicht deutschem Arbeitsrecht unterliegen, findet das MiLoG keine Anwendung.

§ 16 MiLoG verpflichtet den betroffenen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung bei der Bundesfinanzdirektion West vorzulegen. Meldepflichtig sind Arbeitgeber in den in § 2a des SchwarzArbG genannten Branchen (u.a. Personenbeförderung, Speditions-, Transport- und damit verbundenes Logistikgewerbe.)

Die Meldepflicht ermöglicht den Zollbehörden die Prüfung „wesentlicher Angaben“. Dazu gehören nach Aufzählung im MiLoG insbesondere Familien- und Vorname sowie Geburtsdatum des/der im Geltungsbereich des MiLoG beschäftigten AN, Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung, Ort der Beschäftigung, außerdem Familien- und Vorname, Geburtsdatum und Anschrift in Deutschland der/des verantwortlich Handelnden oder Zustellungsbevollmächtigten.

Die dazu ergangene Mindestlohnmeldeverordnung – MiLoMeldV - des BMF vom 04.12.2014 erleichtert das Meldeverfahren, indem sie per Soll-Vorschrift die Verwendung eines Vordrucks der Zollverwaltung einführt. Außerdem schreibt sie anstelle von Einzelmeldungen eine Einsatzplanung vor, wenn AN an einem Beschäftigungsort zumindest teilweise vor 6 Uhr oder nach 22 Uhr oder in Schichtarbeit, oder an mehreren Beschäftigungsorten am selben Tag oder in ausschließlich mobiler Tätigkeit beschäftigt werden. Die Einsatzplanung muss die persönlichen Daten der Beschäftigten und konkrete Daten zu Ort und Zeit der Beschäftigung enthalten. Sie kann einen Zeitraum von bis zu drei Monaten umfassen. Bei ausschließlich mobiler Tätigkeit muss der Arbeitgeber in der Einsatzplanung den Beginn und die voraussichtliche Dauer der Werk- oder Dienstleistung und die voraussichtlich eingesetzten AN mit Geburtsdatum angeben. Je nach Auftragssicherheit kann die Einsatzplanung bis zu sechs Monaten umfassen. Eine ausschließlich mobile Tätigkeit liegt laut MiLoMeldV u. a. beim Gütertransport und der Personenbeförderung vor.

Die Dokumentationspflicht nach § 17 MiLoG betrifft Arbeitgeber aus dem In- und Ausland in den in § 2a SchwarzArbG aufgeführten Branchen sowie die, die sog. Minijobber beschäftigen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der/des eingesetzten Beschäftigten.

Nach der vom BMF erlassenen Mindestlohnaufzeichnugsverordnung – MiLoAufzV – vom 26.11.2014 genügt ein Arbeitgeber seiner Aufzeichnungspflicht, soweit er AN mit ausschließlich mobilen Tätigkeiten beschäftigt, diese keinen Vorgaben zur konkreten täglichen Arbeitszeit (Beginn und Ende) unterliegen und sich ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen, wenn für diese AN nur die Dauer der tatsächlichen täglichen Arbeitszeit aufgezeichnet wird.

Die Melde- und die Dokumentationspflichten gelten nicht für AN, deren verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt brutto 2958 € überschreitet (Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung – MiLoDokV – des BMF vom 18.12.2014).

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Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke

Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Pressesprecher
Friedrichswall 1
30159 Hannover
Tel: (0511) 120-5427
Fax: (0511) 120-995427

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