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Mobilität über und unter den Wolken: Niedersachsen Aviation

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2011 - TOP 26. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Axel Miesner und Ernst-August Hoppenbrock (CDU)


Die Abgeordneten Axel Miesner und Ernst-August Hoppenbrock (CDU) hatten gefragt:

Eine leistungsfähige Luft- und Raumfahrtindustrie ist ein wichtiger Standortfaktor im internationalen Wettbewerb der Wirtschaftsregionen. Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist mit mehr als 250 Unternehmen aus Industrie, Dienstleistung, Forschung und Entwicklung und etwa 30 000 Beschäftigten ein wichtiger Technologietreiber in Niedersachsen, deren Entwicklungen und Innovationen auch in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden.

Das Land misst der Luft- und Raumfahrt hohe Bedeutung zu. Aus diesem Grund hat es 2008 ein Luft- und Raumfahrtprogramm I mit 100 Millionen Euro aufgelegt. Die Landesregierung hat zudem ein weiteres Luft- und Raumfahrtprogramm für den Zeitraum 2012 bis 2014 mit einem Budget von 30 Millionen Euro in die Haushaltsplanungen für 2012/2013 eingebracht, das aktuell im Gesetzgebungsverfahren vom Landtag beraten wird.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Welchen Erfolg hatte das Luft- und Raumfahrtprogramm I, das mit über 100 Millionen Euro ausgestattet wurde?
  2. Welche Schwerpunkte sollen mit dem zweiten Luft- und Raumfahrtprogramm (2012 bis 2014) gesetzt werden?
  3. Welchen Stellenwert hat die Luft- und Raumfahrtinitiative Niedersachsen Aviation bei der Förderung der Luft- und Raumfahrtindustrie in unserem Bundesland?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Auslöser des Programms war die damals aktuelle Krise in der Luftfahrt, die den Bestand mehrerer Standorte in Niedersachsen bedrohte. Dies hätte für die betroffenen Standorte, für die angrenzenden Regionen, aber auch für die Luftfahrtindustrie in Niedersachsen insgesamt katastrophale Folgen gehabt. Damit wären nicht nur die Produktionsstandorte (Flugzeugwerke in Varel, Nordenham, Stade) betroffen gewesen, sondern auch die daran angebundene Zulieferstruktur.

Die Gefährdung gerade dieser Standorte hatte folgenden wesentlichen Grund:

Obwohl fachlich von hoher Qualität, litten die Standorte insbesondere in Varel und Nordenham darunter, dass kaum Engeneering vor Ort war. Als reine Werkbank sind die deutschen Standorte im weltweiten Wettbewerb kaum konkurrenzfähig.

Es galt daher, die fachliche Exzellenz vor Ort anzureichern um technologische Forschung und Entwicklung in den Segmenten, in denen die niedersächsischen Werke unterwegs sind (Rumpf, Metall- und CFK-Fertigung, Zerspannung) zu verstärken.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Landesregierung im Januar 2008 bereit erklärt, ein Luft- und Raumfahrtprogramm mit 100 Mio. € aufzulegen. In der damaligen Vereinbarung zwischen Politik, Industrie und Forschungseinrichtungen wurde eine Technologiepartnerschaft gegründet, um die anstehenden Herausforderungen in der CFK Produktion bewältigen zu können, um die niedersächsischen Standorte auf die zu erwartenden Technologiesprünge vorzubereiten.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Das Luft- und Raumfahrtprogramm 2008 hat Niedersachsen innerhalb von nur 3 Jahren in die europaweite Spitzengruppe der Luft- und Raumfahrtstandorte gebracht.

2010 und 2011 hat Ministerpräsident McAllister die Technologie- und Ausbildungszentren in Stade, Varel und Nordenham eröffnen können. Die Belegung läuft und die ersten Projekte sind gestartet.

Schwerpunkt des Programms war der Aufbau des Excellenzzentrums CFK – Nord in Stade. Stade wird der Think Tank im Bereich des Leichtbauwerkstoffes CFK. Im neugeschaffenen CFK Nord ist es gelungen – erstmalig in Deutschland - die beiden großen Wissenschaftseinrichtungen dieser Republik in der Hochtechnologie an einen gemeinsamen Standort zu bringen: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie die Fraunhofer Gesellschaft. Ansonsten von gewisser Rivalität geprägt, arbeiten beide Institutionen in Stade gemeinsam an den Herausforderungen im Bereich der Produktion von CFK Bauteilen. Im Endausbau werden im CFK – Nord mehr als 100 hochqualifizierte Ingenieure arbeiten und damit die bisherigen Probleme im Engeneering beseitigt haben.

Basis dafür sind natürlich die in der Region tätigen Akteure, die in gemeinsam ausgerichteten Projekten an der Zukunft des Flugzeugbaus arbeiten: Airbus, EADS und Premium Aerotec sowie eine ganze Palette vom KMU, die als Zulieferer eingebunden sind.

Darüber hinaus wird auch der Aus- und Weiterbildung von CFK Fachkräften ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Durch die Ansiedelung der Privaten Fachhochschule Göttingen ist es gelungen, die vor Ort benötigten Fachkräfte, Facharbeiter wie Ingenieure, gleich dort auszubilden. Mittlerweile studieren bereits 150 junge Menschen, im Übrigen schon fast ein Drittel Frauen, in den Bachelor- und Masterstudiengängen in Stade.

Im Technologiezentrum in Nordenham arbeiten eine Vielzahl von Unternehmen, Hersteller wie Zulieferer, an den derzeitigen Herausforderungen vor allem im neuen Airbus Programm A 350, die zu mehr als 50% aus CFK bestehen wird. Hier muss zeitnah der Übergang von der klassischen metallischen Herstellungsweise in die CFK Bauweise geschafft werden. Obwohl dieser Flugzeugtyp bereits in 3 Jahren in Dienst gestellt werden soll, beherrschen immer noch eine Vielzahl von Detailproblemen die Produktionsabläufe.

Einen anderen Schwerpunkt hat das Technologie- und Ausbildungszentrum am Standort Varel. Hier muss in der Zerspannung von Flugzeugteilen komplementär zur beschriebenen Umstellung vom Werkstoff Aluminium hin zu CFK der Wandel vom Aluminium hin zum Titan als Werkstoff gelingen. Darin liegen große Herausforderungen, die im Technologiezentrum entwickelt und erprobt werden.

Ähnlich wie in Stade ist ebenfalls ein Ausbildungszentrum errichtet worden, um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel gezielt entgegenzuwirken und vor Ort eine high-end Ausbildung zu gewährleisten.

Allen Aktivitäten ist gemein, dass sie nicht nur exzellente Bedingungen für Entwicklung, Forschung und Aus- und Weiterbildung bieten, sondern auch insbesondere für junge Menschen eine Bleibewirkung in der Region entfalten. Dies ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil.

Zudem entfaltet die Errichtung solcher Forschungsinfrastruktur eine „Magnetwirkung“, indem die dort angesiedelten Forschungs- und Entwicklungsbereiche in der Lage sind, sich um Bundesförderprogramme im Bereich der Luftfahrtforschung bewerben zu können.

Zu 2.:
Das nunmehr im Haushaltsverfahren befindliche neue Luft- und Raumfahrtprogramm soll mit 31 Mio. € über einen Zeitraum bis 2014 vor allem zur Verstetigung der eingeschlagenen Strategie dienen.

Die Bemühungen der Landesregierung sind erfolgreich angelaufen. Forschung und Industrie, vor allem aber die kleinen und mittelständischen Entwicklungspartner, benötigen im zumindest europaweiten schwierigen Wettbewerb weitere finanzielle Unterstützung bei der Forschung und Entwicklung der identifizierten Technologiefelder. AIRBUS erwartet Engagement und Eigenbeteiligung seiner Zulieferer. Dies ist für die Zulieferer angesichts der Forschungsrisiken oftmals nicht darstellbar.

Demzufolge soll der Focus der jetzigen Förderung auf der „zweiten Reihe“, auf den Mittelstand gelegt werden. Nach der Sicherung der Produktionsstandorte ist nun die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Zuliefererstruktur von hoher Bedeutung.

Weiterhin sollen mit dem „Luft- und Raumfahrtprogramm II“ Querschnittstechnologien gefördert werden, die den Anwendungstransfer von der Luftfahrtindustrie in andere Industriebereiche gewährleisten, sei es Windkraft, Maritime Wirtschaft oder der Automobilbau. Dort stehen Leichtbauthemen, wenn auch unter anderen Voraussetzungen, ebenfalls im Vordergrund der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten.

Zu 3.:
Wesentliches Ziel der im Zusammenhang mit dem Luft- und Raumfahrtprogramm ins Leben gerufenen Initiative „Niedersachsen Aviation“ ist es, Niedersachsen als Luft- und Raumfahrtstandort im Bewusstsein nationaler und internationaler Partner zu verankern, ein übergreifendes technisches und politische Netzwerk zu entwickeln und durch gezielte Aktivitäten im Konzert der zumindest bundesweiten Akteure besser sichtbar zu werden.

Im August ist die Landesinitiative Niedersachsen Aviation vom Innovationszentrum Niedersachsen evaluiert worden. Das Ergebnis war außerordentlich positiv und „ bestätigt die sehr gute Umsetzung und die Erreichung der mit der Initiative verbundenen Zielsetzungen zur Stärkung des Luft- und Raumfahrtstandortes Niedersachsen. So ist es in kurzer Zeit gelungen, ein umfassendes und aktives Netzwerk von mehr als 400 Personen zu etablieren. Dies schlägt sich nieder in regelmäßig tagenden Arbeitsgruppen, in fallbezogenen Workshops und an konkreten Projektthemen, in denen die Netzwerkpartner erfolgreich zusammengearbeitet haben. Besonders positiv zu werten sind die erfolgreichen Auftritte auf den internationalen Leitmessen, der ILA und der AERO. Auf der AERO konnte ein Gemeinschaftsstand mit niedersächsischen KMU geschmiedet werden.

Als positives Beispiel für die internationale Sichtbarkeit führt das Innovationszentrum den Abschluss eines MoU (memorandum of understanding) mit dem in Seattle beheimateten Zulieferernetzwerk Pacific Northwest Aerospace Alliance (PNAA) an.

Das Innovationszentrum empfiehlt, die Landesinitiative fortzusetzen.

Das niedersächsische Wirtschaftsministerium hat sich der Empfehlung des Evaluationsberichtes angeschlossen und beabsichtigt, die Initiative im Rahmen des neuen Förderprogramms für weitere drei Jahre fortzuführen. Zurzeit läuft entsprechend den vergaberechtlichen Bestimmungen und mit dem erforderlichen Haushaltsvorbehalt eine europaweite Ausschreibung für die Fortführung der Landesinitiative in dem Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2014.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
11.11.2011

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