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Beteiligung von Niedersachsen am geplanten bundesweiten Versuch mit Gigalinern

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.12.2011 - TOP 24. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Silke Lesemann (SPD)


Die Abgeordnete Dr. Silke Lesemann (SPD) hatte gefragt:

Die Landesregierung hat der Bundesregierung zugesagt, an einem neuen fünfjährigen Feldversuch mit Lang-Lkw (Gigalinern) teilzunehmen. Dieser neue Feldversuch findet nicht in allen Bundesländern statt. Vor allem SPD-geführte Länder lehnen die Gigaliner ab. Bedenken gelten der Verkehrssicherheit auf Autobahnen und bei längeren Überholmanövern, dem erhöhten Fahrwegverschleiß sowie der Rückverlagerung von Schwerlastverkehr von der Schiene auf die Straße. Wie der Berichterstattung in den Medien zu entnehmen ist, soll der Versuch auch auf der A 7 im Bereich der Abfahrstellen Höver und Laatzen stattfinden sowie auf der B 443 in Richtung B 6.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Unternehmen aus dem Bereich der Kommunen Laatzen, Pattensen und Sehnde werden sich an dem erneuten Versuch mit Gigalinern beteiligen, und um welche Streckenabschnitte handelt es sich genau?
  2. Mit welchen Gefahren und Belastungen für Mensch und Material ist zu rechnen (durch verlängerte Bremswege, Unfallgefahren bei verlängerten Überholwegen, besondere Belastungen für Lkw-Fahrer, Schäden an Straßen)?
  3. Welche zusätzlichen Erkenntnisse in Hinblick auf Wirtschaftlichkeit, Energieverbrauch und Verkehrssicherheit glauben Bund, Land und Unternehmen aus dem Versuch mit Gigalinern in den genannten Streckenabschnitten ziehen zu können, nachdem das Land bereits eigene Versuche durchgeführt hat?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die Landesregierung begrüßt den im Frühjahr 2012 startenden Feldversuch mit Lang-LKW, da diese neue Fahrzeugkombination erheblich zur besseren Nutzung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur beitragen kann. Neben Niedersachsen werden sich Schleswig-Holstein, Hessen, Bayern, Sachsen und Thüringen beteiligen. In Hamburg werden die Autobahnen zumindest für den Transit freigegeben.

Dass dieser Versuch verkehrspolitisch absolut sinnvoll ist, lässt sich angesichts der Güterverkehrsprognosen, die bis 2025 noch einmal mit einer Steigerung von 70% rechnen, kaum abstreiten. Dabei sind die Lang-LKW nicht das Allheilmittel, um diesen Anstieg zu bewältigen. Sie können aber - neben dem parallel weiter laufenden Ausbau von Straße, Schiene und Wasserstraße - zumindest einen Teil dazu beitragen.

Niedersachsen hatte sich bereits 2006 in einem eigenen Pilotversuch ein Bild von Nutzen und Risiken beim Einsatz der Lang-LKW gemacht. Der Versuch wurde in Zusammenarbeit mit der Uni Hannover ausgewertet. Im Ergebnis überwiegen die Vorteile der Lang-LKW deutlich. Da für den Transport des gleichen Ladungsvolumens statt drei normaler LKW nur noch zwei Lang-Lkw benötigt werden, reduzieren sich Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß um ca. 30%. Gleichzeitig verringert sich der Platzbedarf auf der Straße, was zu einer Entlastung stark befahrener Autobahnen führen kann.

Anders als oft von den Gegnern des Lang-LKW behauptet, steht bei einem neuen, bundesweiten Versuch mit den Fahrzeugen fest, dass diese auf 40t bzw. 44t beschränkt bleiben, es also keine „Einführung des 60-Tonners durch die Hintertür“ gibt.

Gerade angesichts der Verkehrsentwicklung ist es klug, überzeugenden Transport-Konzepten wie dem Lang-LKW eine Chance zu geben. Deshalb unterstützt Niedersachsen dieses Projekt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Zur Vorbereitung des bundesweiten Feldversuchs wurden Unternehmen und Speditionen über die Industrie- und Handelskammern aufgerufen, mögliche Routen an die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr zu melden. Die gemeldeten Routenwünsche wurden nach Anhörung der zuständigen Straßenverkehrsbehörden der Kommunen auf die Befahrbarkeit durch Lang-LKW geprüft. Alle als befahrbar eingestuften Routen wurden an das Bundesverkehrsministerium gemeldet. Dieses wird noch im Dezember eine Ausnahmeverordnung erlassen, die unter anderem die Anforderungen an Fahrer und Fahrzeuge sowie als Anlage das freigegebene Streckennetz (Positivnetz) enthält. Speditionen, die am Feldversuch teilnehmen möchten, müssen sich zunächst bei der Bundesanstalt für Straßenwesen registrieren lassen, damit diese die wissenschaftliche Begleitung des Feldversuchs sicherstellen kann. Welche Speditionen aus Niedersachsen tatsächlich teilnehmen, kann deshalb erst nach Abschluss der Registrierungen gesagt werden. Dies wird frühestens im März 2012 der Fall sein.

Für das Positivnetz wurden folgende Strecken im Bereich Laatzen, Pattensen, Sehnde als befahrbar gemeldet:

A 7/AS Laatzen über die B 443, B 6, Helperder Straße, K 516 (Breslauer Straße), L 410 (Görlitzer Straße) bis zur Voss-Straße 98 in Sarstedt.

A 7/AS Hannover-Anderten über die B 65, L 382, K 142 bis Hannoversche Straße 27 in Sehnde.

Zu 2.:
Lang-LKW sind weder schwerer noch breiter als „normale“ LKW-Anhänger-Kombinationen. Dies bedeutet, dass bei einem Aufprall die Energie und damit die Unfallfolgen nicht größer sind. Da ein Lang-LKW mehr gebremste Achsen hat, ist das Bremsvermögen tendenziell eher besser. Durch die Verteilung des Gewichts auf eine größere Anzahl von Achsen wird der Straßenbelag weniger geschädigt als durch einen „normalen“ LKW. Lang-LKW müssen das in der Straßenverkehrszulassungsordnung vorgeschriebene Kurvenlaufverhalten einhalten und dürfen nur auf Strecken verkehren die einen ausreichenden Ausbauzustand etwa bei Breite und Kurvenradien haben.

Aufgrund der Bestimmungen der Ausnahmeverordnung müssen sie mit zusätzlichen Fahrerassistenzsystemen, wie zum Beispiel einem elektronischen Fahrdynamikregelungssystem (ESP), einem Spurhaltewarnsystem, einem Abstandstempomat, einem Notbremsassistenzsystem und einer automatischen Anzeige der Achslasten bzw. des Gesamtgewichts ausgestattet sein. Aufgrund der in der geplanten Ausnahmeverordnung vorgegebenen Rahmenbedingungen ist damit zu rechnen, dass das Gefährdungspotential von Lang-LKW kaum höher ist, als das „normaler“ LKW-Kombinationen mit 18,75 m.

Zu 3.:
Die in Niedersachsen gewonnenen Erkenntnisse beruhen auf einer wissenschaftlichen Auswertung eines Pilotversuchs mit nur drei Fahrzeugkombinationen über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum.

Diese Erkenntnisse waren ausreichend für eine positive Anfangsbewertung des neuen Fahrzeugkonzepts, für eine statistisch abgesicherte Aussage war die Anzahl der beteiligten Fahrzeuge jedoch viel zu gering. Am neuen Feldversuch der Bundesregierung werden wesentlich mehr Fahrzeuge teilnehmen und das befahrbare Streckennetz wird erheblich ausgedehnt. Die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen unter Beteiligung verschiedener wissenschaftlicher Institute kann sich deshalb auf eine wesentlich umfangreichere Datenbasis abstützen und statistisch abgesicherte Aussagen treffen.

So wird beispielsweise auch die von Gegnern des Konzepts immer wieder aufgestellte Behauptung, dass Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert werden könnte, eine wichtige Fragestellung sein. Im Pilotversuch Niedersachsens konnte diese Fragestellung aufgrund der geringen Anzahl der Versuchsteilnehmer nicht untersucht werden.

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erstellt am:
09.12.2011

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