Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung Niedersachsen klar Logo

Erfolgt gerade ein Paradigmenwechsel im Umgang mit Lagerstättenwasser in Niedersachsen?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 24.10.2014 - TOP 31. Antwort vom Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode, Gabriela König, Dr. Gero Hocker, Christian Dürr u.a. (FDP)


Die Abgeordneten Jörg Bode, Gabriela König, Dr. Gero Hocker, Christian Dürr und Jan-Christoph Oetjen (FDP) hatten gefragt:

Im April 2014 antwortete die rot-grüne Landesregierung (Drucksache 17/1446) umfänglich über den Umgang mit Lagerstättenwasser in Niedersachsen. Niedersachsen verfügt über jahrzehntelange Erfahrungen bei der Förderung von Erdgas. Die Verfahren und Technologien werden ständig weiterentwickelt und befinden sich im internationalen Vergleich auf dem höchsten Standard. Die Landesregierung erklärte im April 2014 auch, dass die Entsorgung des Lagerstättenwassers im Regelfall über Tiefbohrungen in tiefe geologische Schichten, die entweder sekundären oder tertiären Fördermaßnahmen dienen, erfolgt. Und weiter: „Das Versenken von Lagerstättenwasser ist ein weltweit eingesetztes Verfahren, das seit Jahrzehnten in Niedersachsen angewendet wird. Die Technologie gilt als ausgereift und findet in Niedersachsen nur dann Anwendung, wenn eine Beeinflussung von nutzbaren Grundwasserhorizonten bzw. Grundwasserkörpern sicher ausgeschlossen ist. Das Versenken von Lagerstättenwasser soll entsprechend einem Erlassentwurf des Landes nur noch zugelassen werden, wenn eine Rückführung in den geogenen Speicherhorizont erfolgt. Alternativ ist eine Aufbereitung an der Oberfläche zu prüfen“. Laut dpa vom 13. Oktober 2014 (Zusammenfassung 20:30 Uhr) hat Minister Wenzel angekündigt, dass die Landesregierung die Entsorgung künftig ändern wolle. „Wir haben als Land festgelegt, dass wir die oberflächennahe Verpressung nicht mehr wollen“, wird Minister Wenzel zitiert. Es würden, laut dpa, derzeit zwei Optionen geprüft: Entweder müssten die Förderunternehmen das Lagerstättenwasser reinigen, oder es müsste in eine Tiefe von 5 000 m geleitet werden. Einen rechtlichen Rahmen hierfür will die Landesregierung bis Februar 2015 schaffen.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Welche Risiken gehen von einer Verpressung von Lagerstättenwasser, wie es bei der Erdgasförderung anfällt, in eine Tiefe von 3 000, 4 000 oder 5 000 m aus?
  2. Was ist der qualitative Unterschied, insbesondere mit Bezug auf die Gefährdung von Schutzgütern, zwischen einer Verpressung von Lagerstättenwasser in 5 000 m Tiefe und einer „Rückführung in den geogenen Speicherhorizont“?
  3. Kann die Landesregierung potenzielle Gefährdungen, einschließlich einer vergleichenden Abwägung bei den beiden Optionen - Verpressung in 5 000 m Tiefe oder Reinigung an der Erdoberfläche - benennen?
Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Bei der Gewinnung von Erdöl und Erdgas werden natürlich vorkommende Tiefenwässer mitgefördert, die aus dem Gestein gelöste Salze und verschiedene organische Stoffe enthalten. Nach Abtrennung vom Bodenschatz erfolgt die Entsorgung dieses Lagerstättenwassers im Regelfall über Tiefbohrungen in tiefe geologische Schichten, die entweder sekundären oder tertiären Fördermaßnahmen dienen (Einpressbohrung) oder zur sonstigen Einleitung von Stoffen in den Untergrund bestimmt sind (Versenkbohrung). Elementare Voraussetzung hierbei ist, dass durch die Versenkung des Lagerstättenwassers keine Einwirkungen auf nutzbare Grundwasserhorizonte zu besorgen sind. Angesichts der jahrzehntelangen Erdöl- und Erdgasgewinnung in Niedersachsen findet das Versenken von Lagerstättenwasser seit vielen Jahrzehnten statt, sodass umfangreiche Erfahrungen beim Umgang mit dieser Technologie vorhanden sind.

Um der prioritären Bedeutung des Trink- und Grundwasserschutzes in Niedersachsen mit einer erhöhten Sicherheit nachzukommen, soll zukünftig die Versenkung von Lagerstättenwasser zum Zwecke der dauerhaften Entsorgung ausschließlich in ehemaligen Förderhorizonten erfolgen, also in den geologischen Formationen in denen diese Wässer natürlich vorkommen. Alternativ dazu sind zulässige Entsorgungswege über Tage (ggfs. nach Aufbereitung) in Anspruch zu nehmen.

Aufgrund der Tatsache, dass in Niedersachsen die ehemaligen Förderhorizonte in unterschiedlichen Tiefenlagen anzutreffen sind, soll auf die Definition einer Mindesttiefe für die Versenkung von Lagerstättenwasser verzichtet werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Unabhängig von der Tiefe der Versenkhorizonte ist das Einbringen von Lagerstättenwasser in unterirdische Gesteinsschichten mit Risiken verbunden, die bei der Entscheidung über die Realisierbarkeit dieser Vorhaben zu berücksichtigen sind. Zu diesen Risiken zählt der mögliche Aufstieg des eingebrachten Lagerstättenwassern entlang von künstlichen (Tiefbohrung) oder natürlichen Wegsamkeiten (u.a. geologische Störungen, fehlende oder ungeeignete Barrieregesteine) sowie die Verdrängung von hochmineralisiertem Formationswasser entlang dieser Wegsamkeiten. Vor der Realisierung derartiger Vorhaben ist daher unter anderem nachzuweisen, dass im unterirdischen Einwirkungsbereich der Versenkmaßnahme dichte Barrierehorizonte vorhanden sind, die unter den geplanten Druckbedingungen dauerhaft den Versenkhorizont in vertikaler Richtung abdichten. Des Weiteren ist die Integrität der Versenkbohrung nachzuweisen. Vor diesem Hintergrund beinhaltet das Genehmigungsverfahren des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) einen umfassenden Prüfprozess, bei dem die Mächtigkeit, Tiefenlage und abdichtende Qualität der Barrieren sowie die Integrität der Bohrung unter den geplanten Betriebsbedingungen (Lagerstättendruck, Versenkvolumen) intensiv betrachtet und somit mögliche Risiken für Grund- und Trinkwasser auf ein Mindestmaß begrenzt werden. Die konkrete Tiefenlage des Versenkhorizonts spielt bei dieser Prüfung nur eine nachgeordnete Rolle.

Zu 2.:
Qualitativ ist im Wesentlichen zwischen Versenkvorhaben in tiefen salzwasserführenden Gesteinsschichten (salinare Aquifer) und solchen in ausgeförderten Erdöl- und Erdgaslagerstätten sowie deren druckabgesenkten Randbereichen zu unterscheiden.

Erdgas- oder Erdöllagerstätten haben durch ihre Existenz bereits über Jahrmillionen nachgewiesen, dass Gase oder Fluide über sehr lange Zeiträume sicher gespeichert werden können. Aus diesem Grund ist nach Einschätzung des LBEG bei ehemaligen druckabgesenkten Lagerstätten durch die „Wiederauffüllung“ des entnommenen Volumens (z.B. durch Lagerstättenwasser) bis zum initialen Lagerstättendruck grundsätzlich kein unzulässiger vertikaler Fluidumstieg aus dem Versenkhorizont zu erwarten. Im Gegensatz dazu haben salinare Aquifere ihre Dichtigkeit nur bis zum herrschenden Aquiferdruck nachgewiesen. Im Falle der Versenkung von Lagerstättenwasser ist damit zu rechnen, dass im Aquifer eine Drucksteigerung stattfindet, die über den initialen Druck hinausgehen kann. Aus diesem Grund ist im Genehmigungsverfahren nachzuweisen, dass der salinare Aquifer hydraulisch allseitig abgeschlossen ist, da andernfalls hochmineralisiertes Formationswasser aus dem Versenkhorizont verdrängt und unkontrolliert in andere Horizonte verlagert werden könnte. Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung entschieden, neue Versenkvorhaben nur noch in ehemaligen Erdgas- oder Erdöllagerstätten zuzulassen. Darauf bezog sich auch die dpa-Meldung.

Eine ausschließlich tiefenbezogene Betrachtung ist angesichts dieser qualitativen Unterschiede nicht zielführend.

Zu 3.:
Angesichts des bei der Erdgasproduktion anfallenden zumeist hochmineralisierten und salzreichen Lagerstättenwassers ist davon auszugehen, dass bei der Aufbereitung dieses Wassers große Mengen an Salzen, belastet mit Schwermetallen und anderen Gefahrstoffen, anfallen. Im Hinblick auf den jährlichen Lagerstättenwasseranfall von mehreren Millionen Kubikmetern wären somit zehntausende Tonnen an belasteten Salzrückständen zu erwarten, die anschließend zu deponieren sind. Hierdurch können, insbesondere mit Blick auf Grund- und Oberflächenwasser, neue Gefährdungspotenziale entstehen. Derzeit werden oberirdische Methoden zur Entsorgung von verschiedenen Unternehmen einer Prüfung unterzogen.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

Logo Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
24.10.2014

Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke

Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Pressesprecher
Friedrichswall 1
30159 Hannover
Tel: (0511) 120-5427
Fax: (0511) 120-995427

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln