Transrapid-Teststrecke im Emsland
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.11.2008 - TOP 26
Antwort von Verkehrsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Enno Hagenah (GRÜNE)
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Im Sommer 2009 laufen die derzeitigen Testfahrten mit dem Transrapid TR 09 auf der Versuchsstrecke in Lathen vertragsgemäß aus. Ein Konzept, wie die Anlage im Anschluss genutzt werden soll, gibt es nach Informationen von dpa vom 3. November nicht. Die Referenzstrecke, für den der TR 09 entwickelt wurde, die Verbindung zwischen Münchner Hauptbahnhof und Flughafen, wurde wegen erheblicher Kostensteigerungen gegenüber den ursprünglichen Schätzungen der Betreiber vor einem Jahr von Bund und Land Bayern zu den Akten gelegt. Ein anderes Anwendungsprojekt ist außer der möglichen Verlängerung der bisherigen Strecke in China von Shanghai nach Hangzhou weltweit nicht in Sicht.
Im Vorfeld der Münchner Entscheidung hatte das Industriekonsortium um ThyssenKrupp und Siemens schon einmal gedroht, bei einem Scheitern der Finanzierung die Entwicklung und den Vertrieb des Transrapid nicht mehr selbst weiter zu verfolgen, sondern den bis dahin erreichten Entwicklungsstand (Blaupausen) meistbietend veräußern zu wollen. Sichtbarer Schritt in diese Richtung ist die in den vergangenen Monaten bereits vollzogene Auflösung der gemeinsamen Firma der Industriepartner "Transrapid International".
Im April dieses Jahres versuchte auch die Landesregierung mit einer Bundesratsinitiative die vor einigen Jahren noch gegenüber dem Eisenbahnbundesamt und auch während der Zeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses hier im Landtag noch vehement verteidigte Aufsicht über die Teststrecke an den Bund und das Eisenbahnbundesamt abzugeben.
Vor wenigen Tagen nun forderten unter anderem der aus der Region stammende niedersächsische Justizminister Bernd Busemann und der Landrat des Emslandes Hermann Bröring von Bund und Industrie konkrete Perspektiven für die Teststrecke. Dies ist einerseits sicher mit der Sorge um die 70 Arbeitsplätze verbunden, aber sicher auch mit der unklaren Rückbausicherheit der vor Jahrzehnten auf landwirtschaftlichen Pachtflächen errichteten Anlage begründet. Nicht ohne Grund dürfte die ehemalige Eigentümerin DB AG die Teststrecke für nur einige Tausend Euro an die IABG abgegeben haben, obwohl die DB AG erst vor wenigen Jahren noch 30 Millionen Euro in die Modernisierung der Anlage investiert hatte. Und auch nicht ohne Grund dürfte die in München ansässige IABG für den Betrieb in Lathen eine gesonderte GmbH ausgegründet haben.
Bund und Land haben die Entwicklung der Transrapidtechnologie und den Testbetrieb in Lathen in den vergangenen 20 Jahren mit mehreren 100 Millionen Euro Steuergeldern gefördert. Der Anteil des Landes bestand dabei in Personal und Sachmitteln für die fortlaufende Aufsicht über den Betrieb und für Genehmigungstätigkeiten, die für die Weiterentwicklung der Technologie in Lathen notwenig waren. Die noch laufende staatliche Förderung, die den Weltkonzernen Siemens und Thyssen-Krupp zugute kommt, läuft mit Abschluss des Testprogramms des TR 09 im nächsten Jahr aus.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Verpflichtungen der Industrie für eine Fortsetzung der Entwicklung der Transrapidtechnologie und des Testbetriebes in Lathen haben Bund und Land an die Förderung mit mehreren 100 Millionen Euro Steuergeldern geknüpft?
- Welches Konzept der Landesregierung für eine Fortsetzung des Testbetriebes oder eine anderweitige Nutzung liegt dem aktuellen Engagement von Mitgliedern der Landesregierung für die Teststrecke zugrunde, und welchen Stellenwert hatte in diesem Konzept das Bestreben der Landesregierung vom April dieses Jahres, selbst aus der Verantwortung für die Aufsicht entbunden zu werden?
- Welche Vorsorge hat die Landesregierung getroffen um sicherzustellen, dass auf die Grundstückseigentümer, auf deren Pachtflächen die 32 km lange Teststrecke errichtet worden ist, keine Sicherungs- und Rückbauverpflichtungen in Millionenhöhe zukommen, falls in Zusammenhang mit auslaufenden Aufträgen für den Testbetrieb ggf. eine Insolvenz der für den Betrieb in Lathen verantwortlichen IABG-Tochterfirma einher gehen würde?
Verkehrsminister Walter Hirche beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Die Landesregierung sieht in der Magnetschwebebahntechnik weiterhin eine innovative Zukunftstechnologie, deren Erprobung und Anwendung sie in Deutschland und Europa wünscht.
Betreiber der Transrapid Versuchsanlage Emsland (TVE) ist die Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG) mit Sitz in Ottobrunn. Für den Betrieb der TVE hat die IABG eine Außenstelle in Lathen eingerichtet. Die vom Fragesteller angeführte gesonderte GmbH für den Betrieb der TVE existiert nicht.
Auf der TVE werden Langzeit-Tests zur Sicherstellung des Entwicklungsstandes, zur weitergehenden Erprobung und zur Optimierung der verkehrlichen Anwendungen der Magnetschwebebahn-Technik durchgeführt. In Kooperation mit der Systemindustrie setzt der Bund zu diesem Zweck auf der TVE das so genannte "Weiterentwicklungsprogramm (WEP)" um. Der Betrieb der TVE wird über Zuwendungen des Bundes sowie durch die Systemindustrie und den Betreiber finanziert. Eine finanzielle Förderung der Versuchsanlage durch das Land Niedersachsen erfolgte bisher nicht.
Dem Land obliegt nach § 12 Absatz 4 des Gesetzes über den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr (Versuchsanlagengesetz) die Aufgabe der Genehmigung der Betriebsvorschriften für die TVE. Insoweit sind die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) als Genehmigungsbehörde und das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr als Fachaufsichtsbehörde über die NLStBV tätig.
Im April dieses Jahres hat die Landesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versuchsanlagengesetzes in den Bundesrat eingebracht. Ziel der im Mai dieses Jahres vom Bundesrat beschlossenen Initiative ist es zum einen, für entsprechende Versuchsanlagen bisher fehlende gesetzliche Regelungen über staatliche Überwachungsrechte und –pflichten zu schaffen. Zum anderen sollen aus Gründen der Effizienz und der Harmonisierung die inhaltlichen Anforderungen der gesetzlichen Regelungen für Versuchsanlagen an die bestehenden gesetzlichen Regelungen für Anwenderstrecken im Magnetschwebebahnplanungsgesetz (MBPlG), im Allgemeinen Magnetschwebebahngesetz (AMbG) und in der Magnetschwebebahn-Bau- und Betriebsordnung (MbBO) angepasst werden. Nach den genannten gesetzlichen Regelungen ist das Eisenbahn-Bundesamt Aufsichts-, Planfeststellungs- und Genehmigungsbehörde für Magnetschwebebahn-Anwenderstrecken. Wegen der dort konzentrierten Fachkompetenz für die Technik für den spurgeführten Verkehr sollen dem Eisenbahn-Bundesamt diese Zuständigkeiten auch bezüglich Magnetschwebebahn-Versuchanlagen übertragen werden.
Dies vorausgeschickt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
Die Regelungen über die Beseitigung einer Versuchsanlage ergeben sich aus § 13 des Versuchsanlagengesetzes. Danach hat der Betreiber einer Versuchsanlage diese auf seine Kosten zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, wenn er feststellt, dass der Erprobungszweck der Versuchsanlage entfallen ist oder die Versuchsanlage nicht anderweitig für öffentliche Zwecke benutzt wird. Die Rückbauverpflichtung für die TVE trifft in diesem Fall die IABG. Der Bund hat dafür die Finanzierung zugesagt.
Das Land hat die Entwicklung der Transrapid-Technologie auf der Versuchsanlage Emsland finanziell nicht gefördert. Es übt die ihm obliegenden, in der Vorbemerkung dargelegten Aufgaben nach dem Versuchsanlagengesetz aus. Für das Land besteht keine gesetzliche Grundlage, die Industrie zur Fortführung bestimmter Vorhaben zu verpflichten.
Der Bund hat die Weiterentwicklung der Magnetschwebebahn-Technik und den Versuchsbetrieb in Lathen langjährig gefördert. Aus dem Haushaltsvermerk zu Kapitel 1202 Titel 718 32 des Entwurfs zum Bundeshaushaltsplan 2009 geht hervor, dass die Systemindustrie verpflichtet ist, "nach vollständiger Durchführung des gesamten WEP Rückzahlungen an den Bund in Höhe der Entwicklungskosten zu leisten, wenn sie die gewerblichen Schutzrechte und Erfindungen in einem Anwendungsfall nutzt oder Dritten zur Nutzung gestattet. Die Rückzahlungen der Systemindustrie müssen sich in einem ersten Anwendungsfall auf mindestens 50 Mio. und insgesamt auf 100 Millionen Euro belaufen".
Darüber hinaus liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse – insbesondere keine Zuwendungsbescheide zwischen Bund und dem Betreiber/Industrie - vor, mit welchen Verpflichtungen für die Industrie der Bund die Förderung der TVE verbunden hat.
Zu 2.:
Nach Erkenntnissen der Landesregierung soll das WEP bis Ende Juni 2009 abgeschlossen werden. Es obliegt in erster Linie der Industrie und dem Betreiber, Konzepte für die Nutzung der Versuchsanlage nach Abschluss des WEP zu erarbeiten. Die Landesregierung setzt sich aktuell in Gesprächen mit dem Bund, der Industrie und dem Betreiber für den Weiterbetrieb der TVE ein.
Zu 3.:
Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
14.11.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010
Ansprechpartner/in:
Christian Haegele
Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
Friedrichswall 1
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