Klassifizierung der Niedersächsischen Straßentunnel
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16.12.2009 - TOP 15
Der Abgeordnete Karsten Heineking (CDU) hatte gefragt:
In Niedersachsen werden sehr viele Güter auf Straße und Schiene transportiert. Hierbei handelt es sich auch in nicht unerheblicher Zahl um Gefahrguttransporte. Ab 1. Januar 2010 sind Durchfahrtsbeschränkungen für Gefahrgut nur noch durch Vergabe einer Kategorie nach 1.9.5 des Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) zulässig.
Dabei sind die Tunneleigenschaften, die Risikoeinschätzung einschließlich Verfügbarkeit und Eignung alternativer Strecken und Überlegungen zur Verkehrslenkung zu berücksichtigen. Bis Ende 2009 sollen daher alle Tunnel zertifiziert und in einem zentralen Verzeichnis veröffentlicht sein.
Mithilfe einer entsprechenden Beschilderung inklusive des Tunnelbeschränkungscodes ist dann für Fahrer und Disponenten von Gefahrguttransporten klar, welche Strecken und Tunnel befahren werden dürfen. Diese Regelung erhöht die Sicherheit bei Benutzung der Tunnel und verkürzt zum Teil erheblich die Fahrtzeiten und Fahrtstrecken.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Tunnel sind bereits zertifiziert, und sind gegebenenfalls Ersatzstrecken ausgewiesen? Wie viele Tunnel sind in Niedersachsen von dieser Regelung betroffen, und wer ist für die Zertifizierung zuständig?
- Bei welchen Strecken wird das Verfahren bis zum 31. Dezember 2009 inklusive der erforderlichen Beschil-derung und der nötigen Ausweisung von Ersatzstrecken abgeschlossen sein?
- Welche Konsequenzen ergeben sich, falls die Zuordnung zu einer Tunnelkategorie entsprechend der ADR nicht bis zum 31. Dezember 2009 erfolgt wäre?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Nach Absatz 1.9.5.1 des ADR muss bei der Anwendung von Beschränkungen für die Durchfahrt von Fahrzeugen mit gefährlichen Gütern durch Tunnel die zuständige Behörde den Straßentunnel einer der in Absatz 1.9.5.2.2 festgelegten Tunnelkategorie zuordnen.
Für die Zuordnung zur jeweiligen Kategorie ist eine Risikoeinschätzung vorzunehmen.
Die Vorschriften des Kapitels 1.9 ADR sollen sicherstellen, dass nach dem Recht eines Mitgliedstaates vorgenommene Tunnelbeschränkungen abkommensweit systematisch und durch einheitliche Kennzeichnung erfolgen. Eine Verpflichtung Beschränkungen vorzunehmen, enthält das ADR nicht. Nach der ADR-Definition der Tunnelkategorie A ist diese immer automatisch einschlägig, wenn keine Tunnelbeschränkung erfolgt ist. Das bedeutet, dass alle Tunnel, die nicht betrachtet wurden, mit Ablauf des 31.12.2009 automatisch Kategorie A (d.h. uneingeschränkt befahrbar) werden. Eine Beschilderung ist nicht erforderlich. Soll der Zugang zu Tunneln beschränkt werden, muss das Straßenverkehrszeichen 261 StVO (Durchfahrtsverbot für Gefahrgut) mit dem Zusatzschild B, C, D, oder E versehen sein. Mit den genannten Vorschriften und Richtlinien hat sich zur Erlangung einer Rechtssicherheit bei Durchfahrtsbeschränkungen für Gefahrguttransporte der Bedarf einer bundeseinheitlichen Anwendungsregelung ergeben.
Aus diesem Grund wurde ein von Bund und Ländern gemeinsam finanziertes Forschungsvorhaben "Verfahren zur Kategorisierung von Straßentunneln gemäß ADR 2007" in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind inzwischen veröffentlicht.
Die entwickelte Methode zur risikobasierten Kategorisierung von Straßentunneln ist zweistufig (jeweils mit zwei Unterstufen) aufgebaut.
Stufe 1 (1a und 1b) besteht in einer Grobbeurteilung, die in der Regel durch eine Behörde vorgenommen werden kann. Werden die Risiken der Stufe 1 als zu hoch bewertet, muss der Tunnel in Stufe 2 vertieft untersucht werden. Dazu ist die Vergabe eines Gutachtens erforderlich.
Niedersächsische Interessen wurden durch die Mitarbeit des Wirtschaftsministeriums und der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in der Bund-Länder-AG "Gefahrgut durch Tunnel" und dem Betreuungsausschuss zum Forschungsvorhaben berücksichtigt. Damit ist auch eine zügige Umsetzung des Forschungsvorhabens und schnelle Kategorisierung der Tunnel möglich geworden.
Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
In Niedersachsen sind nach bisherigen rechtlichen Möglichkeiten Durchfahrtsbeschränkungen für den Ems-, Weser-, und Heidkopftunnel angeordnet.
Diese müssen insofern mit der neuen Kennzeichnung versehen werden.
Zuständig für die Zuordnung von Straßentunneln ab einer Länge von 400 m zu einer Tunnelkategorie ist nach § 18 Abs. 2 Nr. 3 der neuen Verordnung über die Regelungen von Zuständigkeiten im Bereich Verkehr (ZustVO- Verkehr) die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr.
Für kürzere Tunnel ergibt sich eine Zuständigkeit der jeweiligen Straßenverkehrsbehörden (NLStBV, Kommunen).
Zu 2.:
Von der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr sind Risikobetrachtungen nach dem vorgesehenen Verfahren des Forschungsvorhabens für folgende Tunnel angestellt worden:
- Galerie Lindenberg A 39,
- Lärmschutztunnel Dissen A 33,
- Tunnel Bovenden B 3,
- Galerie Heidberg A 39,
- Butterbergtunnel B 241
- Hasselkopftunnel B 4
Für diese Tunnel ist das Verfahren abgeschlossen. Eine Durchfahrtsbeschränkung ist nicht vorgesehen.
Für den Wesertunnel (B 437) und den Emstunnel (A 31) mussten aufgrund der besonderen Charakteristiken als Unterwassertunnel zur Kategorisierung Gutachten in Auftrag gegeben werden. Die sich daraus ergebende Festlegung einer Kategorie und Beschilderung wird voraussichtlich bis Ende des Jahres erfolgen.
Die Sperrung des Heidkopftunnel (A 33) für Gefahrgut erfolgte auf der Grundlage einer im Januar 2007 durchgeführten Risikoanalyse.
Insofern wird diese Regelung zunächst durch die Anbringung des Zusatzzeichens "E" (Beschränkung für alle Gefahrgüter) umgesetzt. Die Umfahrungsstrecke ist bereits jetzt ausgeschildert.
Eine Risikobetrachtung nach dem sich aus dem Forschungsvorhaben ergebenden Verfahren soll zeitnah erfolgen.
Zu 3.:
Eine alleinige Sperrung eines Tunnels nach der StVO mit Verkehrszeichen 261 ist ab dem 01.01.2010 nicht mehr möglich.
Auch in anderen Bundesländern werden daher zunächst bestehende Sperrungen durch die Anbringung des Zusatzzeichens "E" weitergeführt.
Artikel-Informationen
erstellt am:
16.12.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010