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IHK Lüneburg-Wolfsburg

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.03.2009 - TOP 29


Die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle (Die LINKE) hatte gefragt:

Seit einiger Zeit macht die Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg durch negative Schlagzeilen in den Medien auf sich aufmerksam. Erst wurde dem Hauptgeschäftsführer fristlos gekündigt, und seit Kurzem wird dem IHK-Präsidenten Eberhard Manzke vom Verband für freie Kammern Manipulation bei seiner Wahl zur IHK-Hauptversammlung vorgeworfen. Anfang Februar 2009 wurde überdies bekannt, dass die IHK Lüneburg-Wolfsburg auch ihrer Pressereferentin - einer langjährigen Mitarbeiterin - fristlos gekündigt hat. Gegen beide Kündigungen sind Gerichtsverfahren anhängig.

Wegen der aktuellen Vorwürfe der Wahlmanipulation soll am 19. März 2009 eine Sonderhauptversammlung stattfinden. Vom Bundesverband für freie Kammern war bemängelt worden, dass der spätere Präsident Manzke bereits beim Ausfüllen seiner Wahlunterlagen für die IHK-Hauptversammlung gravierende Fehler begangen habe. Unter anderem soll eine Unterstützerunterschrift unzulässig gewesen sein. Herr Manzke soll Presseberichten zufolge darüber hinaus in einer falschen Wahlgruppe kandidiert haben. Zudem sei seine Stellung in der Firma als "Gesellschafter" angegeben worden, was jedoch für eine Wählbarkeit nicht ausreiche. Auch die Vorlage einer Generalvollmacht könne dies nach den Statuten der IHK nicht heilen; denn dafür sei eine "besondere bestellte Vollmacht" notwendig, die allerdings nach Medienberichten nicht vorliege.

Während diese oder ähnliche Mängel in den Wahlunterlagen bei anderen Kandidatinnen bzw. Kandidaten in aller Regel sehr streng mit "Nichtwählbarkeit" beantwortet würden, seien sie nach Presseinformationen beim Kandidaten Eberhard Manzke offenkundig nicht bemängelt bzw. nachträglich geheilt worden.

Für das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr als Rechtsaufsicht der Industrie- und Handelskammern im Land hat der zuständige Referent, Christian Haegele, auf Nachfrage der Presse geäußert, dass im Zusammenhang mit der Wahl von Eberhard Manzke zum Präsidenten der IHK Lüneburg-Wolfsburg alles rechtens gewesen sei. Ein Eingreifen der Rechtsaufsicht sei daher nicht geboten.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. In welcher Form nimmt das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr seine Rechtsaufsicht der Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen wahr?
  2. Zu welchem Zeitpunkt wurde dem Ministerium erstmals über Unregelmäßigkeiten bei der IHK Lüneburg-Wolfsburg berichtet, und wie wurde darauf reagiert?
  3. Was ist der Inhalt der Dienstaufsichtsbeschwerde im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten bei der IHK Lüneburg-Wolfsburg, und wie gedenkt das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr damit umzugehen?

Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die Wahlen zu den Vollversammlungen der Industrie- und Handelskammern als Selbstverwaltungskörperschaften erfolgen in deren eigener Verantwortung nach den Wahlordnungen der jeweiligen Kammern. Die Kammern unterliegen insoweit der Rechtsaufsicht des Landes.

Der von der Vollversammlung der jeweiligen Industrie- und Handelskammer gewählte Wahlausschuss ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen (Wahlbekanntmachungen, Aufstellung der Wählerlisten, Prüfung der Wahlvorschläge und Kandidatenlisten, Feststellung des Wahlergebnisses) zuständig. Nach Abschluss der Wahlprüfung gilt die Wahl entsprechend der Wahlordnung der Industrie- und Handelskammer als rechtmäßig abgeschlossen, wenn innerhalb einer festgelegten Frist nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses kein Einspruch beim Wahlausschuss eingegangen ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHK-G) unterliegen die Industrie- und Handelskammern der Aufsicht des Landes darüber, dass sie sich bei Ausübung ihrer Tätigkeit im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften (einschließlich der Satzung, der Wahl-, Beitrags-, Sonderbeitrags- und Gebührenordnung) halten.

Kennzeichnend für Selbstverwaltungskörperschaften wie Kammern ist deshalb, dass die Staatsaufsicht auf eine Rechtsaufsaufsicht beschränkt ist. Dieses Rechtsinstitut verwirklicht gleichermaßen Freiheit und Bindung der Selbstverwaltung. Die Rechtsaufsicht ist in besonderen Fällen vorbeugend ausgestaltet, damit die Staatsaufsichtsbehörde in einem Genehmigungsverfahren bereits vorher die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen und Maßnahmen prüfen kann. Die Genehmigungstatbestände sind dann im Gesetz einzeln aufgeführt. Im Übrigen greift die allgemeine Rechtsaufsicht nachträglich ein, wenn Rechtsverletzungen vorkommen. Im Übrigen beschränkt sich das IHK-G in § 11 auf die Rechtsaufsicht. (vgl. Frentzel, Jäkel, Junge "Industrie- und Handelskammergesetz", 6. Auflage, zu § 11 IHK-G).

Zu 2.:
Der Rechtsaufsicht über die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg sind erst im Jahre 2008 Hinweise darüber zugegangen, dass es bei den Wählbarkeitsvoraussetzungen des Herrn Manzke bei der Wahl zur Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg im Jahre 2006 Unklarheiten gegeben haben solle. Die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg ist daraufhin um Stellungnahme gebeten worden, die auch umgehend erfolgte. Die Auswertung des Berichts ergab, dass Herr Manzke für die Vollversammlung der Industrie- und Handelkammer Lüneburg-Wolfsburg wählbar war und auch weiterhin ist. Für ein Einschreiten der Rechtsaufsicht gab es und gibt es somit keine Veranlassung.

Zu 3.:
Der Bundesverband für freie Kammern e. V. trägt in seiner Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Mitarbeiter des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr u. a. vor:

"Angesichts der gravierenden Mängel in der Bearbeitung der Kandidatur des Unternehmers Manzke zur Wahl der Vollversammlung der Kammer Lüneburg-Wolfsburg im Jahr 2006 durch Hauptamt und Wahlkommission, wäre ein Einschreiten der Rechtsaufsicht bereits zwingend gewesen."

"Dies weist auf erhebliche strukturelle organisatorische Defizite in der Kammer hin, die ein Eingreifen der Rechtsaufsicht nötig macht."

"Dass Ihre Mitarbeiter dies nun, statt zu intervenieren, nachträglich decken und schön reden, stellt aus unserer Sicht ein klares Dienstvergehen dar."

Die in der Dienstaufsichtsbeschwerde vorgetragenen Punkte werden zurzeit geprüft.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
27.03.2009
zuletzt aktualisiert am:
08.07.2014

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