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Agenda für Bürokratieabbau

Entlastungsoffensive Mittelstand II


Mit der „Agenda für Bürokratieabbau – Entlastungsoffensive Mittelstand“ hat das Niedersächsische Wirtschaftsministerium im August 2020 einen umfangreichen und detaillierten Katalog von Vorschlägen zur Entlastung niedersächsischer Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), vorgelegt. Zahlreiche Vorschläge konnten davon umgesetzt werden, andere befinden sich im Umsetzungsprozess - konstruktive Lösungen aller beteiligten Institutionen stehen dabei immer im Fokus.

Bürokratieabbau ist eine strategische Daueraufgabe. Mit der „Agenda für Bürokratieabbau – Entlastungsoffensive Mittelstand II“ haben wir die wichtigsten Handlungsfelder der kommenden Monate definiert, um weiterhin bürokratische Lasten abzubauen. Um die beschriebenen Ziele zu erreichen, sind gemeinsame Anstrengungen auf Landes-, aber auch auf Bundesebene erforderlich.

1. Fokus Mittelstand

Die wichtigste Zielgruppe unserer Bestrebungen, nachhaltig Bürokratie abzubauen, ist und bleibt der niedersächsische Mittelstand. Die Schaffung wirtschaftsfreundlicher und fördernder Rahmenbedingungen stellt einen Tätigkeitsschwerpunkt der Landesregierung dar.

Eine wichtige Rolle beim Abbau von unnötiger Bürokratie spielt die 2020 gegründete Clearingstelle. Diese hat bereits in zahlreichen Verfahren wertvolle Anregungen zur Vermeidung von Bürokratie im Entstehungsprozess von Landesrecht gegeben. Um die Arbeit der Clearingstelle noch wirkungsvoller zu gestalten, sollten die bereits bestehenden „Instrumente“ verstärkt genutzt und zudem perspektivisch über eine Weiterentwicklung der Aufgabenstellung der Clearingstelle nachgedacht werden:

  • Verankern eines so genannten Praxis-Checks in den Clearingverfahren durch die Ergänzung der Gemeinsamen Geschäftsordnung (GGO) der Landesregierung nach dem Vorbild der Bayrischen Staatsregierung: Hiernach sollen in geeigneten Fällen Vorschriften und Vollzugshilfen (wie z. B. Merkblätter, Handreichungen, Leitfäden) vorab im Zusammenspiel mit Anwendern und Betroffenen modellhaft einer praktischen Anwendung unterzogen und auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Ziel ist es, das Rechtsetzungsvorhaben anwenderfreundlich und verständlich auszugestalten.
  • Einräumen eines Initiativrechts in der GGO zugunsten der Clearingstelle bei mittelstandsrelevanten Gesetzgebungsinitiativen von Land, Bund und EU: Demzufolge könnte die Clearingstelle auch unabhängig von einer Einbeziehung der Ressorts der Landesregierungen eine Stellungnahme erarbeiten und Hinweise zur Bürokratievermeidung in das Rechtssetzungsverfahren einbringen.

2. Ehrenamt

Ehrenamt sollte für alle attraktiv bleiben, egal, ob in der Stadt oder in den ländlichen Regionen Niedersachsens. Und das Hauptamt im Ehrenamt muss in die Lage versetzt werden, der eigentlichen Aufgabenstellung nachzukommen und nicht in Bürokratie zu versinken.

Daher fordern wir - anknüpfend an die bisherigen Erkenntnisse der Enquete-Kommission Ehrenamt des Niedersächsischen Landtages und den Empfehlungsbericht des Normenkontrollrats Baden-Württemberg - Vereine und Ehrenamt in Niedersachsen durch die folgenden Maßnahmen konkret zu entlasten:

  • Zügige und fristgerechte Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG): Die Digitalisierung hat (auch) für die Wahrnehmung des Ehrenamtes eine zentrale Bedeutung. Gerade in ländlichen Regionen ist die Erreichbarkeit kompetenter Ansprechpartner von zentraler Bedeutung, genauso bei der Abwicklung von Antragsverfahren für Fördermittel, der Abgabe von Steuererklärungen sowie bei der Erfüllung von statistischen Pflichten. Daher müssen die entsprechenden Verwaltungsleistungen fristgerecht online angeboten werden.
  • Unterstützung und Vereinfachungen bei der Datenschutz-Grundverordnung: Praxisnahe Leitfäden, die online verfügbar sind sowie die deutliche Ausweitung der bereits vorhandenen Beratungsangebote für Ehrenamtliche, die in allen verfügbaren Erhebungen die Vorgaben im Bereich Datenschutz als besondere Belastung bezeichnen.
  • Weitere steuerliche Vereinfachungen und Vorteile für gemeinnützige Vereine: Mit den Stimmen Niedersachsens sind bereits Ende 2020 zahlreiche Verbesserungen im Gemeinnützigkeitsrecht des Bundes beschlossen worden, so z.B. die Anhebung der jährlichen Freigrenze für Einnahmen aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb von 35.000 Euro auf 45.000 Euro. Weitere Erleichterungen sollten folgen, konkret die Anhebung des steuerlichen Freibetrags von 5.000 Euro auf 10.000 Euro sowie die Umwandlung des Jährlichkeitsprinzips in eine Drei-Jahres-Betrachtung für die Körperschafts- und Gewerbesteuer. Dies würde den Vereinen mehr Flexibilität bei der Durchführung von Veranstaltungen ermöglichen.

3. Zukunft der Arbeit

Das Bedürfnis für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts ist sowohl auf Seiten der Arbeitgeber - bedingt durch die Notwendigkeit, zunehmend schnell und flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen und Markterfordernisse zu reagieren - als auch auf Seiten der Arbeitnehmer mit Blick auf private Bedürfnisse und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegeben. Gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung der Arbeitswelt zunehmend „hybride Arbeitsverhältnisse“. Wir sind überzeugt davon, dass die Tarifvertragsparteien aufgrund ihrer Sachnähe und Erfahrungen in der Lage sein werden, ausgewogene und praxistaugliche Lösungen für die entsprechenden Branchen, Arbeitsplätze oder Arten von Tätigkeiten zu erarbeiten. Gleichzeitig würden hierdurch Sozialpartnerschaft sowie Tarifbindung gestärkt und gefördert. Anknüpfend an diese Ausführungen wird daher Folgendes gefordert:

  • Die Flexibilisierung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes im Rahmen einer befristeten Schaffung und anschließenden Evaluation von Experimentierräumen zur Ausfüllung durch tarifvertragliche Regelungen unter Beachtung der Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie, dies insbesondere unter Beachtung der täglichen Mindestruhezeit von 11 Stunden, der wöchentlichen Mindestruhezeit von 24 Stunden und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Zu berücksichtigen sind dabei selbstverständlich auch die Erfordernisse des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie der bestehenden Tarifverträge.
  • Die Etablierung von Homeoffice und mobilem Arbeiten als dauerhafte echte Alternativen: Dafür sind klare gesetzliche Leitplanken zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einerseits und Arbeitgeberrechten und –pflichten andererseits notwendig. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice mit Ablehnungsfristen oder Begründungserfordernissen sollte daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Ein solcher Rechtsanspruch würde neue Bürokratie für die Unternehmen verursachen. Sicherheits- und Datenschutzaspekte, nachvollziehbare betriebswirtschaftliche Kostenfaktoren, aber auch eine (angemessene) Entscheidungsfreiheit über die Ausrichtung der Unternehmenskultur müssen zudem nach wie vor ausreichende Berücksichtigung finden. Es sollte daher den Sozialpartnern bzw. Betriebsparteien überlassen werden, dort, wo es für die Beteiligten sinnvoll ist, passgenaue Lösungen zu entwickeln.

4. Digitalisierung

Die Digitalisierung von Prozessen ist der Schlüssel zu einer modernen, leistungsfähigen und bürokratiearmen Verwaltung sowie zu einer funktionierenden Kommunikation mit Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern. Hierbei hängt alles davon ab, dass vorhandene Verwaltungsdaten als Voraussetzung für planerische Verwaltungsaufgaben und evidenzbasierte Entscheidungen der Politik besser genutzt werden können. „Datengetriebenes Regieren“ sollte daher zum zentralen Leitmotiv der Landesregierung werden.

Darüber hinaus müssen alle Prozesse der Rechtssetzung von Anfang an digital gedacht und einem „Digitalisierungscheck“ unterzogen werden. Anknüpfend an den Leitgedanken der Neuregelung des § 31a der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO), der sog. Clearingverfahren zur Vermeidung von Bürokratie bereits im Entstehungsprozess von Landesrecht regelt, wird daher vorgeschlagen:

  • Ergänzung der Gemeinsamen Geschäftsordnung (GGO) um den Prüfungspunkt „Auswirkungen auf die Digitalisierung“: Ziel dieser Änderung ist es, dass die digitale Umsetzung in Verwaltungsprozessen bei allen zukünftigen Rechtssetzungsvorhaben der Landesregierung von Beginn an berücksichtigt wird. Es ist aus unserer Sicht unabdingbar, diesen so genannten E-Government-Check als eigenständige Prüfung im Rahmen der ohnehin zu prüfenden Gesetzesfolgenabschätzung durchzuführen. Nur so kann sichergestellt werden, dass im Rechtssetzungsprozess die Belange der Digitalisierung beachtet und die Folgen für die Digitalisierung angemessen einheitlich betrachtet und bewertet werden.
  • Die Finalisierung der Neuausrichtung des Kundenportals der NBank: Zukünftig sollen alle Förderprogramme des Landes, unabhängig davon, ob sie von der NBank, einem Ministerium oder einer nachgeordneten Behörde bearbeitet werden, über den „One-Stop-Shop“ der NBank beantragt werden können. Darüber hinaus sollte aber auch die Entwicklung neuer Förderprogramme unter der Prämisse der Darstellung eines voll digitalen Förderprozesses gedacht werden. Es muss künftig von erheblicher Bedeutung sein, sowohl das Zielbild des digitalen Förderprozesses als auch den optimalen fachlichen Gesamtförderprozess im Rahmen der Aufstellung von neuen Richtlinien im Blick zu behalten. Auch Vereinfachungen im Bereich des Förderrechts sollten eine Rolle spielen, zu denken wäre dabei beispielsweise an die Einführung einer sog. Automatisierungsverordnung, die die Grundlage zum Erlassen voll automatisierter Bescheide darstellen würde und damit sowohl schnellere Entscheidungen als auch eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes mit sich bringen würde.

5. Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung

Die überragende Bedeutung und dringende Notwendigkeit der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ist unbestritten. Nur dadurch kann Niedersachsen – respektive ganz Deutschland - ein wettbewerbsfähiger Standort bleiben.

Am 24. August 2021 hat die Landesregierung den Abschlussbericht des Interministeriellen Arbeitskreises Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung („IMAK“) beschlossen. Die Potentiale zu einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sind hierbei erkannt und zahlreiche konkrete Handlungsvorschläge vorgelegt worden. Jetzt gilt es, an die Umsetzung zu gehen. Hierzu müssen alle zuständigen Ressorts der Landesregierung an einem Strang ziehen. Um das aufgezeigte Beschleunigungspotential rasch zu entfalten, sollten insbesondere die folgenden Handlungsvorschläge vorrangig umgesetzt werden:

  • Eine Bundesratsinitiative zum Verfahrensrecht: Das niedersächsische Wirtschaftsministerium wird im Frühjahr des Jahres 2022 eine Bundesratsinitiative anstoßen, die vier Handlungsvorschläge möglichst gebündelt als „Planungsbeschleunigungsgesetz V“ in die Umsetzung bringen wird. Konkret sind dies die Vorschläge zur digitalen Einwandserhebung, zu Veränderungen im Linienbestimmungsverfahren im Fernstraßengesetz des Bundes, zur standardisierten Nutzung von Daten zu Artenvorkommen sowie zur Anpassung des EU-Rechts bzgl. des Stichtages für die zu berücksichtigende Sach- und Rechtslage im Umweltrecht auf die letzte Behördenentscheidung.
  • Die Einrichtung einer Plattform für behördenübergreifende Zusammenarbeit in den Bereichen Planung, Bau, Denkmalschutz, Immissionsschutz: Über ein solches Netzwerk könnten in Genehmigungsverfahren gegenseitige Stellungnahmen sowie der Austausch von digitalen Planungsunterlagen deutlich beschleunigt werden; diese erste Ebene (von dreien) würde schon deutliche Erleichterungen mit sich bringen.
  • Die (weitere) Optimierung der Erhebung von Umweltdaten: Diese sind für die Planung von Infrastrukturvorhaben von enormer Bedeutung. Im Rahmen der oben genannten Bundesratsinitiative soll eine Prüfbitte an die Bundesregierung bzgl. einer bundesgesetzlichen Regelung gerichtet werden, durch welche eine Verpflichtung zur Übermittlung der Daten in standardisierten Formaten an die öffentliche Verwaltung bzw. Freigabe ihrer Weiterverwendung durch die öffentliche Verwaltung eingeführt wird. Ziel muss es sein, die im Rahmen von Anträgen vorgelegten und erfassten (Umwelt-)Daten für die Weiternutzung der öffentlichen Hand zugänglich zu machen.

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