Ausbildungschancen Jugendlicher mit Migrationshintergrund
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2011 - TOP 26. Antwort von Arbeitsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Gabriela König (FDP)
Die Abgeordnete Gabriela König (FDP) hatte gefragt:
Die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund steigt seit Jahren. Es ist unabdingbar, diesen Kindern und Jugendlichen vielfältige Ausbildungschancen zu eröffnen, nicht nur vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels, sondern vor allem auch aus gesellschafts- und integrationspolitischen Gründen. Dennoch ist es oftmals so, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund immer noch größere Probleme haben, einen Ausbildungsplatz zu finden, als vergleichbar qualifizierte Deutsche.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Maßnahmen zur Integration von Personen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt gibt es, und welche richten sich besonders an Jugendliche?
- Gibt es Erkenntnisse dafür, dass viele Kleinbetriebe mit Migrationshintergrund keine Berechtigung zur Berufsausbildung haben, und, wenn ja, könnte dies ein Grund für die Probleme, die Jugendliche mit Migrationshintergrund bei der Suche nach einen Ausbildungsplatz haben, sein?
- Sollte aus Sicht der Landesregierung bei Kleinunternehmern und Handwerkern mit Migrationshintergrund stärker für den Erwerb einer Ausbildungsberechtigung geworben werden?
Mit rund 1,3 Mio. Personen haben gut 17 Prozent der Menschen in Niedersachsen einen Migrationshintergrund. Von ihnen befinden sich rund 800.000 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 65 Jahren (Mikrozensus 2009). Damit stellen Migrantinnen und Migranten schon heute ein wichtiges Arbeitskräftepotential dar. Mit dem demografischen Wandel wird ihre Bedeutung für den Arbeitsmarkt in Niedersachsen in Zukunft weiter zunehmen.
Allerdings sind Migrantinnen und Migranten in ganz Deutschland bisher überdurchschnittlich stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Gründe dafür reichen von mangelnden Sprachkenntnissen und fehlenden beruflichen Qualifikationen bei den Betroffenen bis hin zu Vorbehalten bei den einstellenden Unternehmen oder fehlenden Anerkennungen von berufsrelevanten Abschlüssen, die im Ausland erworben wurden.
Die Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten ist daher eine wichtige Zielsetzung der Arbeitsmarktpolitik in Niedersachsen. Angesichts der Herausforderung, Migrantinnen und Migranten verbesserte Erwerbschancen zu eröffnen und den niedersächsischen Unternehmen das Fachkräftepotential dieser Gruppe stärker zu verdeutlichen, sind Migrantinnen und Migranten daher eine besondere Zielgruppe im Rahmen des „Niedersächsischen Paktes für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“ sowie im Rahmen der „Qualifizierungsoffensive Niedersachsen“
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
In Hinblick auf die Verbesserung der Arbeitsmarktchancen für Personen mit Migrationshintergrund stehen die Arbeitsmarktprogramme der Landesregierung insbesondere auch Migrantinnen und Migranten offen.
Angesichts die Zielsetzung, die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationshintergrund auch innerhalb der geförderten Projekte weiter zu verbessern und das Risiko einer Stigmatisierung der Gruppe möglichst zu vermeiden, wurden auf anraten vieler Praktiker der Arbeitsförderung allerdings keine Förderprogramme für Qualifizierungsprojekte zur ausschließlichen Teilnahme von Migrantinnen und Migranten aufgelegt.
Vor dem Hintergrund des besonderen Förderbedarfs der Zielgruppe hat die Landesregierung im Rahmen der „Qualifizierungsoffensive Niedersachsen“ gleichwohl eine zielgruppenbezogene Arbeitsmarktinitiative für Migrantinnen und Migranten ergriffen. Schwerpunkt dieser Initiative sind Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung für beschäftigte und arbeitslose Personen mit Migrationshintergrund:
Beschäftigte Migrantinnen und Migranten in kleinen und mittleren Unternehmen waren im Herbst 2009 Zielgruppe des 4. Ideenwettbewerbs „Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten in niedersächsischen KMU“ im Rahmen des Programms „Weiterbildungsoffensive für den Mittelstand (WOM)“.
Im laufenden Jahr 2011 wird ein Sonderschwerpunkt zur Qualifizierung langzeitarbeitsloser Migrantinnen und Migranten im Rahmen des Programms „Arbeit durch Qualifizierung (AdQ)“ durchgeführt, in dessen Rahmen seit Juli 2011 landesweit 26 Qualifizierungsprojekte mit einem Fördervolumen von rd. 4,4 Mio. Euro unterstützt werden.
Beiträge zur Verbesserung der Ausbildungschancen jugendlicher Migrantinnen und Migranten leistet die Landesregierung im Rahmen der Förderprogramme zur Verbundausbildung, zu Modellprojekten der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung, zur Förderung der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung sowie zur Förderung der „Modellprojekte betriebliche Ausbildung“.
Zur Verbesserung der Berufsorientierung und Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund fördert das Land seit Februar 2009 darüber hinaus das Pilotprojekt „Chancen nutzen – Perspektiven schaffen“. Neben einer Kompetenzfeststellung umfasst das Projekt Maßnahmen zur Sprachförderung sowie zur persönlichen Begleitung beim Übergang von der Schule in die Ausbildung.
An Jugendliche mit Migrationshintergrund wenden sich auch die Berufseinstiegsklassen (BEK), das Berufsvorbereitungsjahr in der Sonderform für Ausländerinnen und Ausländer sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, die Regionen des Lernens (RdL) und auch die Berufs- sowie Ausbildungslotsen.
Für Jugendliche mit unzureichender Sprachkompetenz können an Berufsbildenden Schulen besondere Sprachförderklasse eingerichtet werden. In diesen sogenannten BVJ-A Klassen (Berufsvorbereitungsjahr als Sprachförderklasse für Ausländerinnen und Ausländer sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler) ist der gesamte Unterricht, auch im berufsbezogenen Lernbereich, auf Erwerb von Sprachkompetenz ausgerichtet.
Auch sämtliche Fördermöglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des Sozialgesetzbuches III und des Sozialgesetzbuches II stehen Personen mit und ohne Migrationshintergrund gleichermaßen offen, sofern sie die jeweiligen individuellen Fördervoraussetzungen erfüllen.
Zu 2.:
Hinsichtlich der Ausbildungsberechtigung von Betriebsinhabern mit Migrationshintergrund liegen der Landesregierung keine Daten vor.
Zu 3.:
Eine Bereitstellung von Ausbildungsplätzen durch Betriebe, deren Inhaber über einen Zuwanderungshintergrund verfügen, wird begrüßt. So übernehmen Unternehmensinhaber mit Migrationshintergrund dadurch gesellschaftliche Verantwortung zur Verbesserung der Ausbildungssituation.
Zur verstärkten Einbindung migrantengeführter Betriebe in das System der dualen Berufsausbildung fördert die Landesregierung daher bei der Industrie- und Handelskammer Hannover einen zusätzlichen Ausbildungsplatzakquisiteur, dessen Tätigkeit ausschließlich auf die Einwerbung von Ausbildungsplätzen in Migrantenbetrieben gerichtet ist.
Artikel-Informationen
erstellt am:
11.11.2011