Schwefelgrenzwerte in der Schifffahrt
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2011 - TOP 26. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Bernd-Carsten Hiebing (CDU)
Der Abgeordnete Bernd-Carsten Hiebing (CDU) hatte gefragt:
Die internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO hat in Bezug auf die produzierten Schiffsabgase verschärfte Rahmenbedingungen gesetzt, die auch für Niedersachsen eine Rolle spielen. Für auf der Nordsee verkehrende Schiffe dürfen seit dem 1. Juli 2010 nur noch Bunkeröle mit einem maximalen Schwefelgehalt von 1 % eingesetzt werden. Der zulässige Schwefelgehalt wird ab dem 1. Januar 2015 auf 0,1 % abgesenkt.
Die nachdrückliche Reduktion des Schwefelgehaltes in den Brennstoffen stellt die niedersächsischen Reedereien vor die Herausforderung, Millionen Tonnen Schweröl zu entschwefeln oder umzuwandeln. Um die verschärften Grenzwerte einhalten zu können, werden die Reedereien verstärkt in innovative Schiffstechnologien investieren müssen. Die EU-Kommission erwartet einen kurzfristigen Kostenanstieg für die Reeder um bis zu 65 % nach dem Jahr 2015.
Der Richtlinienvorschlag bezieht sich nur auf die IMO-Schwefelüberwachungsgebiete (SECA). Dazu gehören die Nord- und Ostsee, aber nicht das Mittelmeer oder die spanische und französische Atlantikküste. In diesen und anderen europäischen Gewässern dürfen nach der geplanten EU-Richtlinie schlechtere Treibstoffe verwendet werden: ab 2015 Bunkeröle mit einem maximalen Schwefelgehalt von 3,5 % und ab 2020 0,5 %. Es könnte sein, dass, um Betriebskosten zu sparen, Schiffe zukünftig nicht mehr die niedersächsischen Häfen in Stade, Cuxhaven, Brake, Wilhelmshaven oder Emden ansteuern. Es steht zudem zu befürchten, dass es zu einer erheblichen Verkehrsrückverlagerung auf die Straße kommt.
Niedersachsen hat mit den Küstenländern Schleswig-Holstein und Hamburg eine Bundesratsinitiative zu Schiffsemissionen gestartet und die Bundesregierung gebeten, sich bei der EU dafür einzusetzen, dass es durch unterschiedliche Umweltstandards in den Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Häfen kommt. Es wurde angeregt, die SECA-Standards EU-weit für verbindlich zu erklären.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Auswirkungen haben die Schwefelgrenzwerte in der Schifffahrt für die Hafenwirtschaft und die Reeder in Niedersachsen?
- Welche Chancen sieht die Landesregierung, die Investitionsbereitschaft niedersächsischer Reeder in alternative Technologien durch nationale bzw. europäische Förderprogramme anzuregen?
- Welche Reaktionen hat es auf die gemeinsame Bundesratsinitiative zum Thema Schwefellimit auf Bundes- und auf Euroebene gegeben?
Die Zielrichtung der internationalen Regelungen zur Luftreinhaltung durch die Schifffahrt auf Ebene der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO und der Europäischen Gemeinschaft werden von der Niedersächsischen Landesregierung unterstützt. Allerdings darf es durch einzelne Vorgaben nicht zu unerwünschten Verlagerungen von Ladungstransporten -insbesondere von solchen, die derzeit über See stattfinden- auf die Straße oder zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Häfen kommen. Verhindert werden muss für Letztere, dass auf Grund von höheren Kosten durch Umweltstandards Schiffs- und Ladungsverkehre aus niedersächsischen Häfen in Gebiete abwandern, in denen geringere Anforderungen zu beachten sind.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Durch die Reduzierung des Schwefelgehalts in Schiffsbrennstoffen werden Verkehrsverlagerungen von der Schifffahrt weg prognostiziert, die in erster Linie Container-Feeder- und internationale Fährverkehre betreffen. Solche Verkehre finden überwiegend im Ostseebereich statt. Für die niedersächsischen Häfen haben sie zurzeit noch eine untergeordnete Bedeutung. Bei den Container-Feederverkehren wird sich das jedoch mit der Inbetriebnahme des Jade-Weser-Ports ab August nächsten Jahres erheblich ändern.
Bis Ende September wurden im Jahr 2011 in den niedersächsischen Seehäfen rund 34,1 Millionen Tonnen an Ladung umgeschlagen. Der Güterumschlag bewegt sich somit in etwa auf dem Niveau des letzten Jahres, wobei es in einzelnen Häfen zu deutlichen Steigerungen gekommen ist. Da jedoch die letzte Stufe der Maßnahmen in den SECA mit dem Grenzwert von 0,1% Schwefel erst ab 2015 zur Anwendung kommt, können derzeit noch keine Schlussfolgerungen zu etwaigen Auswirkungen auf die niedersächsische Hafenwirtschaft gezogen werden.
Die niedersächsischen Reeder mit ihren über 1.000 Schiffseinheiten agieren weltweit. Gleichwohl sind sie durch die vorgesehenen Schwefelgrenzwerte im SECA-Gebiet in besonderer Weise betroffen, weil ein wichtiger Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in der Nord-/ Ostsee-Fahrt liegt. Dies bezieht sich sowohl auf den Containerverkehr als auch auf die Küstenmotorfahrt. Gerade für die mittelständisch geprägte niedersächsische Reederschaft entsteht somit eine besondere Herausforderung.
Zu 2.:
Die Landesregierung sieht durchaus die Chance, die Investitionsbereitschaft der niedersächsischen Reeder in alternative Technologien durch Förderprogramme anzuregen. Neben dem bereits bestehenden Programm "Innovationsförderung für den Schiffbau", welches von Bund und Land finanziert wird, ist das Bundesprogramm "Maritime Technologien der nächsten Generation“ zu nennen, in dem gezielt Forschung für Schiffbau und Schifffahrt unterstützt wird. Darüber hinaus sieht die Landesregierung Ansatzpunkte, den Umbau bzw. die Nachrüstung von Schiffsmotoren für die Schwefelgrenzwerte gezielt zu unterstützen, zumindest bei KMU. In die erst beginnende Diskussion wird sich Niedersachsen einbringen. Die Chancen für ein flächendeckendes und kräftiges Zusatzprogramm werden angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen allerdings eher zurückhaltend beurteilt.
Zu 3.:
Der Bundesrat hat mit seiner Stellungnahme vom 23.09.2011 zur Änderung der EU-Richtlinie hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen die Bundesregierung gebeten, sich bei der EU dafür einzusetzen, dass es durch unterschiedliche Umweltstandards in den Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Häfen kommt.
Die Stellungnahme des Bundesrates ist auf maßgebliche Initiative der Niedersächsischen Landesregierung hin zustande gekommen. Hintergrund ist die Tatsache, dass es über die genannte Richtlinie in den Hoheitsgewässern der EU-Mitgliedstaaten zukünftig keine einheitliche Festlegung von Schwefelanteilen in Schiffskraftstoffen geben wird. Vielmehr gelten für Nord- und Ostsee die bekannten strengeren Grenzwerte. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme angeregt, die für Nord- und Ostsee geltenden Grenzwerte auf alle Hoheitsgewässer der europäischen Gemeinschaft zu übertragen. Dieser Vorschlag liegt inzwischen den zuständigen Ratsarbeitsgruppen der EU-Kommission vor.
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erstellt am:
11.11.2011