Beschäftigte verfügen laut DGB über weniger Geld als vor zehn Jahren
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.12.2011 - TOP 24. Antwort von Arbeitsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Ursula Weisser-Roelle (LINKE)
Die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle (LINKE) hatte gefragt:
Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland immer weiter auseinander - so das Fazit des Verteilungsberichtes 2011 des DGB, der am 23. November vorgestellt wurde. Das Realeinkommen in Deutschland sei danach niedriger als vor zehn Jahren. Ein Arbeitnehmer, der im Jahr 2000 im Durchschnitt 2 113 Euro brutto im Monat verdiente, hätte unter Berücksichtigung der Preisentwicklung Ende 2011 nur noch durchschnittlich 2 074 Euro erhalten. Kräftige Lohnentwicklungen seien das Gebot der Stunde, so DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki bei der Vorstellung des Verteilungsberichtes (siehe Berliner Zeitung vom 24. November 2011). Während im Jahr 2000 den Arbeitnehmern über die Löhne 72,1 % des Volkseinkommens ausgezahlt wurden, sei diese Quote nach DGB-Angaben bis zum Jahr 2007 auf 63,2 % gesunken. Im Gegenzug seien die Firmen- und Vermögeneinkommen entsprechend gestiegen. Während das reichste Prozent der Menschen in Deutschland heute fast ein Viertel des Nettovermögens besitze, kämen zwei Drittel der Erwachsenen zusammen lediglich auf 9 % des Nettovermögens. Jeder Vierte habe nach DGB-Recherchen überhaupt kein Vermögen bzw. sei verschuldet.Ich frage die Landesregierung:
- Welche Erkenntnisse liegen ihr zur derzeitigen Vermögensverteilung in Niedersachsen vor?
- Wie haben sich die Reallöhne der abhängig Beschäftigten in den landeseigenen Unternehmen in Niedersachsen im Zeitraum 2000 bis 2010 entwickelt (Angaben bitte in Jahresschritten)?
- Wie entwickelte sich die Anzahl langzeitarbeitsloser Frauen und Männer in Niedersachsen in den Jahren 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 (Angaben bitte unterscheiden nach Frauen und Männern)?
Mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von real 3,4 Prozent im Jahr 2010 verzeichnete Niedersachsen das stärkste Wirtschaftswachstum seit der Wiedervereinigung. Für 2011 erwartet die Nord/LB nach einer Prognose aus August 2011 immer noch ein Wachstum von rund drei Prozent. Gleichzeitig liegt der IHK-Konjunkturklimaindikator für Niedersachsen als wichtiges Stimmungsbarometer mit 117 Punkten im dritten Quartal 2011 weiterhin deutlich über dem Durchschnittsniveau der letzten zehn Jahre.
Zu dieser guten Entwicklung hat neben der erfolgreichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung unter anderem auch die Tarifpolitik der Tarifpartner beigetragen. So hat parallel zu den Reformen am Arbeitsmarkt auch die moderate Lohnentwicklung der vergangenen zehn Jahre dazu geführt, dass Deutschland heute zu den wettbewerbsfähigsten Ländern in Europa gehört. Während in vielen von der Schuldenkrise erfassten europäischen Staaten die Reallöhne nach Angaben der Europäischen Kommission in den vergangenen zehn Jahren überdurchschnittlich gestiegen sind und zu einer deutlichen Verteuerung der Arbeitskosten geführt haben, konnten diese in Deutschland begrenzt werden. Nach einer Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans Böckler Stiftung vom März 2011 sind die Kosten pro Arbeitsstunde in Deutschland zwischen 2000 und 2009 um durchschnittlich 1,9 Prozent gestiegen, im Durchschnitt des Euroraums betrug die jährliche Zunahme hingegen 2,9 Prozent. Nach Auffassung der Landesregierung hat diese Entwicklung maßgeblich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beigetragen.
Dabei setzt sich die Landesregierung für faire Löhne ein. Beschäftigte müssen für ihre Leistung gerecht entlohnt werden. Die Lohnfindung ist und bleibt jedoch Aufgabe der Tarifpartner. Die deutsche Tarifautonomie mit ihrer flexiblen Sozialpartnerschaft ist ein Herzstück des Erfolgsmodells der Sozialen Marktwirtschaft, in der sich die Tarifpartner regelmäßig auf auskömmliche und wirtschaftlich vernünftige Löhne einigen. So verfügen mehr als 98 Prozent aller Vollbeschäftigten über ein existenzsicherndes Einkommen. Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass der deutsche Arbeitsmarkt insgesamt von gut bezahlter und sozial abgesicherter Arbeit geprägt ist. Dies zeigt, dass die Tarifpartner ihrer Verantwortung uneingeschränkt gerecht werden.
Dabei sind auch die Reallöhne im wirtschaftlichen Aufschwung wieder gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt erhöhten sich die Nominallöhne im Jahr 2010 um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum um 1,1 Prozent. Diese Entwicklung setzt sich nach einer Prognose der Europäischen Kommission in 2011 fort. Während die Reallöhne im Schnitt der EU 27-Staaten um 0,8 Prozent sinken, wird für Deutschland ein leichter Reallohnzuwachs erwartet. Dabei hat sich auch das Konsumklima in Deutschland nach den jüngsten Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im November 2011 trotz der europäischen Krise weiter verbessert. Laut GfK dürfte der private Konsum im Gesamtjahr 2011 real um voraussichtlich 1,5 Prozent zulegen. Und auch in 2012 wird nach Meinung der Marktforscher der private Konsum eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft bleiben.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die zitierte Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bezieht sich bei der Vermögensverteilung auf Daten aus dem SOEP, dem Sozio-Ökonomischen Panel des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und ein damit verbundenes Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Hans Böckler Stiftung. Ob und inwieweit es im Rahmen des SOEP regionalisierte Daten auf Ebene der Bundesländer gibt, entzieht sich der Kenntnis der Landesregierung.
Im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) erheben die statistischen Ämter der Bundesländer im Auftrag des Statistischen Bundesamts alle fünf Jahre auch Daten zum Geld- und Sachvermögen. Danach ergibt sich aus der letzten repräsentativen Stichprobe aus dem Jahre 2008 für Niedersachsen von 3,76 Millionen hochgerechneten Haushalten folgende Verteilung des Bruttogeldvermögens:
Haushalte in Prozent |
|
Haushalte mit Angaben zur Höhe des Bruttogeldvermögens |
|
100,0 |
|
von … bis unter … EUR |
|
unter 2 500 |
20,1 |
2 500 - 5 000 |
7,9 |
5 000 - 10 000 |
11,3 |
10 000 - 25 000 |
18,7 |
25 000 - 50 000 |
16,6 |
50 000 - 100 000 |
14,0 |
100 000 - 250 000 |
8,9 |
250 000 - 500 000 |
1,8 |
500 000 und mehr |
(0,6) |
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008
Zu 2.:
Aufgrund der heterogenen Struktur der landeseigenen Unternehmen stellt sich die Lohnentwicklung der dortigen Beschäftigten naturgemäß unterschiedlich dar. Viele Unternehmen unterliegen den Tarifverträgen der jeweiligen Branche, in anderen Unternehmen richten sich die Lohnsteigerungen nach den Tariferhöhungen des öffentlichen Dienstes. Eine generelle Auskunft zur Entwicklung der Reallöhne der abhängig Beschäftigten in den landeseigenen Unternehmen Niedersachsens kann demzufolge nicht gegeben werden.
Zu 3.:
Als Langzeitarbeitslose gelten im Rahmen der Arbeitsmarktstatistik alle Personen, die am jeweiligen Stichtag der Zählung ein Jahr und länger arbeitslos gemeldet waren.
Derzeit kann aus verarbeitungstechnischen Gründen die Anzahl der Langzeitarbeitslosen nur für den Bereich der Agenturen für Arbeit und der gemeinsamen Einrichtungen dargestellt werden, so dass die Langzeitarbeitslosen bei den zugelassenen kommunalen Trägern (zkT) in den Statistiken nicht enthalten sind.
Die Anzahl der Langzeitarbeitslosen hat sich seit 2006 kontinuierlich reduziert. Die Langzeitarbeitslosen haben dabei von der positiven Entwicklung stärker profitiert als die Arbeitslosen insgesamt. Während die Anzahl der Arbeitslosen (insgesamt) von 2006 bis 2010 um ein knappes Drittel (-28,5 %) zurückgegangen ist, hat sich die Anzahl der Langzeitarbeitslosen im gleichen Zeitraum nahezu halbiert (-45,5 %).
Die Entwicklung der Langzeitarbeitslosen im Jahresdurchschnitt für die Jahre 2005 bis 2010 (für 2011 liegen erst Daten von Januar bis November vor, so dass nur ein entsprechender Durchschnitt gebildet werden kann), ist der folgenden Tabelle zu entnehmen:
Jahr |
Arbeitslose insgesamt (mit zkT) |
davon |
|||
Arbeitslose aus dem Fachverfahren der BA (ohne zkT) |
davon |
||||
Langzeitarbeitslos |
davon |
||||
Frauen |
Männer |
||||
2005 |
457.109 |
398.478 |
130.980 |
56.363 |
74.616 |
2006 |
417.847 |
354.342 |
144.062 |
71.641 |
72.421 |
2007 |
350.780 |
296.405 |
116.486 |
61.497 |
54.989 |
2008 |
303.084 |
256.681 |
92.023 |
48.637 |
43.386 |
2009 |
307.118 |
264.903 |
78.504 |
40.409 |
38.095 |
2010 |
298.569 |
258.088 |
78.477 |
38.234 |
40.243 |
2011 (Jan. – Nov.) |
276.297 |
239.055 |
77.209 |
37.635 |
39.574 |
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit – Statistik-Service Nordost
Artikel-Informationen
erstellt am:
09.12.2011