Hirche auf Arbeitsbesuch in Brüssel
Tourismusentwicklung Schwerpunkthema - Hirche: "In Brüssel mehr Flagge zeigen"
BRÜSSEL. Europa wird stärker in die Landesaktivitäten eingebunden. Mit einem Arbeitsbesuch in Brüssel und einer Veranstaltung zum niedersächsischen Tourismus unterstrich Wirtschaftsminister Walter Hirche die Notwendigkeit in Brüssel "stärker Flagge zu zeigen". Die Erweiterung der EU mache eine stärkere Kooperation mit der EU zwingend notwendig. "Wir liegen künftig im Herzen der Europäischen Union. Nicht nur als das Transit- Bundesland in Europa müssen wir stärker die niedersächsischen Interessen vertreten", sagte Hirche.
In Arbeitsgespräche mit den Generaldirektoren für Wirtschaft und Finanzen, Klaus Regling, für Transport und Energie, Heinz Hillebrecht und für den Binnenmarkt Alexander Schaub standen die Themen Wirtschafts- und Stabilitätspolitik, die Verkehrsinfrastruktur und das Vergaberecht im Mittelpunkt. "Der Mittelstand erwartet von uns Handeln auf allen Ebenen", sagte Hirche. Dies schließe besonders die EU ein.
Auf der Pressekonferenz und dem Empfang der Landesvertretung zur Touristischen Entwicklung Niedersachsen in der EU wies Hirche auf die Bedeutung der Tourismuswirtschaft für Niedersachsen hin. "Fast 200.000 sozialversicherungspfichtige Beschäftigte und eine Wertschöpfung von 13 Millionen Euro, damit ist der Tourismus von entscheidender Bedeutung für die Wirtschaftsstruktur in Niedersachsen", so Hirche.
Redetext von Herrn Minister Walter Hirche anlässlich des "Spargeltags" am 18. Juni 2003 in Brüssel
ES GILT DAS GESPROCHENE WORT
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich darf Sie herzlich zum Niedersächsischen Spargeltag hier heute in Brüssel begrüßen. Obwohl ich unter Ihnen zahlreiche Spargelkenner, Experten und begeisterte Esser vermute, will ich an dieser Stelle doch darauf hinweisen, dass schon die Ägypter vor rund 4.500 Jahren die exellenten Sprossen der Spargelpflanze wertschätzten. Auch in China und Indien war der Spargel weit vor unserer Zeitrechnung bekannt. Die Römer lernten Spargel bei den Griechen kennen. Spargel wurde von den Griechen und Römern mit Lobgesängen überschüttet. Die Dichter widmeten ihm Verse und die Malerei verherrlichte ihn in Bildern.
Im mitteleuropäischen Bereich ist der Spargel erst seit dem Mittelalter überhaupt bekannt. In früherer Zeit war die Spargelanpflanzung ein strenggehütetes Geheimnis und Privileg der Könige, Kaiser, Fürsten und Kirchenoberhäupte. Spargel gilt seitdem als " königliches Gemüse". Übrigens: je nach Zubereitung können Sie die Blaublütigkeit am Kopf noch sehen!
Zunächst war Spargel nur als Heilpflanze bekannt und erlangte erst nach und nach seine Stellung als kulinarischer Hochgenuss. In seiner Ursprungsform zeigte sich Spargel nur im grünen Gewande, erst durch aufwändigere Anbaumethoden, die im 18. Jahrhundert entdeckt wurden, kam der Spargel zu seinem heute allseits bekannten weißen Kleid. Im 19. Jahrhundert wurde dann der Bleichspargelanbau in größerem Umfang in Deutschland eingeführt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich muss Sie nicht von der Qualität und vom kulinarischen Genuss des Spargels aus niedersächsischen Anbaugebieten überzeugen, aber Sie sollten wissen, dass mit dem Verspeisen von Spargel ja nicht nur ein kulinarischer Genuss verbunden ist, sondern gleichzeitig auch Gesundheit und Wohlbefinden gefördert wird. Spargel ist ausgesprochen kalorienarm, enthält Eiweiß, Ballaststoffe, verschiedene Vitamine und Mineralstoffe und erhält seinen typischen Geschmack durch ätherische Öle, Asparaginsäure, Vanillin und andere pflanzliche Wirkstoffe. Spargel hat eine entschlackende und entwässernde Wirkung und wird heute als Diorhetikum gegen Blasen- und Nierenleiden, bei Rheuma, Diabetis, Milz- und Leberleiden sowie Impotenz verwendet. Spargel eignet sich wegen seines geringen Nährstoffgehaltes und vielen Ballaststoffen vorzüglich zur Gewichtsreduktion und für Magenempfindliche. Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Niedersachsen hat neben seinen über 50 Heilbädern und Kurorten auch den kulinarisch reizvollen und medizinisch wertvollen Spargel in seinen gesundheitstouristischen Produktportfolio anzubieten.
Wenn ich weiter folgere, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der Spargelanbau in Niedersachsen, vor allem aber seine kulinarisch hervorragend inszenierte Darbietung in unserer Gastronomie ein weiterer Grund, Niedersachsen zu besuchen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was aber verbindet den Spargel aus Burgdorf und anderen Gegenden Niedersachsens mit europäischer Tourismuspolitik? Das Thema "Kulinarische Genüsse" ist ein starkes Trendthema im Tourismus. Die Spezialität, das Edelgemüse, ist typisch für das Land Niedersachsen, in dem 20 % des deutschen Spargels geerntet werden. Die zur Spargelsaison 1999 eingerichtete touristische Route "Niedersächsische Spargelstraße" führt rund 750 km durch Niedersachsen. Wer mit dem Logo "Niedersächsische Spargelstraße" wirbt, wirbt für entsprechend hochwertigen niedersächsischen Spargel. Er wirbt neben Spargel auch mit interessanten niedersächsischen Landschaften, Sehenswürdigkeiten, Festen, Märkten und Sonderaktionen, die rund um den Spargel stattfinden und die "Niedersächsische Spargelstraße auch außerhalb der Spargelsaison attraktiv machen.
Die Werbung für Landschaften und ihre touristischen Attraktionen rund um die niedersächsischen Spargelanbaugebiete, die Heraustellung des Leistungsangebotes von Spargelerzeugern, von Gastronomie und Hotellerie sowie die Bewerbung von Veranstaltungen ist Aufgabe eines Vereins mit 120 Mitgliedern bzw. Unternehmen.
Der Brückenschlag, meine sehr verehrten Damen und Herren – nach dem Motto Macro trifft Micro – findet hier über die neuen strategischen Ziele des Europäischen Rates statt, der die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischen Wirtschaftsraum der Welt machen möchte und hier insbesondere die Unternehmenspolitik und den Tourismussektor nennt. Ich will in diesem Zusammenhang nur kurz einige wichtige unternehmenspolitische Maßnahmen wie die europäische Charta für Kleinunternehmen, das Mehrjahresprogramm für Unternehmen und Unternehmergeist (2001 - 2005) sowie die von der Kommission empfohlenen Projekte zur Einrichtung eines Innovationsanzeigers benennen.
Um das Potenzial Europas für den Tourismus besser zu nutzen, wurden im Jahr 2000 von verschiedenen Kommissionsdienststellen zahlreiche Aktivitäten umgesetzt bzw. eingeleitet.
Ich denke hier vor allem an die Bereiche Ausbildung, Verbesserung des Qualifikationsniveaus der Arbeitnehmer, die Verbesserung der Qualität von Tourismus, Dienstleistungen durch Einführung eines integrierten Qualitätsmanagementssystems, der Bereich Umwelt und nachhaltige Entwicklung in Tourismusgebieten, der Bereich Innovation und Tourismus im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms für Technologie in der Informationsgesellschaft sowie die im Jahr 2000 begonnene Umsetzung des Europäischen Strukturfonds für den Zeitraum 2000 - 2006. In diesem Zusammenhang möchte ich feststellen, dass alle diese Aktionen eine besondere Bedeutung für die weitere Entwicklung der Tourismuswirtschaft in Niedersachsen haben. Besonders nennen will ich jedoch den Europäischen Strukturfonds, der im Rahmen der touristischen Förderachsen erhebliche Chancen für die touristische und infrastrukturelle Entwicklung Niedersachsens bietet.
Ich möchte jedoch an dieser Stelle den weiteren Rednern heute nicht vorgreifen und mich auf das konzentrieren, was Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren sicherlich besonders interessiert: Die Rolle der Tourismuswirtschaft in Niedersachsen und die in Verbindung mit der Zukunftsausrichtung Niedersachsens getätigten bzw. avisierten Maßnahmen.
Die Tourismuswirtschaft ist ein Mix verschiedenster Dienstleistungsangebote. Sie umfasst das Beherbergungs- und Gaststättengewerbe, Bereiche der Freizeit-, Sport- und Kulturwirtschaft, Teile des Verkehrs- und Einzelhandelsgewerbes sowie mit wachsendem Anteil die Gesundheitsdienstleistungen. Der Tourismus als zentraler Wirtschaftsfaktor trägt in Niedersachsen mit über 13 Mrd. € zur Wertschöpfung bei. Fast 200.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte können in Niedersachsen dem Tourismus zugeordnet werden. Allein die statistisch erfassten Gästeübernachtungen in Niedersachsen verzeichneten in den vergangenen Jahren ein anhaltendes Wachstum. Es sind inzwischen rd. 34 Mio. Niedersachsen liegt damit im Bundesvergleich an 3. Stelle.
Die Tourismuswirtschaft, dessen bin ich sicher, wird auch vor dem Hintergrund der weltweiten Entwicklungen weiter an Bedeutung zulegen. Gleichzeitig erleben wir einen starken Strukturwandel und Veränderungen in der Nachfrage. Die Reiseerfahrung der Verbraucher ist gewachsen, immer kurzfristiger werden Reiseentscheidungen getroffen. Es werden häufiger kürzere Urlaube gemacht, die Ansprüche an Qualität und Professionalität sind erheblich gestiegen. Wir kennen den Begriff vom Kunden, besser Gast, mit vielfältigen Wünschen. Er möchte sich nicht mehr nur erholen, nur Sport treiben, nur Kultur genießen usw. Außerdem sind die Produkte transparenter geworden, da dem Gast über das Internet inzwischen ein intensiv genutztes Informationsmedium zur Verfügung steht, das ihm die Angebote vergleichbar macht.
Anrede,
unser Ziel ist ehrgeizig, aber nicht vermessen: Wir wollen den Niedersachsen-Tourismus zu einer Premium-Marke entwickeln.
Zwei Faktoren sind dabei aus meiner Sicht für den Erfolg entscheidend:
Erfolgsfaktor 1: Wir müssen mit hochqualitativen Produkten auf den Zukunftsmärkten präsent sein.
Lassen Sie mich 6 Beispiele nennen:
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Kultur- und Städtetourismus: Wir haben festgestellt, dass die zum Teil beträchtlichen Zuwächse bei der Zahl der Tagestouristen in einzelnen Städten Niedersachsens eindeutig auf neue Attraktionen im Kultur- und Eventbereich zurückzuführen sind. Diesen kreativen Weg gilt es fortzusetzen. Den Stellenwert des Städtetourismus in Niedersachsen belegt eine Studie des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr. Danach entfallen allein 13% der statistisch erfassten Gästeübernachtungen auf 16 niedersächsische Referenzstädte. Dabei liegt der Anteil der ausländischen Gäste mit 18% deutlich über dem Landesdurchschnitt von 5,6%. In den untersuchten Städten wurde mit dem Tourismus ein Gesamtumsatz von 3,76 Mrd. € erzielt.
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Kulturtourismus birgt darüber hinaus auch für den ländlichen Raum beträchtliche Entwicklungschancen. Deshalb werden wir den Reichtum Niedersachsens an Schlössern, Parks und historischen Anlagen touristisch effektiver nutzen. Als Beispiel dafür sei das Projekt "Erlebniswelt Renaissance" im Weserbergland genannt, das mit erheblichen Mitteln des Landes, der Region und der EU in Szene gesetzt wird.
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Wellness-/Gourmettourismus: Hier werden wir Investoren bei der Errichtung entsprechend hochqualitativer Unterkünfte unterstützen, um einerseits benchmarks zu setzen und andererseits auch den Strukturwandel voranzubringen.
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Trend- und Funsport: Niedersachsen bietet hier große naturräumliche Potenziale z.B. für Wassersport, Reittourismus, Mountainbiking, und Klettertourismus. Diese Chancen gilt es durch entsprechende Angebote auch zu nutzen, um insbesondere auch jüngere Zielgruppen gezielt anzusprechen. Entsprechende Ansätze verfolgen wir regionsspezifisch z.B. im Harz (Mountainbiking) oder in der Lüneburger Heide (Kanusport) oder im Ith (Klettern).
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Events und Festivals: In Niedersachsen gibt es allein 106 Musikfestivals mit fast 1.400 jährlichen Veranstaltungen. Hier werden unsere Anstrengungen dahin gehen, solche Veranstaltungen stärker in das touristische Marketing zu integrieren.
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Gesundheitstourismus: Seit den massiven Übernachtungsrückgängen im Kurbereich, insbesondere im Jahr 1997 nach Inkrafttreten der 3. Stufe der Gesundheitsstrukturreform, sind die Heilbäder und Kurorte in Deutschland aufgefordert, neue Zielgruppen außerhalb der öffentlich finanzierten Kur zu erschließen. Heute konkurrieren deutschlandweit mehr als 360 Heilbäder und Kurorte um den privat zahlenden "Gesundheitstouristen". Die Wettbewerbssituation ist zudem durch eine Vielzahl neuer Anbieter geprägt, die diesen durchaus attraktiven Markt für sich entdeckt haben: von den traditionellen Tourismusorten über eine mittlerweile hochqualifizierte "Wellnesshotellerie" bis hin zu komplexen Ferienanlagen mit gesundheitstouristischer Ausrichtung bietet sich dem Gast auch außerhalb der Kurorte und Heilbäder ein gesundheitstouristisches Angebot.
Das Kur- und Heilbäderwesen hat für Niedersachsen traditionell eine außerordentlich hohe Bedeutung. Im Jahr 2001 entfielen 26.6 % der Ankünfte und 46,6% der Übernachtungen auf Heilbäder und Kurorte. Mit über 50 prädikatisierten Orten besitzt Niedersachsen nach Baden-Württemberg die höchste Anzahl von Kurorten und Heilbädern. Aber diese Situation ist für die betroffenen Orte und das Land eine große Herausforderung: Mit der vergleichenden Kurortanalyse des Europäischen Tourismusinstitutes ist den Kurorten und Heilbädern deutlich geworden, dass neben den Ausstattungsstandards nach den Begriffsbestimmungen des Heilbäderverbandes weitere für gesundheitstouristische Dienstleister wichtige Qualitätskriterien für die zukünftige Marktposition entscheidend sind. Mittlerweile liegt jedem Ort eine detaillierte Stärken-Schwächenanalyse vor, die er sicherlich abarbeiten wird. Das Land wird im Rahmen der Novellierung der Landesverordnung über die staatliche Anerkennung von Kur- und Erholungsorten seinen Beitrag zur qualifizierten gesundheitstouristischen Ausrichtung der Heilbäder und Kurorte leisten nach dem Motto…"wo Qualität draufsteht ist auch Qualität drin"..! Weiterhin denke ich an die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems und an die Durchführung eines jährlichen gesundheitstouristischen Wettbewerbs.
Erfolgsfaktor 2: Erfolgreiches Marketing durch effiziente Organisationsstrukturen.
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Mit der Gründung der TourismusMarketing Niedersachsen vor zwei Jahren ist der erste Schritt erfolgt. Durch die TourismusMarketing Niedersachsen GmbH (TMN) wird ein professioneller, zielorientier-ter Mitteleinsatz im touristischen Marketing gewährleistet. Die Gesellschaft bündelt die Kräfte der zentralen Akteure der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Niedersachsen und stellt eine an übergeordneten Zielen orientierte Vermarktung des Landes sicher. Zu den Arbeitsschwerpunkten gehören neben der ständigen Weiterentwicklung des Internetportals "reiseland-niedersachsen.de" und der Präsentation des Landes auf touristischen Messen auch die Entwicklung und Durchführung von überregionalen Marketingkampagnen. Als Beispiel sind insbesondere zu nennen die jeweiligen Themenschwerpunkte, so in 2003 das Thema Pferdeland Niedersachsen und im Jahr 2004 das Thema Faszination Wasser.
Der Zusammenführung der wichtigsten Tourismusregionen in Niedersachsen und der freizeitwirtschaftlichen Akteure wird nun die Gründung von regionalen Markenagenturen unter Einbeziehung touristischer Leistungsträger folgen. Die Lüneburger Heide ist in diesem Prozess schon ein gutes Stück vorangekommen, das Weserbergland wird als nächste Region folgen. Die Nordseeküste ist eine weitere Marke.
Ich denke, dass wir mit unseren tourismuspolitischen Schwerpunkten und Maßnahmen den aktuellen Herausforderungen offensiv begegnen. Niedersachsen sieht sich als bedeutende europäische Tourismusregion und wird diese Position zukünftig noch weiter ausbauen.
Heute Abend aber regiert der Spargel. Die Reden dienen nur dazu, die Vorfreude auf den königlichen Genuss zu vergrößern. Möge der Genuß von Spargel aus Niedersachsen als Teil europäischen Kulturerlebens alle hier Anwesenden zu neuen begeisterten Freunden Niedersachsens machen.
Herzlichen Dank