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Auswirkung der Bahnprivatisierung auf die Schieneninfrastruktur und die Anbindung in der Fläche

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 06.06.2008 - TOP 26


Antwort von Verkehrsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Bode und König (FDP)

Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Trotz jahrelangen Widerstandes vonseiten des BMVBS, der Bahn, Transnet und Teilen der SPD wurden nun die Diskussion um die Variante eines "integrierten Börsenganges" der Deutschen Bahn AG beendet und die Teilprivatisierung der Verkehrs-, Transport- und Logistiksparte der Deutschen Bahn AG beschlossen. Auch wenn mit einer Privatisierung von 24,9 % nur ein sehr kleiner Teil an die Börse kommt, soll damit der Einstieg in mehr Wettbewerb und damit mehr Qualität im Schienenverkehr beginnen.

Derzeit beabsichtigt die Bundesregierung entgegen den ursprünglichen Planungen, auf ein Privatisierungsgesetz zu verzichten. Ein solches Gesetz wäre aber notwendig, um unter anderem die Neuregelung der Infrastrukturfinanzierung und die Einflussmöglichkeiten der Länder zu regeln. Dementsprechend haben die Bundesländer im Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes eingebracht, um eine ausreichende Berücksichtigung der Länderinteressen zu erreichen. Von-seiten der Länder werden insbesondere Sorgen geäußert, dass sich die Deutsche Bahn AG infolge des Börsenganges auf lukrative Fernverbindungen konzentrieren wird, während Fernverkehrsanbindungen in der Fläche und die entsprechenden Investitionen in die Netzinfra-struktur leiden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir daher die Landesregierung:

1. Welche Auswirkungen auf das Investitionsverhalten der Bahn und die Versorgung der Ober- und Mittelzentren durch die Fernverkehrssparte sind im Falle einer fehlenden gesetzlichen Regelung für Niedersachsen zu erwarten?

2. Welche gesetzgeberischen und finanziellen Maßnahmen müssen vonseiten des Bundes noch ergriffen werden, um Nachteile für Niedersachsen durch den Börsengang der Deutschen Bahn AG zu vermeiden?

3. Welche Maßnahmen sind notwendig, um den diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz der Deutschen Bahn AG für Wettbewerber sicherzustellen und damit das Ziel von mehr Wettbewerb auf der Schiene zu erreichen?

Verkehrsminister Walter Hirche beantwortete Namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:

Anrede,

die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG, - genauer: der Verkehrs- und Logistiksparten der DB AG – ist vom Bundestag beschlossen worden. Die kritische Position der Länder, auch Niedersachsens, hat dazu geführt, dass die ursprünglichen Pläne des Bundesverkehrsministers und der Bahn vom Börsengang des integrierten Konzerns, dass heißt die Privatisierung von Netz und Betrieb, aufgegeben wurden.

Denn eine Privatisierung von Netz und Betrieb hätte den gerade einsetzenden Wettbewerb auf der Schiene schwer geschädigt und Strukturen geschaffen, die im Bereich der Energiewirtschaft gerade unter großen Anstrengungen korrigiert werden sollen!

Insofern ist die jetzt angepeilte Teilprivatisierung der Verkehrssparten ein großer Erfolg der Länder – nicht der DB AG und auch nicht des Bundesverkehrsministers, auch wenn diese ihre Niederlage umzudeuten versuchen!

Die Teilprivatisierung ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings bedarf es nach Auffassung der Landesregierung – und auch der übrigen Länder - flankierender Regelungen. Dieses gilt zum einen für die Infrastrukturbewirtschaftung, zum anderen für die Frage, wie die Gemeinwohlverpflichtung auch beim Fernverkehr konkretisiert werden kann. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Bund eine gesetzliche Grundlage weder für die Privatisierungsentscheidung selbst noch für die Infrastrukturfinanzierung anstrebt. Er begibt sich damit in Widerspruch zum eigenen bisherigen Vorgehen!

Deswegen haben wir Länder den Ball, den der Bund letztes Jahr mit der Vorlage des Eisenbahn-Neuordnungsgesetzes ins Spiel gebracht hat, aufgenommen und im Mai im Bundesrat eine eigene Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht. Wir wollen klare Rahmenbedingungen für diesen wichtigen und künftig an Bedeutung weiter zunehmenden Verkehrsträger – und Sicherheit und Transparenz für alle Akteure!

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Es besteht in der Tat die Sorge, dass nach einer Teilprivatisierung Entscheidungen im DB-Konzern, gerade solche, die das Netz betreffen, verstärkt im Interesse der teilprivatisierten Konzerntöchter getroffen werden. Die vorgesehene personelle Verflechtung zwischen DB-Konzern und der zur Teilprivatisierung vorgesehenen Zwischenholding lassen diese Befürchtungen keinesfalls schrumpfen.

Es darf nicht sein, dass Strecken vernachlässigt oder mit höheren Nutzungsentgelten belegt werden, nur weil diese möglicherweise von Mitkonkurrenten genutzt werden.

Und es darf auch nicht sein, dass regionale Strecken vernachlässigt werden, nur weil sich das Interesse der Kapitalgeber möglicherweise auf das "Kernnetz" fokussiert. Artikel 87e(4) GG, der die Verantwortung des Bundes für das Schienennetz regelt, gilt in vollem Umfang weiter.

Beim Fernverkehr schließlich wird es darauf ankommen, den verfassungsrechtlich vorgegebenen Gewährleistungsauftrag endlich mit Leben zu erfüllen. Da heißt, das Angebot im Fernverkehr muss dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung tragen. Es geht, nicht darum, die unternehmerischen Freiheiten des DB-Fernverkehrs zu beschneiden – es geht aber sehr wohl darum, den öffentlichen Gewährleistungsauftrag zu definieren. Wir werden politisch nicht zulassen, dass ganze Landstriche oder Zentren von überregionaler Bedeutung einfach vom Fernverkehr abgekoppelt werden!

Wir wehren uns dagegen, dass dies eventuell noch zu Lasten der Aufgabenträger im SPNV erfolgt und wir die entfallenden Fernzüge durch die Bestellung zusätzlicher Nahverkehrszüge teuer bezahlen müssten. Hier muss der Bund endlich in gleicher Weise Verantwortung übernehmen wie wir Länder das im Nahverkehr getan haben.

Zu 2.:
Wir erwarten, dass der Bund die Netzbewirtschaftung auf eine gesetzliche Grundlage stellt und die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit den Ländern in einem ehrlichen und offenen Dialog einvernehmlich abstimmt.

Wir erwarten ferner, dass die Mittel für die Infrastrukturerhaltung auf lange Sicht mindestens auf der heutigen Höhe - 2,5 Mrd. € - festgeschrieben und verbindliche Qualitätsvorgaben gemacht werden. Diese Vorgaben müssen strecken- oder teilnetzbezogen sein, um den sachgerechten Einsatz der Steuergelder wirksam kontrollieren zu können. Und es sind Sanktionen für den Fall von Verfehlungen vorzusehen.

Schließlich erwarten wir, dass ein Mindestangebot im Fernverkehr gesetzlich festgelegt wird. Soweit dieses der Markt nicht von allein leistet, muss notfalls auf das Bestellerprinzip, wie es im Nahverkehr mit Erfolg praktiziert wird, zurückgegriffen werden.

Zu 3.:
Die effektivste Maßnahme wäre sicher die vollständige Trennung von Netz und Betrieb. Hierfür gibt es aber derzeit offensichtlich keine Mehrheiten.

Deswegen muss das Augenmerk zunächst auf eine Stärkung der Regulierung und im Fall der Infrastruktur auf die Verankerung von Schutzrechten zu Gunsten der Länder gelegt werden.

Nur wenn es gelingt, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu angemessenen Konditionen für alle Verkehrsunternehmen zu gewährleisten, werden wir das Ziel von mehr Wettbewerb auf der Schiene erreichen.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
06.06.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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