Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf der A2
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 06.06.2008 - TOP 26
Antwort von Verkehrsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hagenah und Helmhold (GRÜNE)
Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Die A 2 ist weiterhin ein dramatischer Unfallschwerpunkt auf Niedersachsens Autobahnen, insbesondere hinsichtlich der Schwere der Unfallfolgen. Allein im Streckenabschnitt des kleinen Landkreises Schaumburg sind vom 1. Januar 2008 bis zum 14. Mai sieben Menschen ums Leben gekommen - das sind in viereinhalb Monaten so viele wie im gesamten Jahr 2007. Nicht nur jede und jeder Tote auf unseren Straßen ist ein Toter zu viel, auch die Belastungen für die Unfallhelfer, die freiwilligen Feuerwehren im Einzugsbereich der Autobahn, haben das Maß des Erträglichen längst überschritten. Die Feuerwehren und Bürgermeister bitten dringend um mehr Unterstützung, bieten aber auch z. B. Hilfe bei der Geschwindigkeitskontrolle auf der Autobahn an.
Am 20. Mai 2008 hat die Landesregierung zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf der A 2 nun den Bau von 32 Verkehrszeichenbrücken zwischen Wunstorf-Luthe und der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen als weiteren Ausbauschritt der Verkehrsbeeinflussungsanlagen (VBA) auf der A 2 für Anfang 2009 und deren Fertigstellung für das erste Quartal 2010 angekündigt. Die Baukosten sollen 4,6 Millionen Euro betragen. Damit soll laut Minister Hirche die Verkehrssicherheit auf dem Autobahnabschnitt westlich von Hannover gesteigert werden. Die VBA begrenze die Geschwindigkeit bei fließendem Verkehr nicht und ordne je nach Belastung Tempolimits und Überholverbote an.
Die Landesregierung hatte allerdings in ihrer Antwort vom 27. April 2007 auf die damalige Kleine Mündliche Anfrage "Tempolimitzonen auf A 2" ausgeführt, dass auf der A 2 die zu hohen gefahrenen Geschwindigkeiten und insbesondere zu große Geschwindigkeitsunterschiede für ein überproportionales Unfallgeschehen ursächlich sein dürften. Die Polizei und die Anrainer¬gemeinden hätten zudem ein Lkw-Überholverbot gefordert, dies sei allerdings zurückgestellt worden, weil man die Erwartung habe, dass die seinerzeit erlassenen abschnittsweisen Tempolimits bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Verkehrssicherheit und einem Rückgang der Unfallzahlen führen würden.
Wir fragen die Landesregierung:
- Inwiefern kann nach Meinung der Landesregierung eine VBA, die bei gut fließendem Verkehr keine Geschwindigkeitsbeschränkungen anordnet, die in der damaligen Antwort der Landesregierung genannten Unfallursachen beseitigen, wenn sie doch durch Zulassung hoher Geschwindigkeiten und von Überholmanövern gerade die bezeichneten hohen Relativgeschwindigkeiten und häufigen Spurwechsel bedingt?
- Mit welcher Begründung gibt die Landesregierung in Bezug auf die Kriterien Unfallhäufigkeit, Verkehrsfluss und Verkehrsemissionen der VBA gegenüber einem durchgängigen Tempolimit von 120 km/h für alle mit einem generellen Überholverbot für Lkw auf der A 2 den Vorrang?
- Wie beurteilt die Landesregierung die beklagte übermäßige Belastung von ehrenamtlichen Hilfskräften aus den freiwilligen Feuerwehren der Anliegergemeinden der A 2, und was plant sie als Hilfen zur Entlastung angesichts dieser außergewöhnlichen Anforderungen?
Verkehrsminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Anrede,
Angesichts steigender Unfallzahlen hatte die Landesregierung bereits im Jahr 2007 wichtige Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf der A 2 initiiert. So wurden westlich von Hannover in Richtung Dortmund ab März Geschwindigkeitsbeschränkungen in den nicht mit Streckenbeeinflussungsanlagen ausgestatteten Bereichen verkehrsbehördlich angeordnet:
- Geschwindigkeitsbeschränkung auf 130 km/h als statische Beschilderung, sog. Blechbeschilderung (Pilotversuch) zwischen Anschlussstelle (AS) Garbsen und AS Bad Nenndorf,
- Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h als Blechbeschilderung zwischen AS Bad Nenndorf und AS Rehren und ab Bad Eilsen-Ost bis zur Landesgrenze Nordrhein-Westfalen (NRW),
- Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h ebenfalls als statische Beschilderung zwischen AS Rehren bis zur AS Bad Eilsen.
Auf den mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen ausgestatteten Streckenabschnitten wurde im November 2007 eine flexible Schaltung für ein Lkw-Überholverbot in Verbindung mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h angeordnet.
Die Kopplung zwischen Geschwindigkeitsbegrenzung und Lkw-Überholverbot basiert auf dem Ergebnis einer entsprechenden Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum. Bei einem Lkw-Überholverbot nimmt die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Fahrstreifen deutlich zu. Damit einhergehend wächst im gleichen Maße die Unfallgefahr, sobald ein PKW mit deutlich geringer Geschwindigkeit auf die linke Fahrspur wechselt. Fachleute halten deshalb eine Geschwindigkeitsbeschränkung in Verbindung mit einem LKW-Überholverbot für erforderlich.
Wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden diese verkehrsbehördlichen Maßnahmen vom Institut für Verkehr und Stadtbauwesen der TU Braunschweig. Ende 2008 ist mit einem ersten Erfahrungsbericht zu rechnen.
Zeitparallel setzt sich die Landesregierung beim Bund für die Komplettierung der A 2 mit einer durchgehenden Streckenbeeinflussungsanlage ein. Mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen an Autobahnen wird die Möglichkeit geschaffen, den Verkehrsfluss bei hohen Belastungen zu harmonisieren sowie vor Störungen und Gefahren zu warnen. Damit tragen diese Anlagen maßgeblich zur besseren Nutzung der vorhandenen Infrastruktur und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei.
Der Genehmigungsvermerk des Bundes für den noch nicht mit intelligenter Technik ausgestatteten Bereich westlich von Hannover liegt zwischenzeitlich vor. Ein erstes Etappenziel für die durchgängige telematische Steuerung des Verkehrs von der Landesgrenze Nordrhein-Westfalen bis zur Anschlussstelle Lehrte-Ost ist damit erreicht. Mit Fertigstellung der Maßnahme in 2010 wird für einen knapp 80 km langen Streckenabschnitt eine "intelligente Beschilderung" realisiert mit dem Vorteil, die Akzeptanz verkehrsbehördlicher Anordnungen durch situationsangepasste Anzeigen wesentlich zu verbessern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt darf nicht außer acht gelassen werden: Erst mit einer "intelligenten Achse" sind Verfahren aus dem Bereich der Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur anwendbar, sehr wirksame Instrumente zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.
Dieses vorausgeschickt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
Bei entsprechender Programmierung können Restriktionen grundsätzlich auch mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen bei frei fließendem Verkehr angezeigt werden, die den Wirkungen einer statischen Beschilderung gleichkommen. Bis zur Fertigstellung der Streckenbeeinflussungsanlage in 2010 werden Ergebnisse zur Wirksamkeit der mit Blechbeschilderung angeordneten Tempolimits vorliegen. Diese Erkenntnisse werden bei der Programmgestaltung der Anlage berücksichtigt.
Zu 2.:
Zunächst ist festzustellen, dass ein generelles und undifferenziertes Tempolimit mit Lkw-Überholverbot auf Autobahnen nach der geltenden Rechtslage schlichtweg rechtswidrig ist. Da die diesbezüglichen Rechtsvorschriften dem Bundesrecht (StVG und StVO) unterliegen, entfalten sie somit eine Sperrwirkung für abweichendes Landesrecht.
Die positive Wirkung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf die Verkehrssicherheit ist zweifelsfrei im Rahmen einer Forschungsarbeit des Bundes nachgewiesen. Verkehrssicherheit und Verkehrsqualität stehen in einer starken Wechselbeziehung. Durch die Reduktion von Unfällen verbessert sich auch der Verkehrsablauf durch vermiedene unfallbedingte Staus. Umgekehrt ereignen sich bei harmonisiertem Verkehrsablauf weniger Unfälle. Verkehrsbeeinflussungsanlagen sorgen durch die flexiblen Schaltmöglichkeiten somit gleichermaßen für eine optimale Nutzung der baulichen Infrastruktur. Dies ist mit einer statischen Beschilderung – unabhängig von der Höhe des ausgewiesenen Tempolimits – nicht zu erreichen.
Zu 3.:
Die Landesregierung bedauert die hohe psychische und physische Belastung der ehrenamtlich tätigen Einsatzkräfte. Die geplanten Maßnahmen zur Absenkung der Unfallhäufigkeit werden dazu beitragen, die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren, die auf der A 2 tätig werden müssen, zu entlasten.
Artikel-Informationen
erstellt am:
06.06.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010