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Initiativen der Landesregierung gegen die Fahrpreiserhöhung der Deutschen Bahn AG

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17.09.2008 - TOP 14


Antwort von Wirtschaftsminister Walter Hirche auf die Dringliche Anfrage der Fraktion DIE LINKE -
Es gilt das gesprochene Wort!

Die Fraktion DIE LINKE hatte gefragt:

Bahnkunden in Deutschland sollen nach dem Willen der Deutschen Bahn AG vom 14. Dezember 2008 an tiefer in die Tasche greifen. Die Deutsche Bahn AG kündigte am 29. August 2008 Fahrpreisanstiege um durchschnittlich 3,9 % an. Bahncards sollen durchschnittlich 3,6 % mehr kosten. Es ist bereits die elfte Fahrpreiserhöhung der Deutschen Bahn AG seit Beginn der ersten, organisatorischen Stufe der Bahnreform im Jahr 1994, mit der die Bahnprivatisierung eingeleitet wurde.

Wer seine Fahrkarten für ICE und Intercity nicht am Automaten oder im Internet kauft, sollte im Reisezentrum zusätzlich 2,50 Euro für einen sogenannten Bedienzuschlag pro Strecke zahlen. Vor allem für ältere Menschen, die kein Internet haben und die komplizierte Handhabung der Fahrkartenautomaten nicht beherrschen, wäre der Bedienzuschlag in ihren Augen eine Strafgebühr gewesen. Erst unter dem massiven Protest der Öffentlichkeit rückte der Vorstand der Deutschen Bahn AG in einer Krisensitzung am 12. September 2008 von der Einführung des Bedienzuschlages ab und teilte im Ergebnis mit, "keinen Zuschlag für den personenbedienten Verkauf einzuführen."

Für die Fahrpreiserhöhungen gibt es angesichts der positiven Ertragsentwicklung der Deutschen Bahn AG keinen betriebswirtschaftlichen Grund. Offenbar soll die Deutsche Bahn AG mit dieser Preispolitik auf dem Rücken der Bahnkunden für den Börsengang fit gemacht werden. Damit will sich die Deutsche Bahn AG nach Auffassung fachkundiger Beobachter im Zuge der Kapitalprivatisierung vom Prinzip der Kundenorientierung verabschieden und sich allein von der Rendite für die Aktionäre leiten lassen. Mit der Vorgabe des Grundgesetzartikels 87 e, wonach dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung zu tragen ist, hat dieses Vorgehen der Deutschen Bahn AG in den Augen dieser Beobachter nichts mehr im Sinn.

Die angekündigten Fahrpreiserhöhungen erfolgen in einem Umfeld, in dem gleichzeitig die Bundesregierung den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 23. Mai 2008 zur Sicherstellung von Eisenbahninfrastrukturqualität und Fernverkehrsangebot (Bundesratsdrucksache 315/08) ablehnt. Damit werden den Bundesländern, darunter dem Land Niedersachsen, gesetzlich verbriefte Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte einschließlich einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung im Zuge der Teilprivatisierung der Bahn verweigert. Gibt es diese ergänzenden gesetzlichen Regelungen nicht, besteht auch nach Expertenmeinung die Gefahr, dass die Bundesländer bald kein Geld mehr für den erforderlichen Erhalt und Ausbau des Schienennetzes haben.

Vor dem Hintergrund dieser Situation fragen wir die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung die jetzt angekündigte bereits elfte Fahrpreiserhöhung der Deutschen Bahn AG seit Beginn der Bahnprivatisierung angesichts der guten Ertragsentwicklung des Verkehrsunternehmens und einer insgesamt moderaten allgemeinen Preissteigerungsrate im Zeitraum der vergangenen 14 Jahre?
  2. Welche Zusammenhänge sieht sie zwischen den von der Deutschen Bahn AG für den 14. Dezember 2008 angekündigten Fahrpreiserhöhungen und dem im Rahmen der Kapitalprivatisierung des Unternehmens vorgesehenen Börsengang im Herbst des Jahres 2008?
  3. Welche Schritte hat sie nach Bekanntwerden der Ablehnung des Gesetzentwurfs des Bundesrates zur Sicherstellung von Eisenbahninfrastrukturqualität und Fernverkehrsangebot seitens der Bundesregierung für die Wahrung gesetzlich verbriefter Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der Länder im Rahmen der Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG gegenüber der Bundesregierung unternommen, und welche weiteren Maßnahmen sind seitens der Landesregierung vorgesehen?

Wirtschaftsminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:

Anrede,

die Preispolitik der Deutschen Bahn AG ist gelegentlich weder transparent und nachvollziehbar. Das in aller Klarheit vorweg. In gleicher Klarheit gilt, dass es ist in unserer Wirtschaftsordnung Aufgabe eines jeden Unternehmens, die Preise seiner Produkte eigenverantwortlich festzulegen. Diese Preise zu regulieren, ist Aufgabe des Marktes bzw. des Wettbewerbs.

Es steht für mich außer Frage, dass die jüngste Überlegung über Fahrpreiserhöhungen und zur Einführung von Bedienzuschlägen völlig kontraproduktiv war und überhaupt nicht geeignet, die Attraktivität der Schiene zu stärken. Übrigens auch nicht, um Teile der Bahn AG an der Börse zu platzieren. Es war höchste Zeit, dass die Schnapsidee eines Bedienzuschlags wieder aus der Welt ist.

Die Schlussfolgerung daraus kann aber nicht lauten, neue staatliche Mitwirkungs- und Genehmigungsrechte einzuführen. Dies hieße, die Bahnreform von 1993 und die damit erreichten Erfolge für die Bahnkunden umzukehren.

Der Schluss aus der aktuellen Diskussion muss vielmehr lauten: Der Markt für Verkehrsdienstleistungen auf der Schiene muss stärker dem Wettbewerb geöffnet werden. Nur ein aktiver Wettbewerb bietet die Gewähr dafür, dass Kostentransparenz und damit eine faire Preisbildung eintreten.

Die Landesregierung ist deshalb stets für eine deutlichere Trennung von Netz und Betrieb eingetreten, damit sich gerade auch im Bereich des Personenfernverkehrs Wettbewerb einstellt. Dieser Gedanke liegt auch dem Gesetzentwurf der Länder zur Sicherung des Fernverkehrsangebotes zu Grunde: Ziel ist nicht die Verstaatlichung dieses Bereichs durch die Hintertür, wohl aber die Sicherung der Daseinsvorsorge durch Vorgabe verbindlicher Rahmenbedingungen.

Gänzlich anders stellt sich die Situation bei der Infrastruktur dar: Die Infrastruktur ist eine klassische Aufgabe der Daseinsvorsorge. Hier muss der Staat das Heft des Handelns in der Hand behalten. Deswegen ist es unabdingbar, dass die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, mit der der Bund die Finanzierung und die Qualitätssicherung der Schienenwege mit der Deutschen Bahn AG regeln will, klare, dezidierte und notfalls auch durchsetzbare Vorgaben für die Erhaltung der bestehenden Netzes macht.

Die Länder, die zwingend auf intakte Schienenwege angewiesen sind und die als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr einen Großteil der laufenden Kosten über Trassenentgelte finanzieren müssen, müssen in die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung eingebunden werden – und zwar nicht nur formal, sondern auch inhaltlich!

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Wenn sich zeigt, dass eine ausgewogene Preisbildung nicht gewährleistet ist, stellt das Kartellrecht dafür Instrumentarien zur Verfügung. Parallel ist darüber nachzudenken, wie der Wettbewerb durch entsprechende Ausschreibungsbedingungen belebt werden kann.

Zu 2.:
Die Landesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen. Im Übrigen sieht die Landesregierung den Eigentümer Bund gefordert, unternehmerischen Fehlentwicklungen vorzubeugen oder diese, wie offensichtlich geschehen, zu korrigieren.

Zu 3.:
Die Bundesratsinitiative der Länder zielte zu keinem Zeitpunkt auf Beteiligungs- oder Mitwirkungsrechte der Länder bei der Preisbildung im Personenverkehr ab. Die Länder werden sich im Übrigen von der ablehnenden Stellungnahme der Bundesregierung nicht beeindrucken lassen und ihre Vorstellungen weiter in die politische Diskussion einbringen. Die nächste Verkehrsministerkonferenz Anfang Oktober bietet dafür eine geeignete Plattform.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
17.09.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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