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Familiengeführte Unternehmen in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.10.2008 - TOP 29


Antwort von Wirtschaftsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Björn Thümler und Ernst-August Hoppenbrock (CDU)

Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Der Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Oskar Lafontaine, hat eine radikale Änderung der Eigentumsverhältnisse in Deutschland gefordert. So bewertet er große Vermögen vieler Familienunternehmen als "grundgesetzwidrig". Sie müssten nach seiner Ansicht enteignet werden.

Daher fragen wir die Landesregierung:

  1. Welchen Anteil an der Bruttowertschöpfung haben familiengeführte Unternehmen in Niedersachsen?

  2. Welche Bedeutung haben familiengeführte Unternehmen in Niedersachsen unter Berücksichtigung der Entwicklung der Beschäftigtenzahlen seit 2003 und des sozialen sowie gemeinnützigen Engagements?

  3. Wie bewertet sie die Rechtsauffassung, wonach Vermögen von Familienunternehmen "grundgesetzwidrig" und daher zu enteignen sei?

Wirtschaftsminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:

Anrede,

In der amtlichen Statistik werden Unternehmen nicht nach ihrer Eigentümerstruktur differenziert, deswegen wird im folgenden Bezug genommen auf Untersuchungen des Instituts für Mittelstandforschung in Bonn und eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) veröffentlicht im Juli 2008. Die iwd-Studie stützt sich auf die Befragung von 6.100 Unternehmen im Jahr 2007.

Nach dieser Studie erfüllen 94 Prozent der befragten deutschen Unternehmen die Kriterien eines Familienunternehmens: Mindestens 50 Prozent des stimmberechtigten Kapitals müssen sich im Eigentum einer natürlichen Person, einer Familie oder mehrerer verwandter Familien befinden, die gemeinsam einen kontrollierenden Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. Nach Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn erzielen Familienunternehmen rund 42 % der Umsätze und stellen ca. 57 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland.

Die Unternehmen in Familienbesitz haben nach der iwd-Studie in den Jahren 2004 bis 2006 mehr Beschäftigung aufgebaut als die Nicht-Familienunternehmen. Pro Jahr wuchs die Zahl der Arbeitsplätze um einen Prozentpunkt stärker. Umgerechnet auf die Gesamtwirtschaft haben die Familienfirmen zwischen 2004 und 2006 in etwa 300.000 Stellen mehr geschaffen als die anderen Unternehmen.

Das gesellschaftliche Engagement deutscher Familienunternehmen ist groß. Dies hat eine Studie der Universität Stuttgart im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen und der Bertelsmann Stiftung – veröffentlicht im Dezember 2007 - untermauert, obwohl im Fokus nur von Familien geführte und beherrschte Unternehmen ab einer Umsatzgröße von mindestens 50 Mio. Euro pro Geschäftsjahr standen.

Die zentralen Ergebnisse der Erhebung, die für kleine Unternehmen eher noch charakteristischer sind, lassen sich folgendermaßen darstellen: Rund 95 Prozent der befragten Familienunternehmer geben die eigenen Überzeugungen als Hauptantriebsfeder an. Im Mittel ist den untersuchten deutschen Familienunternehmen das gesellschaftliche Engagement rund eine halbe Million Euro pro Jahr wert. Dabei spielt die Unternehmensgröße für die Ausgabebereitschaft so gut wie keine Rolle. Die Hälfte der Befragten wird ihr Engagement sogar noch ausweiten.

Ein deutlicher Akzent (84,7 Prozent) liegt auf der Unterstützung von Förder- und Kooperationsprojekten mit Schulen, Universitäten und Museen sowie Aus- und Weiterbildungsangeboten für Mitarbeiter. An zweiter Stelle rangieren soziale Leistungen wie der Ausbau eines Betriebskindergartens (55,5 Prozent), gefolgt vom Umweltbereich (49,5 Prozent) und dem Tätigkeitsfeld "Gesundheit" (37,3 Prozent). Typisch ist, dass gesellschaftliches Engagement aus dem direkten Umfeld der Unternehmer geboren wird. Entsprechend groß ist die Vielfalt der Maßnahmen. Obwohl viele Unternehmen international tätig sind, sind ihre Aktivitäten primär regional und national ausgerichtet.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Der Anteil an der Bruttowertschöpfung familiengeführter Unternehmen in Niedersachsen lässt sich aus der amtlichen Statistik nicht ableiten. Es ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse der iwd-Studie und die Untersuchungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn auf Niedersachsen übertragen werden können. Familienunternehmen sind somit nicht nur der dominierende Unternehmenstyp in der deutschen Unternehmenslandschaft, sondern bilden auch die tragende Säule für Wachstum und Beschäftigung in Niedersachsen.

Zu 2.:

Auch der Zuwachs der Beschäftigtenzahlen seit 2003 in familiengeführter Unternehmen in Niedersachsen lässt sich aus der amtlichen Statistik nicht ableiten. Es ist davon auszugehen, dass auch hier die Ergebnisse der oben genannten Studien auf Niedersachsen übertragen werden können.

Zu 3.:

Das Recht auf Eigentum, einer der wichtigsten Aspekte der wirtschaftlichen Freiheit, wird sowohl durch die allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Artikel 17) - genehmigt und verkündet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) am 10. Dezember 1948 -, durch die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention) – unterzeichnet am 04. November 1950 in Rom - als auch nach der formellen Aufnahme dieser Konvention in den Vertrag von Maastricht (Artikel F Absatz 2) durch die Rechtsvorschriften der Europäischen Union geschützt.

In der Bundesrepublik gehört das Recht auf Eigentum zu den in der Verfassung gesicherten Grundrechten. Das Recht auf Eigentum und der Schutz des Eigentums sind Grundelemente der sozialen Marktwirtschaft und werden nach Art. 14 GG als elementare Grundrechte besonders betont.

Das Grundrecht auf persönliches Eigentum ist ein Mittel, um die Freiheit und die personelle Entfaltung des Menschen zu sichern. Dadurch ist es eine notwendige Voraussetzung innerhalb der sozialen Marktwirtschaft. Das Recht auf Privateigentum hat eine doppelte Funktion: Es bedeutet nicht nur, das individuelle Eigentum gegen dasjenige anderer Individuen abzugrenzen, sondern es gewährleistet auch den Schutz des individuellen Eigentums gegenüber dem Staat. Das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Eigentum hat also auch die Aufgabe, die Macht des Staates einzugrenzen.

Das Recht auf Eigentum ist die Voraussetzung für unternehmerisches Handeln. Ohne Eigentum ist marktwirtschaftliches Handeln nicht denkbar. Darum hat der Staat das Eigentum im Interesse aller zu schützen. Eingriffe in dieses Recht sind grundsätzlich nicht gerechtfertigt.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
10.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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