Belohnt die Landesregierung einen Staatssekretär für Missmanagement?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.10.2008 - TOP 29
Antwort von Wirtschaftsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Enno Hagenah (Grüne)
Es gilt das gesprochene Wort!
Der Abgeornete hatte gefragt:
Nach neuen Pressemeldungen werden die Kosten für den Bau des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven von den veranschlagten 480 Millionen Euro auf 589 Millionen Euro steigen. Grund sind Verzögerungen bei der Auftragsvergabe und der Baufreigabe bei gestiegenen Energie- und Stahlpreisen. Durch eine gerichtliche Entscheidung wurde die von JWP-Geschäftsführung und Aufsichtsrat vorgesehene Vergabe des Bauloses 1 an die Bietergruppe um die Firma Hochtief korrigiert und der Auftrag an die Bietergruppe Bunte vergeben. Die unklaren Umstände der Vergabe haben zudem zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geführt, um die Vorgänge um die Auftragsvergabe aufzuklären. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass interne Auseinandersetzungen über Rechtsverstöße und Einflussnahmen zwischen den Gesellschaftern der Hansestadt Bremen und dem Land Niedersachsen und innerhalb der Geschäftsführung der JWP-Realisierungsgesellschaft Ursache für die Verzögerung waren. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Herr Werren, trug als Aufsichtsratsvorsitzender der JWP-RG und Projektverantwortlicher der Niedersächsischen Landesregierung für die noch immer nicht restlos aufgeklärten Vorgänge bei der Auftragsvergabe und der damit im Zusammenhang stehenden, vom Arbeitsgericht als ungerechtfertigt festgestellten Kündigung des Chefplaners die volle Verantwortung. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Korruption im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück sind noch nicht abgeschlossen.
Die Landesregierung hat zwar als Konsequenz aus den Vorgängen den Projektkoordinator im MW abgelöst, hat sich aber bisher geweigert, den politisch verantwortlichen Minister und seinen Staatssekretär dazu zu bewegen, ihre Verantwortung für den Schaden des Landes und die zusätzlichen finanziellen Belastungen des Landeshaushalts zu übernehmen. Staatssekretär Werren wurde stattdessen zum 1. Oktober 2008 als Generalsekretär bei der Stiftung Niedersachsen mit einer neuen, gut dotierten Tätigkeit "versorgt". Im zweiten Nachtrag für den Haushalt 2008 soll zudem auf Antrag von CDU und FDP eine B-9-Stelle für Herrn Staatssekretär Werren ausgewiesen werden, um ihn weiter im Landesdienst zu beschäftigen. Über diese Konstruktion soll der Staatssekretär - ohne Bezüge - nach § 123 a BRRG der Stiftung mit dem Ziel zugewiesen werden, die im Landesdienst erworbenen Altersversorgungsansprüche für Herrn Werren zu sichern.
Ich frage die Landesregierung:
- Welches nach § 123 a BRRG notwendige "besondere öffentliche Interesse" rechtfertigt die Zuweisung von Herrn Werren an die Stiftung Niedersachsen, wobei der besondere Umstand zu beachten ist, dass die B-9-Stelle erst extra geschaffen werden muss?
- Welche Kosten für das Land verursachten die Besetzung der B-9-Planstelle mit Herrn Werren und seine Zuweisung an die Stiftung kurz- und langfristig, insbesondere in Hinsicht auf bereits erworbene und künftige Altersversorgungsansprüche von Herrn Werren gegenüber einem üblichen Verfahren, dem Ausscheiden des Staatssekretärs aus dem Landesdienst und der Aufnahme einer neuen Tätigkeit beim Arbeitgeber Stiftung Niedersachsen?
- Hat die weitere dienstrechtliche Einbindung von Herrn Werren die Aufklärung und gegebenenfalls Sanktionierung der JWP-Vorgänge zum Ziel, oder wird er nur teuer weggelobt?
Wirtschaftsminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Anrede,
der Landtag hat die Einzelheiten der Auftragsvergabe zum JadeWeserPort umfassend im Untersuchungsausschuss und hier im Plenum behandelt. Nach diesen ausführlichen Diskussionen und Feststellungen jetzt von "noch immer nicht aufgeklärten undurchsichtigen Vorgänge bei der Auftragsvergabe" zu sprechen – ist höflich gesagt schlichtweg unangemessen. Es ist nichts als politische Polemik. Unabhängig davon, dass es keine solchen Vorgänge gibt, missachtet diese Feststellung die Arbeit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses, indem falsche Behauptungen wiederholt werden.
Ursache für den verzögerten Baubeginn war die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss mit vorzeitigem Baubeginn und ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg erst nach der Landtagswahl. Schaden und zusätzliche finanzielle Belastungen sind nicht aus der administrativen Behandlung sondern theoretisch allenfalls aus gesetzlich zulässigen Rechtsauseinandersetzungen entstanden. Im Übrigen ist eine Verbesserung der Einnahmesituation des Landes aus einer unter Verantwortung des damaligen Staatssekretärs Werren mit dem Betreiber neu abgeschlossenen Vereinbarung über einen Erbbauzins für die Terminalfläche in Höhe von rund 4,6 Mio. € per annum eingetreten. Diese beläuft sich bei einer Pachtdauer von 40 Jahren auf mehr als 180 Mio. €. Die nachfolgenden Ausführungen widerlegen die falsche Behauptung, dass dem Land ein Nachteil aus der neuen Tätigkeit von Herrn Staatssekretär Werren entstünden. Das Gegenteil ist der Fall.
Anrede,
die Stiftung Niedersachsen ist ein "Kind des Landes". Sie wurde 1986 vom Land Niedersachsen gegründet und mit Mitteln des Landes ausgestattet. Stiftungszweck ist die Förderung von Wissenschaft, Forschung, Bildung, Kunst und Kultur im Land Niedersachsen. Dies sind zugleich Schwerpunkte, die wir auch in unsere Koalitionsvereinbarung aufgenommen haben, um ihre Wichtigkeit und Bedeutung für die Entwicklung unseres Landes zu unterstreichen. Bei der finanziellen Unterstützung gemeinnütziger Projekte verfolgt die Stiftung das Ziel, insgesamt zur Entwicklung des Landes im Interesse des Gemeinwohls beizutragen. Die Stiftung versteht sich auch als europäische Regionalstiftung. Ein Ziel ihrer Fördertätigkeit ist es, den Stärken Niedersachsens im europäischen und im internationalen Kontext Geltung zu verschaffen. Schwerpunkte der Förderung sind Projekte, die durch ihre Qualität zur Stärkung des Standortes Niedersachsen beitragen. All dies macht deutlich, dass die Stiftung einen hohen Stellenwert in der soziokulturellen Landschaft Niedersachsens hat.
Weil es sich um eine Landesstiftung handelt, hatte die Landesregierung selbstverständlich auch ein herausgehobenes Interesse an der Besetzung der Nachfolge des bisherigen langjährigen Generalsekretärs mit einer kompetenten Persönlichkeit. Dies ist aber nicht entscheidend. Gewählt wird der Generalsekretär vom Senat der Stiftung. Dieser hat Herrn Werren am 05.07.2008 einstimmig zum neuen Generalsekretär gewählt.
Bei der Zuweisung von Herrn Werren zur Stiftung Niedersachsen handelt es sich mitnichten um einen "Versorgungsfall".
Für die Arbeit der Stiftung bringt Herr Werren hohe Fachkompetenzen in den Bereichen Recht, Verwaltung, Medien, Wissenschaft und Kultur sowie sein eigenes starkes Interesse an allen Fragen der Kultur mit.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.
Das "besondere öffentliche Interesse" liegt im Stellenwert der Landesstiftung, die durch Besetzung der Position des Generalsekretärs mit einem hoch qualifizierten Beamten zum Wohle des Landes gestärkt wird.
Auf die Frage der extra geschaffenen B 9-Leerstelle verweise ich auf die Antwort zur nächsten Frage 2.
Zu 2.
Für ein Ausscheiden aus dem Landesdienst besteht überhaupt keine Veranlassung, da das Land ja ein besonderes Interesse an der Besetzung der Position des Generalsekretärs der Stiftung mit Herrn Werren hat. Für derartige Konstellationen stellt das Beamtenrechtsrahmengesetz das Instrument der Zuweisung zur Verfügung.
Zudem wäre Herr Werren bei einem Ausscheiden als Lebenszeitbeamter ohnehin nicht entlassen, sondern allenfalls in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
Die Einrichtung einer B 9-Leerstelle, also einer Stelle ohne Beschäftigungsvolumen und Personalkostenbudget, ist nach den haushaltsrechtlichen Regelungen vorgesehen, wenn durch die Zuweisung für das Land keine zusätzlichen Belastungen entstehen.
Dies ist hier der Fall. Die vom Land Niedersachsen gezahlten Bezüge werden von der Stiftung erstattet.
Obwohl die Versetzung von Herrn Werren in den einstweiligen Ruhestand aus den genannten Gründen nicht zur Diskussion stand, gestatten Sie mir in Bezug auf die Frage der Belastung des Landeshaushalts folgende Klarstellung:
Da der Beamte bereits den höchsten Ruhegehaltssatz erworben hat, ist die Zuweisung gegenüber der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auch deshalb für das Land von Vorteil, weil es bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres von Herrn Werren gerade keine Versorgungsbezüge zahlen muss.
Zu 3.
Die Antwort ergibt sich aus meinen Vorbemerkungen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
10.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010