Anstieg der Gästezahlen in deutschen Heilbädern
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.10.2008 - TOP 29
Antwort von Wirtschaftsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Norbert Böhlke und Heidemarie Mundlos (CDU)
Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Laut einem Artikel in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift Gesundheit und Gesellschaft verzeichnen erstmals seit Jahren die rund 300 bundesdeutschen Heilbäder und Kurorte im Bereich der stationären Rehabilitation wieder einen Zuwachs bei den Gästezahlen. Nach Angaben von Staatssekretär Dr. Klaus-Theo Schröder vom Bundesgesundheitsministerium erhöhte sich die Zahl der von Sozialversicherungsträgern finanzierten Maßnahmen im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr um 3,7 %. Damit sei es gelungen, einen jahrelangen negativen Trend zu stoppen. Probleme gebe es hingegen noch bei der ambulanten Vorsorge in den Heilbädern. Hier existierten nach wie vor große Meinungsverschiedenheiten zwischen Kostenträgern und Leistungsanbietern.
Wir fragen die Landesregierung:
- Hat sich der bundesweite positive Trend der Gästezahlen in Heilbädern und Kurorten auch auf niedersächsische Einrichtungen ausgewirkt?
- Welche Maßnahmen hat die Landesregierung in den letzten Jahren ergriffen, um die niedersächsischen Kur- und Heilbäderstandorte zu stärken?
- Welche Perspektiven sieht die Landesregierung zur Verbesserung der ambulanten Vorsorge in den niedersächsischen Heilbädern und Kurorten?
Wirtschaftsminister Walter Hirche beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Zurzeit gibt es in Niedersachsen 52 anerkannte Kurorte und Heilbäder, 30 Luftkurorte und 98 Erholungsorte. Diese zeichnet aus, dass sie neben dem Kur- und Rehabilitationstourismus den Gesundheits- und Wellnesstourismus als neues Geschäftsfeld entdeckt haben, nachdem ihnen in der Vergangen-heit insbesondere durch die zeitliche Begrenzung der durch die gesetzlichen Krankenkassen abgedeckten stationären medizinischen Leistungen und die Ausweitung des zeitlichen Abstandes für die Wiederholung der Behandlung und einer nicht dem Bedarf entsprechenden Fortschreibung des Budgets ein Großteil des Nachfragepotenzials weggebrochen ist.
Gesundheitstourismus ist seitdem fester Bestandteil der Marketingstrategie der TourismusMarketing Niedersachsen und durch verschiedene Studien hat das Land deutlich gemacht, dass hier Wettbewerb herrscht. Zu nennen ist hier die erste vergleichende Kurortanalyse in Niedersachsen im Jahr 2002/2003 sowie die aktuelle Vergleichende Qualitätsbewertung von Kurorten und Heilbädern aus dem Jahr 2007, an der 158 Orte aus 8 Bundesländern teilgenommen haben. Zahlreiche niedersächsische Orte belegten hier Spit-zenpositionen in der Gesamtbewertung. Unter den ersten 30 Orten befinden sich immerhin 15 Orte aus Niedersachsen.
Insoweit lässt sich festhalten, dass Niedersachsens Heilbäder und Kurorte ihre Wettbewerbsposition im Gesundheitsmarkt verbessert haben.
Die gesetzlichen Krankenkassen erbringen medizinische Vorsorgeleistungen auf der Grundlage des § 23 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung und die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln schon vor dem Eintritt der eigentlichen Krankheit, wenn die Be-handlung notwendig ist, um
- eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussicht-lich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder
- einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes ent-gegenzuwirken oder
- Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.
Art und Umfang der Leistungen sind abgestuft nach den medizinischen Erfor-dernissen. Daher kommt zunächst die ambulante Behandlung durch einen Arzt oder eine Ärztin in Betracht. Reichen diese Leistungen nicht aus, kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche Maßnahmen in Form einer ambulanten Vorsorgeleistung in anerkannten Kurorten erbringen. Die Kassenleistung umfasst die medizinischen Leistungen am Kurort sowie einen Zuschuss zu den übrigen Kosten (Übernachtung, Verpflegung, Fahr-kosten, Kurtaxe etc.) bis zu 13 € täglich nach Satzungsrecht.
Aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten sind eine Ermessensleistung der gesetzlichen Kran-kenkassen. Informationen über einen restriktiven Umgang der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen bezüglich der Genehmigung von Kuren liegen nicht vor.
Im Rahmen der ambulanten Vorsorge erbrachte Heilmittel können nur durch ärztliche Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden.
Über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln sowie über die Preise schließen u. a. die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern. So können sie individuell auf den Versorgungsbedarf eingehen. Die vereinbarten Preise sind Höchstpreise. Die Rahmenvorgaben richten sich nach § 125 SGB V und nach den Heilmittelrichtlinien. Für ortstypische Leistungen werden die Leistungsbeschreibungen des Bundesheilbäderverbandes genutzt. Die Preise dafür werden gesondert verhandelt.
Für Leistungserbringer, die ambulante Vorsorgeleistungen nach § 23 Abs. 2 SGB V erbringen, vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den maßgeblichen Bundes-verbänden der Leistungserbringer die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement (§ 137 d Abs. 3 SGB V).
Die im Vorspann der Kleinen Anfrage thematisierten großen Meinungsver-schiedenheiten zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern sind nach hier vorliegenden
Informationen Ausfluss dieser Verhandlungen auf Bundesebene. Das Bun-desministerium für Gesundheit begleitet und beobachtet die Verfahrensent-wicklung sehr eng.
Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen namens der Landesregie-rung wie folgt:
Zu 1.:
Ja. Im Jahr 2007 steigerten sich die Ankünfte bei den Heilbädern (Mineral- und Moorheilbäder, Orte mit Kurbetrieb, Heilklimatische Kurorte, Kneippkuror-te) um 2,4% gegenüber dem Vorjahr.
Von Januar bis Juli 2008 verzeichneten die niedersächsischen Heilbäder 765.100 Ankünfte (+ 0,4% gegenüber dem Vorjahreszeitraum) und 3.815.864 Übernachtungen (+0,4%).
Bei den niedersächsischen Seebädern (Nordseeheilbäder, Küstenbadeorte, Sonstige Seebäder) gab es bei den Ankünften im Jahr 2007 eine Steigerung 4,8% gegenüber dem Vorjahr und im Zeitraum Januar bis Juli 2008 stie-gen die Ankünfte um 3,9% auf 911.661, die Übernachtungen um 2,9% auf 5.401.671.
(Quelle: Der "Kumulierte Schnellbericht" des Landesamtes für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen)
Zu 2.:
Das Land hat in der letzten Förderperiode Infrastruktureinrichtungen nach der "Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Stärkung der Wettbe-werbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft" gefördert und setzt dies in der derzei-tigen Förderperiode fort.
Im Rahmen der "Vergleichenden Kurortanalyse 2002/03" haben alle 50 teil-nehmenden Orte ein Stärken/Schwächenprofil erhalten, das Grundlage der Weiterentwicklung der Orte war.
Die "Vergleichende Qualitätsbewertung von Heilbädern und Kurorten" 2007, die mit einem erweiterten Kriterienkatalog vorgenommen wurde, hat deutliche Qualitätsunterschiede erkennen lassen.
Aufgrund der neuen KurortVO vom 22.4.2005 müssen sich alle bisher aner-kannten Kurorte, Luftkurorte und Erholungsorte einer Neu-Prädikatisierung unterziehen, wenn Sie auch nach dem 01.05.2010 weiterhin anerkannt sein wollen.
Sowohl diese "Prädikatisierung" (Begriffsbestimmungen, Ausstattungs- und Qualitätsstandards) als auch die "Vergleichende Qualitätsbewertung" (Markt-forschung/Kundensicht) sind Grundlage für die Bepunktung von Fördermaß-nahmen (Qualitätskriterien EFRE) in Niedersachsen.
Zu 3.:
Die Niedersächsische Landesregierung hat keine Möglichkeiten, Einfluss auf die Leistungsgewährung zu nehmen oder in die Vertragsverhandlungen ein-zugreifen.
Viele physiotherapeutische Abteilungen der verschiedenen Heilbäder haben eine Zulassung (§ 124 SGB V) und übernehmen einen Teil der ambulanten Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln. Sie befinden sich damit auch im Wettbewerb mit den niedergelassenen Leistungserbringern.
Artikel-Informationen
erstellt am:
10.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010