Altersversorgung für IHK-Mitarbeiter
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.11.2008 - TOP 26
Antwort von Wirtschaftsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Gerd Will und Dieter Möhrmann (SPD)
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Das Versorgungswerk der IHK Lüneburg, Ende der 1960er-Jahre gegründet und im Jahr 2000 geschlossen, belastet den Haushalt der Kammer auch in Zukunft noch erheblich. Die unterschiedliche Bewertung dieser Belastungen hat bei der IHK Lüneburg dazu geführt, dass der erst kürzlich berufene Hauptgeschäftsführer abgelöst wurde. So wurde von der einen Seite von einem Rückstand von 12,8 Millionen Euro der erforderlichen Rückstellungen gesprochen, während die Gegenseite von nur 3,9 Millionen Euro ausgeht. Für IHK-Präsident Eberhard Manzke (laut Lüneburger Landeszeitung vom 25. Juli 2008) führten Vertragsfehler "zu der Überversorgung bei der Altersversorgung von IHK-Mitarbeitern. Ein generelles Problem, das bundesweit alle Kammern trifft".
Es wird weiter festgestellt, dass die vom Land Niedersachsen eingesetzte Rechnungsprüfungsstelle der IHK Lüneburg die finanzielle Solidität attestiert habe. Nach dem IHK-Report (10/2008) ist "auf Anregung des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums" von der Vollversammlung zusätzlich ein Expertenausschuss mit der Aufklärung dieser Vorwürfe beauftragt worden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
- Seit wann und worin bestand die nach Darstellung der Lüneburger Landeszeitung vom 25. Juli 2008 "himmlische" Altersversorgung bei den IHKs in Niedersachsen, und wie sieht die Zusatzversorgung heute aus?
- Was hat die Überprüfung der Rechnungsprüfungsstelle im Vergleich zum "Expertenausschuss" als Ergebnis zutage gefördert, und wie erklärt sich im akuten Fall die Differenz der "notwendigen" zusätzlichen Rückstellungen von 3,9 Millionen zu 12,8 Millionen?
- In welcher Höhe haben die niedersächsischen IHKs für das nach Präsident Manzke "bundesweit generelle" Problem zusätzliche Rückstellungen (jeweils nach einzelner IHK) seit 2000 gebildet, und welche Auswirkungen hätte eine Umsetzung der auch von den Handelskammern befürworteten "Rente mit 67" mit durchschnittlich üblichen Zusatzversorgungen auf die Beiträge der Mitglieder der jeweiligen IHK?
Wirtschaftsminister Walter Hirche beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Bei den Industrie- und Handelskammern wurden für Führungskräfte bis vor wenigen Jahren Versorgungszusagen erteilt, die denen der niedersächsischen Landesbeamten entsprachen. Die IHKn sind als Körperschaft des öffentlichen Rechts dienstherrenfähig. Trotz dieses Status sind die IHKn - im Rahmen des Gestaltungsspielraumes ihrer Selbstverwaltung – hinsichtlich der Verabschiedung einer Zusatzversorgung und deren Ausgestaltung frei. Sogenannte "Überversorgungen" allerdings sind unzulässig und würden den Grundsätzen einer zweckmäßigen, auf Sparsamkeit und Effizienz gerichteten Haushaltsführung gemäß ihrem Finanzstatuts widersprechen. Verstöße dagegen würden durch die DIHK - Rechnungsprüfungsstelle bzw. Wirtschaftsprüfer oder durch die nachträgliche Rechtsaufsicht des Wirtschaftsministeriums festgestellt und den IHKn entsprechende Anpassungen empfohlen werden.
Seit der Umstellung auf ein kaufmännisches Rechnungswesen (2006/2007) wird die Höhe der Pensionsrückstellungen der IHKn an Hand eines zum jeweiligen Bilanzstichtag in Auftrag gegebenen versicherungsmathematischen Gutachtens ermittelt. Nach Prüfung der in diesen Gutachten verwendeten Berechnungsparameter (personenbezogene Daten, Vergütungsmodalitäten u.a.) haben die IHKn die für sie bestehenden Risiken - im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Regelungen (Rechnungszinssatz von bis zu 6 %) - abgedeckt. Unter Verwendung eines geringeren Rechnungszinssatzes würde sich hingegen ein entsprechender Zuführungsbedarf zu den Pensionsrückstellungen ergeben. Einige IHKn haben bereits jetzt - nach der Empfehlung der DIHK - im zweiten Jahr nach der Umstellung einen niedrigeren Rechnungszinssatz als 6 % erreicht.
Dieses vorangestellt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die IHK Lüneburg-Wolfsburg hat erstmals mit Wirkung vom 01.01.1963 eine Ruhegeldsatzung beschlossen. Sie sichert ihren Mitarbeitern eine Verbesserung der Versorgungsbezüge im Ruhestand zu. Die Satzung gilt seit 01.01.1977 unverändert. Es ist eine sogenannte Zusatzversorgung, die damals auch im öffentlichen Dienst üblich war. Auf Beschluss der Vollversammlung wurde dieses Versorgungswerk zum 31.03.2000 für neue Mitarbeiter geschlossen.
Mit Präsidiumsbeschluss vom 28.11.2002 wurde allerdings festgelegt, dass sich die Versorgungsbezüge der aktiven Geschäftsführer und Pensionäre nach Art und Höhe nach dem Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vor Verabschiedung der Versorgungsänderungsgesetzes 2001 richten (Festschreibung).
Mitarbeiter, die nach dem 01.04.2000 eingestellt wurden, erhalten eine vom Präsidium der IHK beschlossene neue beitragsfinanzierte Versorgung. Die dort angesammelten Beiträge werden dem Mitarbeiter bei Eintritt in den Ruhestand als monatliche IHK-Rente ausgezahlt. Der Vorteil dieser Regelung liegt darin, dass der Aufwand für diese Versorgungszusage für die IHK kalkulierbar ist und keine Rückstellungen dafür gebildet werden müssen.
Am 10.03.2008 wurde – mit Wirkung zum 01.01.2008 - von dem damaligen Hauptgeschäftsführer mit dem Personalrat der IHK eine ablösende Dienstvereinbarung zur Ruhegeldsatzung mit rückwirkenden Einschnitten bei erdienten Versorgungsansprüchen vereinbart. Es wird zurzeit gerichtlich geklärt, ob diese Vereinbarung rechtlich wirksam zustande gekommen ist.
Auf Vorschlag eines von ihr nach § 12 der Satzung eingesetzten "Expertenausschusses für Fragen der Neuordnung der Versorgungswerke der IHK" hat die Vollversammlung der IHK Lüneburg-Stade im September d. J. beschlossen, dass der Präsidiumsbeschluss vom November 2002 zur Festschreibung der Versorgungszusagen nach dem Beamtenversorgungsgesetz für aktive Geschäftsführer und Pensionäre auf dem Stand vor Verabschiedung des Versorgungsänderungsgesetz 2001 mit einem maximal erreichbaren Ruhegehaltssatz von 75 % weiterhin gültig ist. Auch die Sonderzahlung an die Pensionäre mit Einzelverträgen in Anlehnung an das Beamtenrecht (13. Pension) wurde als Bestandteil eines vertraglichen Gesamtpakets angesehen und ist weiter zu zahlen. Die Rückdeckung der daraus resultierenden Versorgungsverpflichtungen soll optimiert und deren bilanzielle Darstellung in Hinblick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen (weniger als 6 %) angepasst werden.
Zu 2.:
In der Bilanz der IHK Lüneburg-Wolfsburg zum 31. Dezember 2007 werden unter Zugrundelegung eines Rechnungszinses von 6 % Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen in Höhe von 14,978 Mio. Euro ausgewiesen. Dies ist nach Feststellung der DIHK - Rechnungsprüfungsstelle und auch des Expertenausschusses bilanzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Zinssatz von 4,5 %, einer Anwartschaftsdynamik von 2% und einem Rententrend von 1 % würde sich ein Rückstellungsbetrag von 20,943 Mio. Euro ergeben. Die Differenz beträgt 5,965 Mio. Euro und wäre nach dem Entwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes spätestens bis zum Jahr 2023 zu schließen. Es wurde bereits eine Rücklage für Pensionsverpflichtungen in Höhe von 2,983 Mio. Euro gebildet.
Zu 3.:
Ein "bundesweit generelles Problem zusätzlicher Rückstellungen" ist der Landesregierung nicht bekannt. Die niedersächsischen IHKn haben in ihren Wirtschaftsplänen ihre Pensionsverpflichtungen im rechtlich erlaubten Rahmen dargestellt (in der Spanne des Rechnungszinssatzes von 4% bis 6 %).
Die Erhöhung des Renteneintrittsalters führt nicht zu einem zusätzlichen Rückstellungsbedarf. Die angesprochene "Rente mit 67" würde sich tendenziell mindernd auf die IHK-Mitgliedsbeiträge auswirken, da die erfahrenen Mitarbeiter für zwei weitere Jahre zur Verfügung stünden. In dieser Zeit würden sie und die IHKn weitere Beträge für die Altersversorgung anlegen. Nicht nur deswegen, sondern auch wegen der erst zwei Jahre später einsetzenden Verrentung des angesparten Betrags wäre die Höhe der mit 67 einsetzenden Monatsrente höher als bei Rentenbeginn mit 65. Das würde sich aber auf den Aufwand der IHKn und damit die Mitgliederbeiträge nicht auswirken, weil es sich um die Verrentung des bereits angesammelten und verzinsten Kapitalbetrags handelt. Schließlich müsste die IHKn auch für Ersatzeinstellungen Beiträge für deren Altersvorsorge leisten.
Artikel-Informationen
erstellt am:
14.11.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010
Ansprechpartner/in:
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