Positionspapier zur konjunkturellen Stabilisierung und für nachhaltiges Wachstum
Hirche: Entschlossen und besonnen handeln für Arbeitsplätze und Wachstum
HANNOVER. Wirtschaftsminister Walter Hirche hat heute im Rahmen einer Pressekonferenz nachfolgendes Positionspapier des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vorgestellt:
Positionspapier zur konjunkturellen Stabilisierung und für nachhaltiges Wachstum
"Entschlossen und besonnen handeln für Arbeitsplätze und Wachstum"
Nach jahrelangem Wachstum von mindestens zwei Prozent, großen Erfolgen bei der Haushaltskonsolidierung und einer Arbeitslosigkeit, die sich auf dem niedrigsten Stand der vergangenen 16 Jahre befindet, ist auch die Wirtschaft in Niedersachsen mit der global auftretenden Finanzkrise konfrontiert. Entscheidend ist nun, dass die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden, damit der Wirtschaftskreislauf wieder in Gang kommt. Einer effektiven und bedarfsgerechten Kreditversorgung kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu.
Zeitnah, zielgenau und nachhaltig – das sind die Kriterien für das weitere Handeln. Das beinhaltet auch die Beachtung ordnungspolitischer Aspekte. Wir sind mit der Aussage angetreten, wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze in Niedersachsen an die erste Stelle zu setzen. Die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahre in Niedersachsen sind aber kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Wir werden deshalb in der nächsten Zeit Beschlüsse zu Vorhaben, Maßnahmen, Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien besonders streng auf mögliche Auswirkungen auf das Wachstum überprüfen.
Vor undurchdachten, bloß kurzfristigen Ausgabenprogrammen kann nur gewarnt werden. Jeder Euro, der heute kreditfinanziert für kurzfristige konsumtive Zwecke, wie z. B. Konsumgutscheine ausgegeben wird, muss von den kommenden Generationen zurückgezahlt werden. Deshalb ist es wichtig, dass die notwendige Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht aus dem Blickfeld gerät.
Bei einer sinnvollen Ausweitung der staatlichen Investitionen zur Stabilisierung der Konjunktur müssen zwei Aspekte berücksichtigt werden.
Erstens: Investitionen, z. B. in Form von Infrastrukturmaßnahmen, können ihre Impulse nur vollständig entfalten, wenn die Kreditversorgung der Unternehmen gewährleistet ist. Die sich verschärfende Konjunkturkrise droht die Kreditvergabe noch weiter zu erschweren, weil sich die Bonität der Unternehmen durch die Krise verschlechtert und die Banken zunehmend fürchten, dass Kredite nicht zurückgezahlt werden können.
Zweitens: Der Staat trägt nur rund 10 % der gesamtwirtschaftlichen Investitionen. Eine konjunkturelle Stabilisierung wird selbst bei einer deutlichen Ausweitung der Staatsinvestitionen nur begrenzt möglich sein. Wir brauchen deshalb vor allem Anreize für die Privatwirtschaft, eingebettet in eine langfristig angelegte Wachstumspolitik. Dabei müssen die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe im Sinne von Nachhaltigkeit und damit die Zukunftsfähigkeit der Arbeitsplätze im Vordergrund stehen. Nur so wird das Vertrauen von Unternehmern und Konsumenten auch in schwierigen Zeiten erhalten bleiben.
Vor diesem Hintergrund und der Leitlinie "entschlossen und besonnen handeln" beurteilen wir die folgenden Punkte als geeignete Beiträge zur zeitnahen und zielsicheren Wirkung von Maßnahmen.
1. Belastungsmoratorium beschließen
In wirtschaftlich turbulenten Zeiten dürfen Unternehmen und Verbraucher nicht durch neue Gesetze zusätzlich belastet werden. Das schwächt die Konjunktur zusätzlich. Zudem müssen investitionshemmende und krisenbeschleunigende Maßnahmen zurückgenommen werden. Dazu gehören z. B. die Mauterhöhung zum 1. Januar 2009, die verwaltungsaufwändigen Regelungen zu Behaltensfristen und Lohnsummen im Rahmen der Erbschaftssteuerreform sowie die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen im Rahmen der Unternehmenssteuerreform, die Zinsschranke und die Beschränkungen der Verlustverrechnung.
2. Unternehmensfinanzierung stärken
NordLB-Garantien
Die NordLB legt mit Garantien der Länder Niedersachen und Sachsen-Anhalt ein Programm zur Ausgabe von besicherten Wertpapieren auf. Damit stellen wir sicher, dass die NordLB auch in Zukunft ein verlässlicher Partner für die Wirtschaft in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bleibt. Das Programm läuft zunächst in den Jahren 2009 und 2010. Hinsichtlich des Umfangs ist es auf 20 Milliarden Euro begrenzt. Niedersachsen trägt davon 16,5 Milliarden. Inwieweit es tatsächlich in Anspruch genommen wird, hängt von den weiteren Entwicklungen an den Finanzmärkten ab.
Beteiligungsfonds
Das Land wird in den nächsten Monaten einen Beteiligungsfonds mit einem Volumen von 70 Mio. Euro auflegen. Damit fördert das Land unternehmerische Initiativen und Wachstumsentwicklungen in Unternehmen, die z. B. aufgrund der Restriktionen bei der Kreditvergabe ansonsten nicht oder nur verzögert erfolgen könnten. Investiert wird vor allem in kleine und mittlere Unternehmen über offene Beteiligungen und über so genannte typische stille Beteiligungen.
Intensiver effektiver Einsatz der bisherigen Förderinstrumente
Das Land verfügt über eine Vielzahl von bewährten Förderinstrumenten, mit denen Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, zielgerichtet unterstützt werden können. Die NBank ist die zentrale Fördereinrichtung des Landes und bietet für die Unternehmen Beratung und Förderung aus einer Hand.
Das beinhaltet konkret:
Informationen und Transparenz
- Förderinformationen für alle in Niedersachsen nutzbaren Förderprogramme
(für Landes-, Bundes- und EU-Förderungen) - siehe dazu auch Pkt. 3 -
Fremdkapitalhilfen
- Niedersachsenkredit
(verbilligte Darlehen für alle Branchen und Unternehmensanlässe) - Unternehmerkredit und Nachrangdarlehen der KfW
(Investitions- und Betriebsmitteldarlehen, Kapital für Wachstum, etc.)
Eigenkapitalhilfen
- Business Angel Netzwerk Niedersachen
(Vermittlung von Kontakten und tätigen Beteiligungen) - N-Capital
(Plattform für das Zusammenführen von Beteiligungssuchenden und Beteiligungsgebern) - Beteiligungen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen MBG
(stille Beteiligungen bis 1 Mio. Euro)
Bürgschaften
- Landesbürgschaften
(soweit nicht andere Bürgschaften z. B. der NBB infrage kommen) - Bürgschaften der Niedersächsischen Bürgschaftsbank NBB
(Bürgschaften bis 1 Mio. Euro)
Zuschüsse für einzelbetriebliche Investitionen
Zuschüsse für einzelbetriebliche Innovationen
- Zuschussförderungen gibt es für die verschiedensten Unternehmensanlässe
(am bedeutendsten sind die Gemeinschaftsaufgabe (GA) und Innovationszuschüsse)
Zuschüsse zur Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur
- Förderung aus der GA
Alle Förder- und Unterstützungsinstrumente unterliegen einer permanenten Wirkungskontrolle. So wurden im Zuge der neuen EU-Strukturfondsperiode zahlreiche Förderrichtlinien aktualisiert und die Zielsetzungen der Landesregierung angepasst.
Die Wirtschaftskrise ist Anlass, die Förderinstrumente bedarfsgerecht nachzujustieren. Ziel ist zum Einen, Unternehmen unter Beachtung des europäischen Beihilferechts in wirtschaftlich problematischen Lagen konkret zu helfen, zum Anderen gezielt Anreize zu setzen, um Investitionen in den Unternehmen zu beschleunigen und damit Arbeitsplätze zu sichern.
3. Beratungsleistungen ausbauen
Hotline für Unternehmen
Die Landesregierung hat bei der NBank eine spezielle Hotline für Rat suchende Betriebe eingerichtet. Zudem wurde das Internetangebot der NBank teilweise neu aufbereitet und das Unterstützungs- und Förderangebot zielgerichtet auf die Problemsituationen in den Unternehmen angepasst. Betroffene können sich bei ersten Zeichen von Problemen von den Experten der NBank schnell und gezielt beraten lassen.
Expertengruppe
Die Landesregierung hat eine Expertengruppe eingerichtet, die die aktuellen und die voraussichtlichen Entwicklungen laufend bewertet, Unterstützungsbedarf identifiziert und ggf. konkrete Vorschläge zur Anpassung der Förderinstrumente erarbeitet. Neben Vertretern des Wirtschaftsministeriums arbeiten in der Gruppe unter anderem Vertreter des Finanzministerium, der NBank, der Niedersächsischen Bürgschaftsbank und der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen mit.
4. Vorziehen von Strukturinvestitionen
Besser als Konsumgutscheine, die lediglich verpuffende Einmaleffekte auslösen, sind nachhaltige Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Damit werden Werte geschaffen, von denen die Bürgerinnen und Bürger langfristig profitieren und die eine hohe Rendite beinhalten. Allein aus dem Anteil, den die niedersächsischen Steuerzahler für Konsumgutscheine aufbringen müssten (rund 4 Milliarden Euro bei einem Gutschein in Höhe von 500 Euro je Bundesbürger), könnte der Finanzbedarf in Niedersachsen für neue Projekte im Bundesfernstraßenbau und im Schienenbereich für 8 Jahre gedeckt werden. Mit dieser Summe wären sowohl A 22, A 39 als auch die Y-Trasse komplett finanziert.
Solche Verkehrsinfrastrukturprojekte sind es, die weitere Investitionen auslösen und sowohl kurz- als auch langfristig Arbeitsplätze schaffen. Allein in Niedersachsen werden im Jahr 2009 über 1,4 Mrd. Euro in den weiteren Ausbau, den Erhalt und den Betrieb der Verkehrsinfrastruktur investiert.
5. Arbeitsmarktförderung auf den ersten Arbeitsmarkt ausrichten
Allein das Wirtschaftsministerium setzt in den Jahren 2009 bis 2013 für die Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik auf den ersten Arbeitsmarkt rund 160 Mio. Euro ein. Das Spektrum reicht von Maßnahmen für Menschen, die arbeitslos sind oder werden bis hin zu präventiven Instrumenten zur Stabilisierung von Beschäftigung und Betrieben. Die Schwerpunkte der Förderungsmaßnahmen beinhalten Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Realisierung und die Unterstützung von Personaltransferlösungen, die dem Erhalt von Arbeitsplätzen oder der unmittelbaren "Job-to-Job"-Vermittlung dienen.
6. Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze auf Bundesebene verbessern
Investitionsanreize verstärken
In Folge der Wirtschaftskrise hat sich die Investitionsbereitschaft der Unternehmen deutlich eingetrübt. Vor diesem Hintergrund hat der Bund mit der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für 2 Jahre das richtige Signal gesetzt. Allerdings ist der Abschreibungssatz von 25 % nicht ausreichend, um die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Es ist erforderlich, diesen Abschreibungssatz zu erhöhen. Dies geht auch konform mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung, da veränderte Abschreibungsbedingungen lediglich die Steuerzahlungen zeitlich verlagern und die Staatsverschuldung damit nicht dauerhaft steigen würde.
Damit deutsche Unternehmen gestärkt aus der Wirtschaftskrise hervorgehen, muss zudem deutlich mehr als bisher in Forschung und Entwicklung (FuE) im Sinne von mehr Nachhaltigkeit investiert werden. Sinnvoll wäre es, den Abschreibungssatz für Aufwendungen und Investitionen in FuE auf 50 % zu heben. Dies würde insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen zu mehr Aktivitäten motivieren. Eine Erhöhung der Investitionen in FuE ist ohnehin notwendig, um das Lissabon-Ziel, 3 % des Bruttoinlandsprodukts für die FuE-Aufwendungen zu erreichen sowie die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands weiter zu steigern.
Bürokratiegepäck abwerfen
In der gegenwärtigen Situation muss der Erhaltung von Arbeitsplätzen absoluter Vorrang in allen politischen Handlungsbereichen eingeräumt werden. Notwendig ist dabei, die Unternehmen in die Lage zu versetzen, sich flexibel und schnell auf die schwierige Marktsituation einzustellen. Dies bedeutet, dass die Vielfalt und Komplexität des Normenbestandes vereinfacht werden muss. Hierbei stehen die kleinen und mittleren Unternehmen im Vordergrund, denn bei diesen besteht eine überproportional starke finanzielle Belastung durch bürokratische Regelungen.
Auch auf EU Ebene muss realisiert werden, dass zur Überwindung der Krise außergewöhnliche Maßnahmen notwendig sind. So sollte bei der wirtschaftsbezogenen Rechtsetzung der EU zukünftig eine Betriebsgröße festgesetzt werden, unterhalb derer den Mitgliedsstaaten die verpflichtende Umsetzung der Regelung freigestellt bleibt oder in stark vereinfachter Form ermöglicht wird.
Lohnzusatzkosten nachhaltig senken
Die Einführung des Gesundheitsfonds mit Beitragssteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zum 01. Januar 2009 belastet die Entwicklung am Arbeitsmarkt zusätzlich. Die Senkung der Arbeitslosenversicherung ist in diesem Zusammenhang nur Makulatur, zumal angesichts der Wirtschaftskrise steigende Arbeitslosenzahlen und damit steigende Ausgaben drohen. Der Bund muss dafür Sorge tragen, dass die Lohnzusatzkosten dauerhaft unter 40 % liegen.
Steuerpolitik – kalte Progression verhindern
Der Bund sollte die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Steuerpolitik am Aufschwung der vergangenen Jahre teilhaben lassen. Die Zunahme der Beschäftigung, die Mehrwertsteuererhöhung um 3 % und nicht zuletzt auch die "kalte Progression" haben dazu geführt, dass die Steuereinnahmen zwischen 2004 und 2008 um fast 130 Mrd. Euro oder 27 % gestiegen sind.
Die Belastung mit Einkommensteuer steigt allein dadurch ständig, dass durch die Inflation die Steuerpflichtigen in immer höhere Tarifstufen des progressiv gestaffelten Einkommensteuertarifes hineinwachsen. Deshalb muss ein Ausgleich der inflationsbedingten Progressionswirkung bei den Steuern sichergestellt werden - als in Zeitabständen regelmäßige Rückgabe der durch "heimliche Steuererhöhungen" erzielten Mehreinnahmen an die Steuerpflichtigen.
Arbeits- und Tarifrecht modernisieren
Der im Vergleich zu den letzten Jahren relativ niedrige Stand der Arbeitslosigkeit von statistisch weniger als drei Millionen ist sowohl ein Ergebnis der guten Konjunktur wie der flexibleren Regelungen auf dem Arbeitsmarkt. Die konjunkturell schlechten Aussichten führen jedoch dazu, dass Unternehmen sowohl das Risiko von Neueinstellungen scheuen wie auch Beschäftigte entlassen werden angesichts zurück gehender Aufträge.
Für eine nachhaltige Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung ist es unbedingt notwendig, der Wirtschaft, vor allem aber den kleinen und mittleren Unternehmen, ein möglichst beschäftigungsfreundliches arbeits- und tarifrechtliches Umfeld zu schaffen.
Nicht weniger, sondern mehr Flexibilität ist Hilfe in der Krisensituation.
Positionspapier zum Download
Positionspapier zur konjunkturellen Stabilisierung und für nachhaltiges Wachstum
(DOC, 0,53 MB)
Artikel-Informationen
erstellt am:
05.01.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010
Ansprechpartner/in:
Christian Haegele
Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
Friedrichswall 1
30159 Hannover
Tel: (0511) 120-5426
Fax: (0511) 120-995426