Jugendarbeitslosigkeit
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.12.2008 - TOP 19
Antwort von Arbeitsminister Walter Hirche auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Manfred Sohn (LINKE)
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Inzwischen dürfte unstrittig sein, dass die zunächst auf eine Finanzmarktkrise verkürzte gegenwärtige Krise den gesamten Wirtschaftskreislauf zu erfassen beginnt. MAN hat Kurzarbeit angekündigt, die Hafenumschlagszahlen sind rückläufig, der Güterverkehr droht einzubrechen, die Anstellung von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern ist dramatisch zurückgegangen, Zeitverträge werden vielfach auslaufen.
In einer am 25. November bundesweit vorgestellten Studie hat der DGB darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren durch die entsprechenden gesetzlichen Verschlechterungen, die durch CDU, SPD und GRÜNE vorgenommen wurden, für junge Arbeitnehmer prekäre Beschäftigungen immer mehr der Regelfall geworden sind. Fast zwei Drittel der im Rahmen dieser Studie befragten Beschäftigten im Alter von unter 30 Jahren arbeiten danach zu Niedriglöhnen von weniger als 1500 Euro, sind befristet, als Leiharbeiter oder in Minijobs tätig. Die Quote der Zeitarbeiter ist in dieser Gruppe doppelt so hoch wie bei den über 30-Jährigen. Damit werden die unter 30-Jährigen diejenigen sein, die von der ersten Entlassungswelle im Rahmen der Krise erfasst werden.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie schätzt sie die spezifischen Beschäftigungsperspektiven der unter 30-Jährigen in Niedersachsen für das Jahr 2009 ein?
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung für die Sicherung der beruflichen Perspektive der jetzt 20- bis 30-Jährigen in Niedersachsen?
- Unter welchen Bedingungen wäre die Landesregierung bereit, eine Bundesratsinitiative zu starten, durch welche die besonders von den Krisenauswirkungen bedrohten jetzigen oder ehemaligen Zeitarbeitskräfte und Beschäftigten mit befristeten Verträgen geschützt werden?
Arbeitsminister Walter Hirche beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Die Mündliche Anfrage nimmt Bezug auf eine Veröffentlichung des DGB zu den Arbeits- und Einkommmensbedingungen von jungen Beschäftigten bis 30 Jahre. Die Studie beruht auf einer Befragung von rund 1.000 Beschäftigten dieser Altersgruppe. Dabei hat sich u.a. gezeigt, das 59 % der Befragten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis standen, 26 % der Befragten waren befristet beschäftigt, 5 % in Zeitarbeit und 10 % in Minijobs. Auszubildende und Praktikanten wurden bewusst nicht in die Sonderauswertung einbezogen. Fragen zu Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit waren nicht Teil der Befragung.
Die Anteile von befristeter Beschäftigung und Zeitarbeit sind aus Sicht der Landesregierung nicht besorgniserregend für eine Altersgruppe, die am Anfang ihres Berufsweges steht.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Auswirkungen der Finanzkrise treffen Niedersachsen in einer Phase, in der wir gut gerüstet sind. Niedersachsen verzeichnet die niedrigste Zahl der Arbeitslosen in einem November seit 16 Jahren. Die Arbeitslosenquote liegt insgesamt bei jetzt 7 %. Auch die Dauer der Arbeitslosigkeit ist im November weiter gesunken.
Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit unter 25 Jahre hat sich im laufenden Jahr ausgesprochen erfreulich entwickelt. Im November waren 26.376 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet, das sind 7.307 oder 21,7 % weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote liegt damit bei den Jugendlichen deutlich unter dem Durchschnitt.
Rechnet man die Altersgruppe der 25 bis 30-Jährigen hinzu waren insgesamt rund 59.800 junge Menschen arbeitslos. Dies entspricht einer Arbeitslosenquote vor 7,5 %, die damit leicht über dem Gesamtdurchschnitt liegt.
Die Landesregierung erwartet, dass sich die Beschäftigungsperspektiven für junge Menschen unter 30 Jahre im nächsten Jahr im Grundsatz gleichlaufend zu anderen Altersgruppen entwickeln werden.
Zu 2.:
Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bleibt auch im kommenden Jahr im Fokus der Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung. Oberstes Ziel der Landesregierung und der anderen Partner auf dem Arbeitsmarkt ist es, dass jeder ausbildungswillige und ausbildungsfähige Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommt, weil eine abgeschlossene Berufsausbildung der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit ist.
Die Landesregierung hat dazu zusammen mit den anderen Arbeitsmarktpartnern wie z.B. der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, den Kammern und den Unternehmerverbänden einen zweiten "Ausbildungspakt" für die Jahre 2007-2009 geschlossen und folgende Bausteine verabredet:
- Die Wirtschaft hat zugesagt, jährlich 3.000 neue Ausbildungsplätze und 3.000 EQJ-Praktika anzubieten.
- Die Landesregierung will die Quote der Jugendlichen, die die Schulen ohne Abschluss verlassen, auf fünf % senken. Dabei hilft zum Beispiel auch das Projekt "Abschlussquote erhöhen, Berufsfähigkeit steigern ("AQB")", das wir gemeinsam mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit auf den Weg gebracht haben.
- In den Schulen wird die Berufsorientierung weiter ausgebaut, und die Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit werden weiterentwickelt.
- Wir werben weiter um jeden Ausbildungsplatz und setzen dafür auch Landesmittel ein: So gibt es weiterhin eine Förderung für den Einsatz der Akquisiteure bei den Kammern, die in den Unternehmen für Ausbildungsplätze werben, ebenso für die Überbetriebliche Unterweisung der Auszubildenden, die Verbundausbildung und die Übernahme von Azubis aus Konkursbetrieben.
- Mit dem Programm "2.000 mal 2.500", mit dem wir zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze für Altbewerber und Jugendliche ohne Schulabschluss oder mit schlechtem Abschluss gefördert haben, konnten über 2.000 zusätzliche Ausbildungsplätze – insbesondere für Altbewerber - geschaffen werden. Dieses Programm wurde im Sommer eingestellt, da es inzwischen ein vergleichbares Bundesprogramm gibt.
Die gemeinsamen Aktivitäten aller Akteure am Ausbildungsmarkt tragen Früchte. Insgesamt werden in Niedersachsen wieder mehr Jugendliche betrieblich ausgebildet als noch vor einigen Jahren. Ende Oktober hatten allein die IHKn und Handwerkskammern 50.944 neu eingetragene Ausbildungsverträge in Niedersachsen gemeldet– das ist ein weiteres Plus von 4,2 % gegenüber dem positiven letzten Ausbildungsjahr.
Damit gibt es erstmals seit 6 Jahren mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unversorgte Bewerberinnen und Bewerber. Zum Ende des Ausbildungsjahres kann somit rein rechnerisch jedem unversorgten Bewerber noch eine unbesetzte Ausbildungsstelle angeboten werden.
Darüber hinaus gibt es ein breites Maßnahmenspektrum für die Zielgruppe der benachteiligten Jugendlichen. Mit dem Programm Arbeit durch Qualifizierung (AdQ) unterstützt die Landesregierung Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose, die sich auch an jüngere Arbeitslose mit geringen Kenntnissen richten. Die Maßnahmen müssen auf eine spätere Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet sein. Sie sind daher in der Regel auf einen Zeitraum von 3 bis 12 Monaten angelegt, beinhalten betriebliche Praxisphasen und sollen mit einem Qualifikationszertifikat abschließen.
Unsere Maßnahmen ergänzen die erfolgreichen Aktivitäten der Arbeitsagenturen, den ARGEn und Optionskommunen, mit denen wir uns eng abstimmen.
Diese erfolgreichen Programme werden wir auch im nächsten Jahr fortsetzen. Die Landesregierung sieht keine Notwendigkeit, darüber hinaus neue Förderprogramme speziell für die Zielgruppe der Unter-30-Jährigen zu entwickeln.
Zu 3.:
Die umfangreichen Instrumente der Arbeitsförderung nach dem SGB III und SGB II stehen auch Arbeitslosen, die bisher befristet oder in Zeitarbeit beschäftigt waren, zur Verfügung.
Das Konjunkturpaket der Bundesregierung enthält auch besondere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen: So wird befristet auf ein Jahr die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld von bisher 12 Monate auf 18 Monate verlängert. Kurzarbeit soll dabei insbesondere auch für eine Weiterqualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genutzt werden können.
Die Bundesagentur für Arbeit hat inzwischen angekündigt, dass auch Beschäftigten in Zeitarbeitsunternehmen, die von unerwarteten und kurzfristigen Arbeitsausfällen betroffen sind, Kurzarbeitergeld gewährt werden kann.
Außerdem sollen mit 1.000 zusätzlichen Vermittlerstellen in den Arbeitsagenturen insbesondere die Vermittlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verbessert werden, die sich in der Kündigungsphase befinden (Job-to-Job-Vermittlung).
Die Landesregierung begrüßt diese Maßnahmen und sieht gegenwärtig keine Notwendigkeit, weitere arbeitsmarktpolitische Aktivitäten von der Bundesregierung einzufordern.
Artikel-Informationen
erstellt am:
11.12.2008
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010
Ansprechpartner/in:
Christian Haegele
Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
Friedrichswall 1
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