Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung Niedersachsen klar Logo

Weniger Bürokratie in Unternehmen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.03.2009 - TOP 29


Die Abgeordneten Gerd Ludwig Will, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Olaf Lies, Klaus Schneck, Ronald Schminke, Stefan Schostok, Petra Tiemann und Sabine Tippelt (SPD) hatten gefragt:

"Firmen wollen weniger Bürokratie - Mittelständler geben schwarz-gelber Landesregierung schlechte Noten", war der Titel eines Artikels vom 6. März 2009 in der Neuen Presse. Im Mittelstandsbarometer der Beratungsfirma Ernst & Young haben 44 % der befragten niedersächsischen Unternehmen die Arbeit der Landesregierung als "schlecht oder eher schlecht" bewertet. Damit belegt Niedersachsen nur noch Platz 12 aller 16 Bundesländer bei der Zufriedenheit des Mittelstandes mit seiner Landesregierung. Besonders die Bereiche Bildungspolitik und Infrastruktur wurden in Niedersachsen schlecht bewertet. "Bildungspolitik ist regelmäßig ein Stein des Anstoßes", sagte der Autor der Studie.

Obwohl ein Großteil der Befragten mit den langfristigen Rahmenbedingungen des Landes zufrieden ist, wünschten sich die Unternehmen einfachere, unbürokratischere und verlässliche Strukturen.

Die Landesregierung hatte bereits im Jahr 2004 einen Beschluss zur Einsetzung einer Projektgruppe Entbürokratisierung gefasst, die ursprünglich im 2. Quartal 2005 ihre Ergebnisse vorstellen sollte. Tatsächlich konnte die Staatskanzlei erst am 17. Oktober 2006 einen von der Öffentlichkeit als eher enttäuschend beurteilten Zwischenbericht vorlegen. Die Erfolge der Projektgruppe werden offenbar auch von der Wirtschaft kritisch betrachtet. In der Zeitschrift Die Baustelle, Ausgabe Februar 2008, äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen, Hans Espel, folgendermaßen: "Die abgeschafften Vorschriften kennt keiner, weil sie offenbar keine praktische Relevanz hatten. In der letzten Legislaturperiode hat sich der jährliche Umfang des Niedersächsischen Gesetzes- und Verordnungsblattes von 476 auf 785 Seiten verdickt."

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie erklärt sich die Landesregierung die stark gestiegene Unzufriedenheit gerade des Mittelstandes mit ihrer Arbeit?
  2. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung angesichts der Kritik aus dem Mittelstand für ihre künftige Schulpolitik, die Verbesserung der Infrastruktur und den Bürokratieabbau?
  3. Welche greifbaren Erfolge, die bei der Wirtschaft auch tatsächlich entlastend wirken, hat die Arbeit der Projektgruppe Entbürokratisierung in den letzten Jahren vorzuweisen, und welche weiteren Ziele werden verfolgt?

Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Seit dem Jahr 2003 veröffentlicht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young jährlich das sog. Mittelstandsbarometer. Dabei handelt es sich um die Ergebnisse einer telefonischen Befragung des – so die Verfasser – "gehobenen Mittelstandes". Befragt wurden Unternehmen mit einer Zahl von 30 bis immerhin 2000 Beschäftigten. Kleinere Unternehmen, die ja bekanntlich den bei weitem überwiegenden Teil unserer mittelständischen Wirtschaft ausmachen, blieben also außer Betracht. Das Schwergewicht der Befragung lag deutlich im Bereich der Dienstleistungswirtschaft. Immerhin 70 % der befragten Unternehmen kommen aus dem Bereich Dienstleistungen und Handel. Aus dem gewerblichen Bereich kamen 30 %. Auch das sollte man bei der Bewertung der Ergebnisse nicht außer Acht lassen.

Die aktuelle Befragung stammt aus dem Dezember 2008. Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise waren also bereits deutlich zu spüren. Auch wenn die befragten Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage weit überwiegend noch als "gut" oder "eher gut" bezeichneten, fielen die Erwartungen für Zukunft durchweg deutlich skeptischer aus. Die Ergebnisse stellen von daher sicherlich eine Momentaufnahme dar, die in ihrer Aussagekraft – bezogen auf die positiven und die weniger positiven Ergebnisse, ich sage das ausdrücklich - nicht überbewertet werden sollte.

Dies als allgemeine Einschätzung vorweg. Jetzt zu den Ergebnissen für Niedersachsen: In Niedersachsen wurden 212 Unternehmen befragt; eine relativ schmale Basis also.

Feststellen lässt sich zunächst, dass die überwiegende Zahl der befragten Unternehmen ein positives Urteil fällt, d.h. die Lage als "gut" oder "eher gut" einschätzt.

Im Einzelnen:

  • 70 % bewerten die Rahmenbedingungen als positiv,
  • 67 % die Infrastruktur,
  • 59 % die Förderpolitik der Landesregierung,
  • 56 % die Mittelstandspolitik
  • und 52 % bewerten die Bildungspolitik der Landesregierung als positiv.

Ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann.

Die große Koalition in Berlin wäre froh, wenn sie auf solche Zahlen verweisen könnte. Da sieht das Bild nämlich ganz anders aus. Die Frage "Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der Bundesregierung?" beantworteten im ARD-Deutschlandtrend im März 2009 nur 36 % der Befragten mit "zufrieden". 62 % waren "unzufrieden".

Da liegen doch Welten zwischen der Einschätzung von Landes- und Bundespolitik in den Umfragen! Wir brauchen uns hier jedenfalls nicht verstecken. Und selbst wenn wir an der einen oder anderen Stelle im Ranking des Mittelstandsbarometers etwas nach unten gerutscht sind, so müssen doch auch Sie ehrlicherweise zugeben, dass die ermittelten Werte für die einzelnen Bundesländer so eng bei einander liegen, dass man hier nicht wirklich von gravierenden Unterschieden reden kann.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Hierzu habe ich in der Vorbemerkung schon einiges gesagt. Die Mittelstandspolitik der Landesregierung wird von 56 % der befragten Unternehmen positiv bewertet. Im Vorjahr waren es 67 %. Offensichtlich hat sich die Stimmung im Laufe des vergangenen Jahres eingetrübt. Das überrascht doch aber nicht, wenn sich die wirtschaftliche Lage als so viel schwieriger erweist.

Die Landesregierung wird jedenfalls daran festhalten, die Wirtschaftspolitik konsequent auf den Mittelstand auszurichten. Das heißt: Verbesserung der Rahmenbedingungen, Abbau von Hemmnissen, Reduzierung von Belastungen und eine auf nachhaltige Stärkung der Unternehmen ausgerichtete Förderpolitik.

Zu 2.:
Bildung, Infrastruktur und Bürokratieabbau waren und sind Schwerpunkte niedersächsischer Mittelstandspolitik. Das überwiegend positive Urteil der befragten Unternehmen bestätigt uns darin.

Ich will es noch einmal wiederholen: Die Bildungspolitik der Landesregierung wird mehrheitlich als positiv gewertet. Im Ländervergleich liegt Niedersachsen damit unverändert auf dem 7. Platz von 16 Bundesländern. Die Landesregierung wird den konstruktiven Dialog mit dem Mittelstand zur weiteren Optimierung fortsetzen.

Im Bereich der Infrastruktur liegt der Zufriedenheitsgrad sogar bei 67 %. Hier von "Kritik aus dem Mittelstand" zu reden, entbehrt jeder Grundlage. Für die niedersächsische Verkehrs- und Infrastrukturpolitik hat der weitere Ausbau des Verkehrsnetzes zur Verbesserung der Mobilität und der wirtschaftlichen Entwicklung im Land erste Priorität. Das sichert für die mittel¬ständische Wirtschaft Standortvorteile. Davon profitieren auch die mittelständisch ausge¬richtete Bauwirtschaft und die damit verbundenen Arbeitsplätze; denn 10 Mio. Euro für Bauinvestitionen sichern in der Bauwirtschaft 250 Arbeitsplätze.

Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe. Es gilt, Hemmnisse aus dem Weg zu räumen und Belastungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, damit die Unternehmen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Die Landesregierung prüft daher fortlaufend Entlastungspotenziale. Seit dem Amtsantritt der Landesregierung 2003 wurde die Anzahl der Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Lande um mehr als 50% reduziert. Vieles passierte ganz unbemerkt, weil es um die Abschaffung überflüssiger Normen ging. Aber der Dschungel wurde gelichtet.

In diesem Zusammenhang auch der Hinweis: Aus der Seitenzahl des Nds. Gesetz- und Verordnungsblattes auf den Bestand an geltenden Rechtsnormen zu schließen, wie Sie es in der Vorbemerkung zu Ihrer Anfrage tun, wäre eine Fehleinschätzung. Das Gesetz- und Verordnungsblatt ist ein Verkündigungsblatt und keine Rechtssammlung. Das heißt, es enthält die Gesetze und Verordnungen, die im jeweiligen Jahr, geändert, neugefasst, neuerlassen oder auch aufgehoben worden sind. Das das von Jahr zu Jahr erheblich schwanken kann, liegt in der Natur der Sachen. Rückschlüsse auf ein Anwachsen der Normen, auf eine vermeintliche "Vorschriftenflut" können daraus aber nicht gezogen werden.

Das Wirtschaftsministerium hat im Übrigen in der vergangenen Jahren den Bürokratieabbau zur Entlastung der Wirtschaft vorangetrieben - durch Streichung oder Umänderung unnötig kostenträchtiger oder übermäßig komplex ausgestalteter Einzelvorschriften sowie durch die Vereinfachung von Verfahrensvorschriften. Hierzu wurde nach mehreren Etappen im Januar 2008 ein Abschlussbericht vorgelegt. Die Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen hat ihre Grenzen, da rund 80% Bundesrecht betrifft (z.B. Arbeits- und Tarifrecht, Steuern, Umweltrecht oder Statistik). Aber die Arbeit geht weiter. Das Wirtschaftsministerium entwickelt gemeinsam mit der Wirtschaft im Rahmen eines Dialogforums Lösungsansätze. Dabei wird der Bürokratieabbau anhand aktuell auftretender Problemstellungen vorangetrieben.

Zu 3.:
Die von der Landesregierung zugunsten der mittelständischen Wirtschaft umgesetzten oder durch aktive Mitgestaltung der Mittelstandsentlastungsgesetze (MEG) 1 bis 3 des Bundes sowie durch die Einbringung von Vorschlägen in den Bundesrat initiierten Rechtsänderungen umfassen das gesamte Spektrum bundes- und landesrechtlicher Regelungsbereiche. Schon daran zeigt sich die Vielfältigkeit der bürokratischen Belastungen, aber auch die unbedingte Notwendigkeit eines als Daueraufgabe zu verstehenden Bürokratieabbaus. Die nachfolgend aufgeführten Beispiele veranschaulichen, wie nachhaltige Verbesserungen für die einzelnen Wirtschaftszweige erreicht wurden:

  • Wegfall der Genehmigungspflicht bei mobilen Verkaufswagen,
  • Freistellung von Werbeanlagen bis 10m Höhe von der Genehmigungspflicht,
  • auf Vorschlag von Niedersachsen Beschränkung auf drei Stichproben im Jahr für statistische Erhebungen in Kleinunternehmen bis 49 Beschäftigte im Rahmen der 2. Mittelstandsentlastungsgesetzes (14.09.2007) und im gleichen Zug
  • die Erhöhung des Schwellenwertes für die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten im Rahmen des 2. Mittelstandsentlastungsgesetzes,
  • eine neue Arbeitsstättenverordnung mit spürbaren Entlastungen von bisher bestehenden bürokratischen Anforderungen,
  • seit 01.01.2006 keine Doppelbesichtigung in niedersächsischen Betrieben durch Arbeitsschutzkontrolleure der Berufsgenossenschaften und der Staatlichen Gewerbeaufsicht und
  • keine Vorgaben von Sperrzeiten im Gaststättengewerbe durch das Land mehr,
  • die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten oder
  • die Vereinfachte Ausgabe von Werkstattkarten für die digitalen Kontrollgeräte im Lkw-Verkehr seit 01.05.2006.

Meine Damen und Herren, diese Auflistung ließe sich fortführen, aber bereits diese Beispiele zeigen, dass sowohl im Detail wie auch in der Summe die bisherige Arbeit der Landesregierung zum Bürokratieabbau nachhaltig und erfolgreich war. Diesen Weg werden wir weitergehen. Hierbei werden wir insbesondere unsere Initiativen zur Modernisierung der Arbeitssicherheit vorantreiben. Ebenso werden wir die Belastung der Wirtschaft durch vom Bundesrecht veranlasste Statistikpflichten thematisieren – u. a. bei den Strukturerhebungen im Dienstleistungsbereich, der Monatlichen Erhebung im Handel oder bei der Intrahandelsstatistik. Im Landesrecht werden wir Zug um Zug die Vereinfachungs- und Entlastungspotentiale, wie im Falle der bei der Novelle der Niedersächsischen Bauordnung, analysieren und umsetzen.

Logo Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
27.03.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln