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Wettbewerbsnachteile für den Flughafen Hannover-Langenhagen durch Kassel-Calden?

Die Abgeordneten Ronald Schminke, Gerd Will, Marco Brunotte, Stefan Schostok, Stefan Politze, Sigrid Leuschner, Dr. Silke Lesemann (SPD) hatten gefragt:

Wird die Landesregierung alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um die Wettbewerbsnachteile für den Flughafen Hannover-Langenhagen durch Kassel-Calden zu mildern?

Der Ausbau des Flughafens Kassel-Calden rückt mit der anstehenden Regierungsbildung durch CDU/FDP in Hessen in greifbare Nähe. Nach uns zur Verfügung stehenden Informationen gibt es verschiedene Szenarien, die die Auswirkungen auf die Entwicklung des Flughafens Hannover-Langenhagen beschreiben.

Laut Planungen für Kassel-Calden werden heute bereits über 94 % der zukünftig ab Kassel-Calden angeflogenen Ziele durch den Flughafen Hannover abgedeckt! In einem für Kassel-Calden günstigen Szenario wird der Marktanteil im Einzugsgebiet des Flughafens Kassel-Calden um 18,8 % zunehmen, während der Marktanteil des Flughafens Hannover-Langenhagen um 5,1 % zurückgehen wird. Gegenüber einem Istzustand aus dem Jahr 2003 mit 23,6 % Marktanteil im Einzugsgebiet des ausgebauten Flughafens Kassel-Calden senkt sich der Marktanteil somit nach dem optimistischen Szenario für Kassel-Calden bis zum Jahr 2015 auf 17,5 %. Nach dem wahrscheinlichen Szenario würde der Marktanteil immerhin noch auf 18,3 % absinken.

Mit den Flughäfen Bremen, Dortmund, Münster/Osnabrück, Paderborn und künftig auch Kassel-Calden arbeiten außer Hamburg alle Konkurrenten im Umkreis unter anderen Voraussetzungen als Hannover. Sie müssen keine Rendite erzielen und werden unter rein volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt.

Dies vorausgeschickt, fragen wir die Landesregierung:

  1. Welche Auswirkung auf den Flughafenstandort Hannover-Langenhagen erwartet die Landesregierung nach dem geplanten Ausbau des Flughafens Kassel-Calden (Fluggastzahlen, Marktanteil, wirtschaftliche Entwicklung des Betreibers Hannover Airport, usw.) mittel- und langfristig? Sind spürbare Wettbewerbsnachteile zu erwarten?
  2. In der Annahme der in der Einleitung beschriebenen Entwicklungen: Welche Auswirkungen befürchtet die Landesregierung für den Flughafen Hannover-Langenhagen?
  3. Welche Schritte wird die Landesregierung unternehmen, um die Wettbewerbsnachteile für den Flughafen Hannover-Langenhagen zu mildern?
  4. Wie wird die Landesregierung die Bürgerinitiative Hannoversch Münden gegen den Neubau des Flughafens Kassel-Calden und für Umwelt- und Naturschutz e. V. (BI) in Südniedersachsen bei der Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht und gegebenenfalls dem Bundesverfassungsgericht unterstützen?
  5. Wo sieht die Landesregierung weitere Möglichkeiten, gegen den Flughafenausbau Kassel-Calden Einfluss zu nehmen?
  6. Welche Erfolgsaussichten räumt die Landesregierung der Klage der BI vor dem Bundesverwaltungsgericht ein?
  7. Wie bewertet die Landesregierung die finanzielle Unterstützung des Ausbaus durch das Land Hessen? Hält sie diese für wettbewerbsverzerrend bzw. wettbewerbswidrig?
  8. Kann und wird das Land Niedersachsen wegen der finanziellen Unterstützung durch das Land Hessen bei der Europäischen Kommission Beschwerde einlegen?
  9. Bei mehreren Treffen mit der BI hat Ministerpräsident Wulff verkündet, sie im Rahmen seiner Möglichkeiten zu unterstützen. Welche Unterstützung ist damit genau gemeint, und welche Maßnahmen haben die Landesregierung und insbesondere der Ministerpräsident bisher ergriffen, um den Flughafenausbau Kassel-Calden in der geplanten Variante zu verhindern (bitte detaillierte Auflistung mit Zeitangaben seit Beginn der ersten Amtszeit von Ministerpräsident Wulff)?

Verkehrsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete am 09. April 2009 die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Der Verkehrslandeplatz Kassel-Calden soll zu einem Verkehrsflughafen (Regionalflughafen) ausgebaut werden. Am 18.07.2007 hat das Regierungspräsidium Kassel den Plan für die Verlegung und Verlängerung der Start- und Landebahn des Verkehrslandeplatzes Kassel-Calden festgestellt. Darüber hinaus wird mit dem Planfeststellungsbeschluss die Genehmigung zum Betrieb eines Verkehrsflughafens erteilt. Mit Urteil vom 17.06.2008 hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen, die Revision wurde nicht zugelassen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 01.04.2009 die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen

Der Planfeststellung und dem gerichtlichen Verfahren lagen Verkehrsprognosen zu Grunde, die in einem "wahrscheinlichen Szenario" für das Prognosejahr 2020 zu einem Passagieraufkommen von 640.000 Passagieren bei 8.300 Flugbewegungen pro Jahr gelangen. Ein "pessimistisches Szenario" geht von 383.000 Passagieren und ein "optimistisches Szenario" von knapp über 1 Mio. Passagieren aus. Der Schwerpunkt soll in erster Linie auf dem Touristikverkehr zu Zielen im Mittelmeergebiet und in zweiter Linie auf dem Low-Cost-Verkehr zu Zielen im europäischen Ausland liegen. Für den Linienflugverkehr wird angenommen, dass lediglich Zubringerflüge zu den Drehkreuzen München und Amsterdam angeboten werden. Konkrete Nutzungsabsichten von Luftverkehrsgesellschaften lagen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und nach hiesiger Kenntnis auch heute nicht vor. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass trotz der im Vorfeld seitens der Luftverkehrswirtschaft abgegebenen Erklärung, dass die Nutzung des ausgebauten Flughafens nicht geplant sei, das Nachfragepotential vorhanden sei und die Möglichkeit bestehe, dass das Angebot an die Luftverkehrsgesellschaften auch eine Nachfrage von dieser Seite erzeuge.

Vor diesem Hintergrund sind die Auswirkungen des Ausbaus auf den Flugbetrieb am Flughafen Hannover-Langenhagen nicht prognostizierbar. Das optimistische Szenario des Flughafens Kassel-Calden zu Grunde gelegt, geht die Flughafenbetreibergesellschaft Hannover-Langenhagen selbst von möglichen Verlusten von bis zu 500.000 Passagieren und einem Rückgang des Marktanteils um 5,1 % aus.

Die niedersächsische Landesregierung hat auch nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses sowie der gerichtlichen Entscheidung auf die bestehenden Bedenken hinsichtlich der zu erwartenden Belastungen der betroffenen niedersächsischen Gemeinden sowie insbesondere der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens hingewiesen. Nach diversen wissenschaftlichen Studien sind Regionalflughäfen in der Regel betriebswirtschaftlich unrentabel. Die kritische Größe zum kostendeckenden Flughafenbetrieb liegt je nach Ausstattung bei einer halben bis zwei Millionen voll zahlender Passagiere pro Jahr. Selbst wenn Passagierzahlen von 500.000 und mehr in Kassel-Calden nach den optimistischen Szenarien erreicht würden, so würden die zur Wirtschaftlichkeit notwendigen Passagiere an anderen Standorten wie zum Beispiel Paderborn-Lippstadt abgezogen. Nach alledem hält die Landesregierung an ihrer Kritik hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens fest.

Unabhängig davon sind jedoch die Möglichkeiten, den Ausbau des Flugplatzes zu verhindern, begrenzt. Nachdem der Hessische Verwaltungsgerichtshof den Planfeststellungsbeschluss bestätigt hat, hat nunmehr auch die Europäische Kommission beschlossen, gegen die staatliche Unterstützung des Ausbaus keine Einwände zu erheben. Aus Sicht der Kommission laufe die Maßnahme dem Gemeinschaftsinteresse nicht zuwider, da sie zum Erreichen gemeinschaftlicher Ziele notwendig sei und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspreche. Über mögliche Rechtsmittel wird seitens der Berechtigten nach Bekanntwerden der Entscheidungsgründe zu befinden sein.

Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

zu 1. und 2.:

Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

zu 3.:

Die Landesregierung unterstützt den Flughafen Hannover-Langenhagen im Rahmen ihrer Möglichkeiten in seiner wirtschaftlichen und verkehrlichen Weiterentwicklung. Hierzu gehört u.a. die Aufrechterhaltung der infrastrukturellen und genehmigungsrechtlichen Kapazitäten, aber auch die politische Begleitung bei der Akquisition neuer insbesondere interkontinentaler Luftverkehrsverbindungen.

zu 4.:

Eine Unterstützung durch die Landesregierung ist nicht vorgesehen.

zu 5.:

Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

zu 6.:

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bereits zurückgewiesen.

zu 7.:

Vor Kenntnisnahme der Entscheidungsgründe der Europäischen Kommission ist keine abschließende Beurteilung möglich.

zu 8.:

Es liegt bereits eine Entscheidung der Europäischen Kommission über die Finanzierung vor.

zu 9.:

Die Landesregierung hat die Bürgerinitiativen mit folgenden Aktivitäten unterstützt:

  • In den Jahren 2003 - 2005 haben diverse Informations- und Abstimmungsgespräche zwischen der Landesregierung (StK, MU, MW, ML) mit der Stadt Hann. Münden und der Bürgerinitiative gegen den Ausbau des Flughafens (BI) stattgefunden;
  • 15.03.2003: Gemeinsame Kabinettssitzung mit der Hessischen Landesregierung, in der Herr Ministerpräsident Wulff seine Bedenken deutlich gemacht hat;
  • 25.11.2003: Schreiben des Wirtschaftministers Hirche an den hessischen Wirtschaftsminister Rhiel mit der Aufforderung, die betroffenen Nds. Gemeinden auch im Planfeststellungsverfahren zu beteiligen;
  • 30.04.2004: Schreiben des Ministerpräsidenten Wulff an Ministerpräsident Koch wegen der Beteiligung Nds. Gemeinden auch im Planfeststellungsverfahren bei Aufrechtherhaltung der geäußerten Bedenken;
  • Presseerklärung vom 11.05.2004: "MP Wulff weiter eindeutig gegen Ausbau des Regionalflughafens Kassel-Calden";
  • Redebeitrag von Herrn Staatssekretär Eberl im Rahmen einer öffentlichen Kundgebung der BI am 28.08.2004;
  • 01.03.2005: weiteres Schreiben des Wirtschaftministers Hirche an den hessischen Wirt-schaftsminister Rhiel mit der Aufforderung, die betroffenen Nds. Gemeinden auch im Planfeststellungsverfahren zu beteiligen;
  • 31.10.2005: Schreiben des Ministerpräsidenten Wulff an Ministerpräsident Koch: Aufrechterhaltung der geäußerten Bedenken verbunden mit der Bitte, das Vorhaben insgesamt zu überdenken;
  • 30.11.2005: Gespräch Herr Ministerpräsident Wulff mit der BI in Hann. Münden;
  • 13.09.2006: Schreiben des Wirtschaftministers Hirche an den Bundesminister für Verkehr, Bau, und Stadtentwicklung unter Darlegung der Zweifel an dem Bedarf an einem weiteren Verkehrsflughafen. Der Bundesminister wurde im Hinblick auf die bei der Genehmigung von Flugplätzen nach dem Luftverkehrsgesetz zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen des Bundes gebeten, die Ausbaupläne noch einmal einer kritischen Prüfung zu unterziehen;
  • Oktober 2006: ablehnende Stellungnahme der Niedersächsischen Landesregierung zum Entwurf des Regionalplans "Nordhessen 2006", der unter dem Kapitel "Luftfahrt" als Ziel den Ausbau des Verkehrslandeplatzes Kassel-Calden als Regionalflughafen vorsieht;
  • Seit Juli 2007: öffentliche Kritik an dem hessischen Planfeststellungsbeschluss und der bestätigenden Entscheidung des Hessischen VGH;
  • Dezember 2008: Aufrechterhaltung der ablehnenden Stellungnahme zum Regionalplan "Nordhessen 2006".
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Artikel-Informationen

erstellt am:
14.05.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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