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Rahmenbedingungen für den Mittelstand und das Handwerk in Niedersachsen

Die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle (LINKE) hatte gefragt:

Die Arbeitsgemeinschaft der sieben führenden Interessenverbände des niedersächsischen Mittelstandes hat am 18. Juni 2009 Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Philipp Rösler ihren dritten Mittelstandsbericht seit 2005 übergeben. Der Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsens, Hans-Urich Kammeyer, fordert dabei mutige Entscheidungen der Politik gerade in Krisenzeiten, um die grundsätzlichen Standortbedingungen des Mittelstandes zu verbessern. Das sei der beste Weg, um die insgesamt 330 000 kleinen und mittleren Betriebe im Land durch die Krise zu bringen.

Rund 70 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in Betrieben mit weniger als 250 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern; 90 % der Unternehmen hätten weniger als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der niedersächsische Mittelstand zeichne sich, den Angaben Kammeyers zufolge, durch eine hohe Standortverbundenheit, Flexibilität hinsichtlich der Anpassung an Marktveränderungen, unmittelbare Nähe und Verbundenheit zu den Menschen sowie sein großes soziales und gesellschaftliches Engagement aus.

Der von der Arbeitsgemeinschaft des Mittelstands vorgelegte Bericht mit dem Titel "Menschen machen Wirtschaft" greift in sieben Kapiteln u. a. die sich abzeichnenden Folgen des demografischen Wandels auf, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund als gemeinsame gesellschaftliche Herausforderung, weiterhin die Forderung nach Steuerentlastung von Betrieben bzw. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach mehr Bildung und Qualifikation sowie nach mehr Nachhaltigkeit durch Umweltbewusstsein auf. Die Niedersächsische Landesregierung wird aufgefordert, die wichtigen Stabilisierungsfunktionen des Mittelstandes zu begreifen und vor allem die eigentümergeführten Unternehmen und Familienunternehmen in Niedersachsen in der Rezession und Krise zu stärken.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie wird sie konkret das Versprechen von Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Philipp Rösler bei der Übergabe des Mittelstandsberichtes am 18. Juni 2009, wonach sich die Landesregierung für die Interessen und Forderungen des Mittelstandes und des Handwerks in Niedersachsen einsetzen werde, in Kabinettsentscheidungen und Vorlagenentwürfen für den Landtag umsetzen?
  2. Wie bewertet sie die wirtschaftliche Situation des Mittelstands und des Handwerks in Niedersachsen in der Krise im ersten Halbjahr 2009 im Vergleich zu der wirtschaftlichen Lage börsennotierter Unternehmen mit Stammsitz in Niedersachsen, die im DAX 30 und im DAX 100 verankert sind?
  3. Wie hat sich die Arbeitslosigkeit im niedersächsischen Mittelstand und Handwerk im ersten Halbjahr 2009 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum entwickelt?
  4. Wie bewertet sie die derzeitige Ausbildungssituation im niedersächsischen Mittelstand und Handwerk im Vergleich zu der Situation vor einem Jahr?
  5. Hält sie es für notwendig, für die vom Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages - DIHK -, Hans Heinrich Driftmann, am 18. Juni 2009 abgegebene Zusage, jeder/jedem Jugendlichen, "... der kann und will ...", ein Angebot auf Ausbildung zu machen, zusätzlich mit Mitteln der Landespolitik abzusichern und, wenn ja, mit welchen Instrumentarien?
  6. Wie wird sie tätig werden, um die vom niedersächsischen Mittelstand bekräftigte Forderung nach Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen zu erfüllen?
  7. Wird sie eine Bundesratsinitiative für die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf arbeitsintensive Dienstleistungen auf den Weg bringen?
  8. Welche Position vertritt sie zu der Forderung im Mittelstandsbericht, wonach die Mieten und Leasingkosten, die nach dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 dem Gewerbeertrag für die Ermittlung der Gewerbesteuer hinzuzurechnen sind, wieder herausgenommen werden sollen?
  9. Was wird sie, vor allem mittels Bundesratsinitiativen, unternehmen, um die im Mittelstandsbericht verlangte Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter bis 1 000 Euro und die Erhöhung der degressiven AfA auf 30 % auf den Weg zu bringen?

Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage am 27.08..2009 namens der Landesregierung wie folgt:

Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, dass es wichtiger denn je ist, für Unternehmerinnen und Unternehmer die richtigen und grundlegenden Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln zu gewährleisten. Die Wirtschafts- und Mittelstandspolitik muss sicherstellen, dass die Unternehmen alle Chancen im Markt haben.

Mittelstand und Handwerk stehen bei der Landesregierung seit Beginn der gemeinsamen Regierungsarbeit von CDU und FDP im Mittelpunkt, da kleine und mittlere Unternehmen das Rückgrat der niedersächsischen Wirtschaft bilden. Wirtschaftspolitik in Niedersachsen ist daher in erster Linie Mittelstandspolitik. Die Politik der Landesregierung war und ist immer auch gezielt auf die Belange der mittelständischen Unternehmen ausgerichtet. Die Landesregierung steht, und das nicht nur in Krisenzeiten, zu den besonderen Anforderungen einer auf kleine und mittlere Unternehmen ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Dazu gehören:

  • die Verbesserung der Rahmenbedingungen, denn damit werden z.B. über eine mittelstands- und unternehmerfreundliche Steuerpolitik alle Unternehmen gleichermaßen erreicht,
  • der Abbau von Hemmnissen, indem u. a. der Bürokratieabbau eng an den Bedürfnissen der Unternehmen orientiert vorangetrieben wird,
  • die Reduzierung von Belastungen, damit durch Gesetzesänderungen z.B. durch Novellierungen im Arbeits- und Tarifrecht die Lohnzusatzkosten auf breiter Front zurückgefahren werden und
  • die Ausrichtung der Wirtschaftsförderung auf eine nachhaltige Stärkung der Unternehmen.

Nachfragerückgänge und Finanzierungsfragen bestimmen aktuell das Umfeld unternehmerischen Handelns. Die Herausforderungen sind für die mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer angesichts weltweiter Rezession und internationaler Finanzkrise noch einmal gewachsen.

Mit der "Initiative Niedersachsen" stehen im Rahmen der Umsetzung des Konjunkturpakets II 1,4 Mrd. Euro bereit, um Mittelstand und Handwerk zu stützen und eine günstige Ausgangssituation für Wachstum und Beschäftigung für die kommenden Jahre zu schaffen. Die Landesregierung hat darüber hinaus zur Beschleunigung der Investitionsvorhaben die vergaberechtlichen Vorgaben flexibilisiert, zur Verbesserung betrieblicher Investitionen die Fördersätze der "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" deutlich angehoben und den Bürgschaftsrahmen für gewerbliche Betriebe um 300 Mio. Euro aufgestockt. Die Nord/LB hat Garantien erhalten, um den Mittelstand 2009 und 2010 mit bezahlbaren Krediten zu versorgen. Die NBank hat für den denselben Zeitraum die Fördermöglichkeiten des Niedersachsenkredits ausgeweitet, um einen größeren Kreis an Unternehmen zu erreichen, zwei Beteiligungsfonds mit zusammen 70 Mio. Euro zur Verbesserung der Kapitalsituation in Betrieben aufgelegt und eine Hotline für schnelle und zuverlässige Beratung über Unterstützungsangebote eingerichtet.

Neben der Bereitstellung von Beratungs- und Finanzierungsinstrumenten, müssen gleichzeitig aber auch die längerfristigen Entwicklungstendenzen ins Auge gefasst werden. Es gilt, die Auswirkungen des demographischen Wandels ernst zu nehmen und bei Ausbildung, Fortbildung und Qualifizierung Schwerpunkte zu setzen, aber auch vielfältige Chancen der Globalisierung zu nutzen und die Internationalisierung des Mittelstands zu unterstützen sowie die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu fördern.

Dies vorangestellt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1:
Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen.

Zu 2:
Nach Jahren robusten Wachstums von teilweise deutlich über zwei Prozent und hohen Erwartungen bekommen auch die Unternehmen in Niedersachsen den weltwirtschaftlichen Abschwung zu spüren. Die Stimmungsabfragen weisen darauf hin, dass die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise im Mittelstand angekommen ist. Die Lageeinschätzungen mittelständischer Unternehmen zu Erträgen, Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung sowie Investitionen haben sich eingetrübt. Auch im niedersächsischen Handwerk hat sich das Geschäftklima nach Angaben der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen abgekühlt. Die Erwartungen an die weitere Entwicklung sind von Zurückhaltung geprägt.

Auch an den fünf Unternehmen mit Stammsitz in Niedersachsen, die im Dax 100 gelistet sind (Hannover Rückversicherung AG, Salzgitter AG, Volkswagen AG, Continental AG, Symrise AG und TUI AG), wird die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht spurlos vorbeigehen. Ein direkter Vergleich dieser großen Unternehmen mit Unternehmen des Mittelstands und des Handwerks ist aufgrund der Heterogenität hinsichtlich Größe und Branchenzugehörigkeit allerdings nicht möglich.

Zu 3:
Während die allgemeine Arbeitslosigkeit zu Jahresbeginn im Vorjahresvergleich noch zurückgegangen ist, ist ab April 2009 ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Im Juli 2009 waren in Niedersachsen rund 315.600 Arbeitslose registriert, was gegenüber Juli 2008 einem moderaten Anstieg von 3,9 % (+12.000) bedeutet. Dies ist der geringste Anstieg unter den westdeutschen Ländern. Auf Grundlage der Statistiken der Bundesagentur für Arbeit kann keine Aussage zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit im niedersächsischen Mittelstand und Handwerk getroffen werden.

Zu 4:
Nach den bei den Agenturen für Arbeit vorliegenden Daten für Juni 2009 ist in Niedersachsen trotz der Konjunkturkrise die Anzahl der gemeldeten Ausbildungsstellen gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig zurückgegangen. Durch den gleichzeitigen deutlichen Rückgang der Bewerberzahlen u. a. aufgrund sinkender Schulabgängerzahlen ist die rechnerische Lücke im Vergleich zum Vorjahr aktuell deutlich kleiner. Ob zum Ende des laufenden Ausbildungsjahres wieder ein Ausgleich stattfinden wird, bleibt angesichts der unsicheren konjunkturellen Entwicklung abzuwarten. Ein Einbruch bei den Ausbildungsleistungen der Unternehmen wird für das laufende Ausbildungsjahr jedoch nicht erwartet.

Für den Bereich der Handwerkskammern blieb die Anzahl der neu abgeschlossen Ausbildungsverträge im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant. Bis Juni 2009 wurden bei den Handwerkskammern in Niedersachsen insgesamt 6.186 neue Ausbildungsverträge (+47 bzw. +0,8 % gegenüber Vorjahr) registriert.

Zu 5:
Die Landesregierung hat gemeinsam mit den Kammern und Verbänden der Wirtschaft sowie mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit einen Niedersächsischen Pakt für Ausbildung geschlossen. Ziel des Ausbildungspaktes ist, allen ausbildungswilligen und –fähigen Jugendlichen in Niedersachsen ein Ausbildungs- oder Qualifizierungsangebot zu unterbreiten. In den vergangenen Jahren haben die Paktpartner dieses Ziel spätestens nach Abschluss der Nachvermittlung erreicht. Auch in diesem Jahr werden die Paktpartner alle Anstrengungen unternehmen, dieses Ziel zu erreichen.

Flankiert werden die Anstrengungen der Paktpartner durch zahlreiche im Ausbildungspakt verabredete Maßnahmen. U. a. fördert das Land den Einsatz zusätzlicher Ausbildungsplatzakquisiteure bei den Kammern, mit dem Ziel zusätzliche Ausbildungsplätze bei den Unternehmen, die noch nicht oder nicht ausreichend ausbilden, einzuwerben.

Darüber hinaus gehende Aktivitäten hält die Landesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen vom Ausbildungsstellenmarkt derzeit nicht für erforderlich.

Zu 6. und 7:
Die Landesregierung vertritt seit vielen Jahren die Auffassung, dass ein ermäßigter Umsatzsteuersatz für Handwerkerleistungen, wenn dadurch die Nachfrage nach bestimmten Leistungen belebt wird, eine Möglichkeit zur Schaffung von Beschäftigung und zur Bekämpfung der Schwarzarbeit sein kann. Konjunkturbelebende Anreize treten dann ein, wenn die ermäßigte Umsatzsteuer über den Preis an den Endverbraucher weitergegeben wird. Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass dies nicht automatisch erfolgt. Die Landesregierung hält eine Überprüfung der Umsatzsteuersystematik für zwingend geboten. Sie geht davon aus, dass eine Reform der Umsatzsteuer nach der Bundestagswahl im September auch seitens des Bundes und der anderen Länder in Angriff genommen werden wird.

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung zurzeit nicht die Absicht, noch in dieser Legislativperiode des Deutschen Bundestages initiativ zu werden, um für einzelne Branchen ermäßigte Umsatzsteuersätze einzuführen.

Zu 8. und 9:
Die Landesregierung hat im Jahr 2007 im Bundesrat dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 zugestimmt. Zugleich hat der Bundesrat in einer begleitenden Entschließung - ebenfalls mit Zustimmung der Landesregierung – zwei Aspekte deutlich gemacht:

  1. Die mit der Reform eingeleitete Entlastung der Unternehmen durch Absenkung der nominalen Körperschaftsteuersätze ist im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu begrüßen.
  2. Auch die kleinen und mittleren Unternehmen, die der eigentliche Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland sind, müssen in gleichem Maß von den steuerlichen Rahmenbedingungen profitieren. Die Bundesregierung wurde deshalb gebeten, die Auswirkungen der Steuerreform im Jahr 2009 zu überprüfen, insbesondere auch im Hinblick auf die Gegenfinanzierungsmaßnahmen wie z.B. die Beschränkung der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter, die Abschaffung der degressiven Abschreibung und die neuen Vorschriften zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung.

Durch das Maßnahmepaket "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung" wurde zwischenzeitlich die degressive Abschreibung auf 25 % befristet wieder eingeführt.

Die Landesregierung steht nach wie vor zu der Unternehmensteuerreform 2008 und den in der Entschließung des Bundesrates zum Ausdruck kommenden steuerpolitischen Zielvorstellungen. Sie sieht die vom Bundesrat erbetene Überprüfung der Auswirkungen der Unternehmensteuerreform keinesfalls als abgeschlossen an. Es wird vielmehr eine Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, die Erwägungen des Bundesrates in ihr steuerpolitisches Konzept einzubeziehen. Die Landesregierung wird zu gegebener Zeit das steuerpolitische Konzept der neuen Bundesregierung ganzheitlich beurteilen und dabei einer mittelstandsfreundlichen Gestaltung der steuerlichen Rahmenbedingungen besondere Bedeutung beimessen.

Von daher wäre es nicht zielführend, kurz vor Auslaufen der Legislativperiode des Deutschen Bundestages zu steuerlichen Einzelaspekten eine Bundesratsinitiative zu veranlassen.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
25.09.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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