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Beschäftigungssicherung am Standort Uelzen der Esselte Leitz GmbH & Co. KG

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 25.09.2009 - TOP 24


Die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle (LINKE) hatte gefragt:

Im August 2009 hat die Geschäftsführung des Bürobedarfherstellers Esselte Leitz GmbH & Co. KG mitteilen lassen, dass am Standort Uelzen 64 von 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihren Arbeitsplatz verlieren sollen, obwohl die Produktpalette des Geschäftsbereichs Uelzen am Markt sehr gefragt ist und kontinuierliche Gewinnsteigerungen erfolgen. Als Grund für die jetzt angekündigten Entlassungen werden von der Geschäftsführung Kosteneinsparungen angegeben. Die Produktion eines Fertigungsbereiches soll daher von Uelzen nach Polen verlagert werden. Der Betriebsrat wurde von dieser Entscheidung von der Geschäftsführung vor vollendete Tatsachen gestellt. Für die zu entlassenden Beschäftigten soll ein Sozialplan ausgearbeitet werden.

Der Standort Uelzen gehört seit 1998 zum schwedischen Esseltekonzern, der wiederum im Jahr 2002 vom US-Finanzinvestor J. W. Child, einer in Boston ansässigen Fondsgesellschaft, übernommen wurde. Seither hat der US-Finanzinvestor unter dem Deckmantel von Produktivitätssteigerung und Kostensenkung auch am Standort Uelzen bereits massiv Arbeitsplätze, vor drei Jahren 100 Stellen, abgebaut. Mit der Begründung, Kosten einzusparen, wurde darüber hinaus für den Zeitraum 2006 bis 2010 mit dem Betriebsrat vereinbart, dass die Belegschaft am Uelzener Standort drei Stunden in der Woche ohne Lohn arbeitet, über die vereinbarte 35-Stunden-Woche hinausgehend.

Die Unterredung mit Vertreterinnen und Vertretern des Betriebsrates und der Belegschaft von Esselte Leitz Uelzen am 9. September in Uelzen ergab darüber hinaus, dass sie seitens der Kommunal- und Landespolitik bislang keine Unterstützung für die Sicherung der Arbeitsplätze am Standort Uelzen und gegen die Verlagerung von Produktionsbereichen nach Polen erfahren hätten. Das sei sehr enttäuschend.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie bewertet sie das Vorgehen der Geschäftsführung von Esselte Leitz, jetzt erneut Kündigungen für nahezu die Hälfte der noch verbliebenen Belegschaft "durchzudrücken", ohne deren langjährige Erfahrungen und Interessen zu beachten?
  2. Wie kann sie darauf Einfluss nehmen, den Standort Uelzen der Esselte Leitz GmbH&Co. KG dauerhaft zu sichern?
  3. Was unternimmt die Landesregierung durch Bundesratsinitiativen und Ähnliches generell bei Unternehmen, in denen Massenentlassungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern trotz Gewinnsteigerung erfolgen, hinsichtlich des Ausbaus der betrieblichen Mitbestimmung

Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Der Bürobedarfshersteller Esselte Leitz GmbH & Co. KG plant, am Standort Uelzen erneut Arbeitsplätze abzubauen und Teile der Produktion nach Polen zu verlagern. Leider handelt es sich hierbei um eine unternehmerische Entscheidung, auf die die Landesregierung unmittelbar keinen Einfluss hat. Der in der Fragestellung geschilderte Sachverhalt ist der Landesregierung bisher nicht zugetragen worden.

Der Konzern Esselte gehört mit den Marken Leitz, Oxford, Pendaflex und Xyron nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden Herstellern von Bürobedarfsartikeln. Die deutsche Zentrale hat ihren Sitz in Stuttgart. Seit 2002 hat das US-amerikanische Private-Equity-Investmentunternehmen J.W. Childs den Esselte-Konzern übernommen und verfolgt eine weltweite Wachstumsstrategie. Der Konzern ist in fünf Geschäftsbereichen rund um das Thema Büroorganisation in mehr als 120 Ländern der Welt tätig und erzielt einen Jahresumsatz von ca. 1 Mrd. US-Dollar.

Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1.:
Die Landesregierung bedauert, dass nach einem bereits erfolgten Arbeitsplatzabbau nochmals Kündigungen ausgesprochen werden sollen. Die Mitarbeiter haben ihren Teil zum Erfolg des Unternehmens beigetragen und einige müssen jetzt erfahren, dass dies dennoch nicht für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze ausreicht.

Mit Blick auf die von der beabsichtigten Verlagerung eines Fertigungsbereiches betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Uelzen betrachtet die Landesregierung derartige Fälle mit großer Sorge.

Zu 2.:
Eine dauerhafte Sicherung eines Unternehmensstandortes und der dortigen Arbeitsplätze kann nicht durch die Landesregierung gegen bereits erfolgte strategische Entscheidungen eines Unternehmens erreicht oder beeinflusst werden. Unterstützungsmöglichkeiten verschiedenster Art kann die Landesregierung nur dann prüfen, wenn die Unternehmens- oder Konzernleitung sich aus wirtschaftlichen Überlegungen zu einem Standort mit dort vorhandenen oder zu schaffenden Arbeitsplätzen bekennt. Auf Nachfrage bestand jedoch kein Bedarf an weiterem Kontakt zur Landesregierung.

Zu 3.:
Die Landesregierung ist der Auffassung, dass

  • das hier zu bewertende Verhalten der Esselte Leitz GmbH & Co KG nicht die Regel darstellt und damit nicht verallgemeinert werden kann und
  • dass eine unternehmerische Entscheidung in der vorliegenden Form, so wenig Verständnis man für sie auch aufbringen mag, durch eine Änderung der Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung letztlich nicht zu verhindern ist.

Eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel, derartige eigentumsrechtlich geschützte unternehmerische Entscheidungen am Ende durch entgegen gesetzte Entscheidungen des Betriebsrates zu ersetzen, entspräche dem Versuch, unsere in Jahrzehnten bewährte Wirtschaftsordnung grundlegend umzugestalten.

Wichtiger ist es vielmehr vor Ort alles zu tun, was gegenwärtig getan werden kann, um die Unternehmensleitung und die Entscheidungsträger vielleicht doch noch zum Umdenken zu bringen. So hat die Unternehmensleitung den Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz bei einer geplanten Verlegung des Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit ihm zu beraten. Wenn die Unternehmensleitung dieser geltenden betriebsverfassungsrechtlichen Pflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen sein sollte, hat der Betriebsrat Möglichkeiten, hierauf zu reagieren.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
25.09.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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