Kommunale Zuständigkeit der Kfz-Zulassung in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 25.09.2009 - TOP 24
Der Abgeordnete Dieter Möhrmann (SPD) hatte gefragt:
Im Zuge einer Anhörung des Verkehrsministeriums über Zuständigkeiten im Verkehrsbereich ist eine Übertragung der Kfz-Zulassung auch auf kreisangehörige Kommunen vonseiten des Ministeriums abgelehnt worden. Diese Ablehnung wurde mit dem Hinweis begründet, es seien zusätzliche Kosten für die Kfz-Halter zu befürchten. Städtetag und Städte- und Gemeindebund bestreiten die Kostengründe und befürworten eine bürgernahe Verlagerung in die Rathäuser. Es wird darauf hingewiesen, dass schon heute die Verlagerung vor Ort gängige Praxis sei und dass dies im Gegensatz zur Ministeriumsmeinung zu Kosteneinsparungen geführt habe.
Ich frage die Landesregierung:
- Auf welcher jeweiligen Datengrundlage (Kostensteigerung versus Kosteneinsparung) kommen Ministerium und die beiden kommunalen Spitzenverbände zu den gegensätzlichen Einschätzungen?
- In welchen Landkreisen sind welche kreisangehörigen Kommunen (bitte auch entsprechende Darstellung für die regionsangehörigen Gemeinden der Region Hannover) seit wann mit der Aufgabe betraut worden, und wie haben sich dort die Kosten für die jeweiligen Landkreise und kreisangehörigen Kommunen entwickelt?
- Ist die Annahme des Ministeriums richtig, dass im Zeitalter von EDV-Technik jeweils alle Aufgaben an jede Außenstelle der Kfz-Zulassung vor Ort verlagert werden müssen und zusätzliche Kosten entstehen, der jeweilige Landkreis aber keinerlei Einsparungen verzeichnet, und wie wird die Zeit- und Kostenersparnis durch Bürgernähe für die Halter der rund 7 Millionen Fahrzeuge in Niedersachsen beurteilt?
Verkehrsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Das Zulassungsverfahren richtet sich nach den Bestimmungen der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) sowie der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). In Niedersachsen sind hierfür die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig (Zulassungsbehörden). Diese füllen das Zulassungsrecht, das sich oftmals sehr kompliziert und vielschichtig darstellt, mit hoher Kompetenz aus und gewährleisten dadurch eine gerade der Allgemeinheit dienende Rechts- und Verkehrssicherheit.
Durch die Verordnung über die Zuständigkeiten im Bereich Verkehr (ZustVO-Verkehr) vom 03.08.2009 erfolgte eine Zusammenführung der bis dahin in unterschiedlichen Rechtsnormen geregelten Zuständigkeiten.
Im Zuge der hierzu durchgeführten Verbandsbeteiligung regten der Nds. Städtetag und der Nds. Städte- und Gemeindebund u.a. an, die Zuständigkeit der Kfz-Zulassung generell auf die kreisangehörigen Kommunen zu übertragen, um dadurch eine orts- und bürgernahe Erledigung von Kfz-Zulassungsangelegenheiten zu ermöglichen.
Die Landesregierung ist dieser Anregung aus folgenden bislang Gründen nicht gefolgt:
Bei Schaffung neuer Zuständigkeiten müssten die kreisangehörigen Kommunen erhebliche Investitionen für Personal- und Sachmittel (Gebäude/Parkflächen, EDV incl. Online-Verbindung zum Kraftfahrt-Bundesamt) aufwenden. Solche Ausgaben wären nur gerechtfertigt, wenn damit spürbare Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden sind.
Das angestrebte Ziel, eine orts- und bürgernahe Erledigung von Kfz-Zulassungsangelegenheiten zu ermöglichen, kann zudem auch auf andere Weise erzielt werden, wenn dies gewollt ist. Zum einen haben die Landkreise die Möglichkeit, die Zulassungsaufgaben dezentralisiert durch Außenstellen bei den Gemeinden wahrnehmen zu lassen.
Darüber hinaus können die politischen Entscheidungsgremien im Rahmen der kommunalen Zusammenarbeit bereits jetzt Regelungen treffen, um Aufgaben der Kfz-Zulassung auf die kreisangehörigen Gemeinden zu delegieren.
Weiterhin besteht nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 ZustVO-Verkehr die Möglichkeit, auch die Zuständigkeit ganz oder teilweise auf privilegierte kreisangehörige Gemeinden zu übertragen.
Von den drei vorgenannten Alternativen (Einrichtung von Außenstellen, Delegation von Aufgaben durch Verwaltungsvereinbarung, Übertragung von Zuständigkeiten) haben bereits eine Reihe von Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden Gebrauch gemacht (s. unter Nr. 2). Durch die gemeinsame Nutzung der bereits bei den Landkreisen bestehenden Infrastruktur, insbesondere im Bereich der IT-Technik, konnten Synergieeffekte erzielt werden, die zu einer kostenneutralen Verbesserung des Dienstleistungsangebots vor Ort geführt haben.
Gleichwohl wird die Landesregierung eine weitergehende Aufgabenübertragung zum Beispiel im Bereich der Kraftfahrzeugzulassung im Rahmen des zur Zeit verhandelten "Zukunftsvertrages für starke Kommunen" prüfen, um eine möglichst bürgernahe und kostengünstige Aufgabenerledigung zu ermöglichen.
Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1:
Die Auffassung der beiden kommunalen Spitzenverbände, die Verlagerung von Aufgaben im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten habe bei den Beteiligten Behörden zu Kosteneinsparungen geführt, wird geteilt. Diese Einsparungen konnten aufgrund der vereinbarten Aufgabenteilung und der dadurch eingetretenen Synergieeffekte erzielt werden.
Es besteht deshalb keine gegensätzliche Einschätzung.
Zu 2:
Angelegenheiten der Kfz-Zulassung können in folgenden kreisangehörigen Gemeinden erledigt werden:
Landkreis Aurich: Außenstellen in der Stadt Aurich und der Stadt Norden.
Landkreis Celle: Verwaltungsvereinbarung mit der Stadt Bergen seit Nov. 1998. Daneben können in allen kreisangehörigen Gemeinden Adressänderungen in den Fahrzeugdokumenten vorgenommen werden.
Landkreis Göttingen: Außenstellen in den Städten Duderstadt und Hann.Münden;
Verwaltungsvereinbarung mit dem Flecken Bovenden (seit Febr. 2006) sowie der Stadt Staufenberg (Okt. 2008).
Landkreis Grafschaft Bentheim: Außenstellen in der Stadt Bad Bentheim sowie der Samtgemeinde Emlichheim.
Region Hannover: Verwaltungsvereinbarung mit den Städten Barsinghausen (März 2003), Burgdorf (April 2003), Burgwedel (Jan. 2003), Garbsen (Jan. 2003), Laatzen (Febr. 2003), Langenhagen (Jan. 2003), Lehrte (April 2003), Neustadt (April 2003), Ronnenberg (Jan. 2003), Seelze (Jan. 2003), Sehnde (Mai 2003), Springe (März 2003), Wunstorf (Jan. 2003) sowie den Gemeinden Isernhagen (Jan. 2003), Uetze (April 2004), Wedemark (März 2009), Wennigsen (Nov. 2005).
Landkreis Hildesheim: Anschriftenänderungen in den Fahrzeugdokumenten können auch von der Stadt Hildesheim vorgenommen werden.
Landkreis Hameln: Außenstelle in der Stadt Bad Pyrmont (nur mittwochs).
Landkreis Oldenburg: Verwaltungsvereinbarung mit den Gemeinden Großenkneten (Jan. 1999), Hude (Okt. 2002) und Wardenburg (März 2003).
Teilweise Übertragung von Zuständigkeiten im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 ZustVO-Verkehr auf die Gemeinde Ganderkesee (April 2003).
Landkreis Osnabrück: Außenstelle in der Samtgemeinde Bersenbrück.
Verwaltungsvereinbarung mit den Samtgemeinden Artland (Dez. 2000) und Fürstenau (Dez. 2000) sowie den Gemeinden Bad Essen (Juni 2001) und Bohmte (Juni 2001). Teilweise Übertragung von Zuständigkeiten im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 ZustVO-Verkehr auf die Städte Bramsche (Jan. 2002), Georgsmarienhütte (Jan. 2002) und Melle (Jan. 2002) sowie die Gemeinde Wallenhorst (Sept. 2004).
Landkreis Rotenburg (Wümme): Außenstellen in der Stadt Bremervörde und der Samtgemeinde Zeven. Verwaltungsvereinbarung mit der Samtgemeinde Bothel (Aug. 2006).
Landkreis Wesermarsch: Außenstelle in der Stadt Nordenham.
Die Kostenentwicklung konnte durch die beteiligten Behörden nicht quantifiziert werden. Insgesamt kann aber zumindest von einer Kostenneutralität ausgegangen werden. In der Regel sehen die Verwaltungsvereinbarungen eine Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an den erzielten Gebührenaufkommen vor. Im Gegenzug erhalten die Landkreise von den beauftragten Kommunen einen Ausgleich für die Bereitstellung und Nutzung der erforderlichen IT-Infrastruktur (Hard- und Software).
Durch die Beteiligung der Kommunen am Gebührenaufkommen tritt eine entsprechende Verminderung der Gebühreneinnahmen der Landkreise ein. Dem stehen allerdings verringerte Personal- und Sachkosten gegenüber.
Zu 3:
Die dem Ministerium unterstellte Annahme ist unzutreffend. Wie bereits dargelegt, ist es bereits nach jetziger Rechtslage möglich, sowohl Aufgaben als auch Zuständigkeiten der Kfz-Zulassung ganz oder teilweise auf kreisangehörige Gemeinden zu übertragen.
Die Entscheidung obliegt den kommunalen Behörden.
Artikel-Informationen
erstellt am:
25.09.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010