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Bemühungen um die Arbeitsplätze bei Karmann

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 30.10.2009 - TOP 29


Der Abgeordnete Dr. Manfred Sohn (LINKE) hatte gefragt:

Wie bewertet die Landesregierung den Erfolg ihrer bisherigen Bemühungen um die Arbeitsplätze bei Karmann in Osnabrück?

Der Presse ist zu entnehmen, dass bei Karmann weitere 800 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren sollen. Der Osnabrücker Autobauer, der noch im Jahr 2004 rund 7 000 Familien ihr Einkommen sicherte, wird danach nur noch 800 Beschäftigte haben.

In der Vergangenheit hat das Thema Karmann den Landtag mehrfach beschäftigt. Die Landesregierung hat in diesen Debatten den Eindruck erzeugt, sie arbeite zwar nicht öffentlich, aber doch sehr erfolgreich daran, die Arbeitsplätze bei Karmann zu sichern - so z. B. in der Erklärung der Landesregierung am 4. Juni 2008 (Stenografischer Bericht über die 8. Plenarsitzung in der 16. Wahlperiode, S. 755), die in dem Resümee gipfelte: "Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, dass wir Karmann als Zuliefererfirma von Hochtechnologie bei den Umstrukturierungsbemühungen unterstützen. Das Projekt Brennstoffzelle und auch das Geschäftsfeld emissionsfreie Fahrzeuge werden von uns ausdrücklich unterstützt. Auch bezüglich des Komplettfahrzeugbaus habe ich, wie gesagt, die Hoffnung noch nicht aufgegeben. ... Erfolge erreicht man eher, indem man Gespräche führt, und nicht durch öffentliche Debatten."

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Erfolg ihrer außerhalb öffentlicher Debatten geführten Gespräche um die Sicherung der Arbeitsplätze bei Karmann?
  2. Welches in Arbeitsplätzen auszudrückende Ziel verfolgt die Landesregierung, indem sie Karmann "bei den Umstrukturierungsbemühungen unterstützt", und wie sehen ihre entsprechenden konkreten Maßnahmen aus?
  3. Welche berufliche Perspektive haben aus der Sicht der Landesregierung die bei Karmann noch beschäftigten 800 Kolleginnen und Kollegen und die seit 2004 dort entlassenen 6 200 Kolleginnen und Kollegen?

Arbeitsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

zu 1.:
Die Situation bei Karmann ist seit längerem geprägt durch drei große Probleme: Zunächst fehlen Karmann seit Jahren Neuaufträge im Fahrzeugbau. Dazu führen unbezahlte Rechnungen in zweistelliger Millionenhöhe zu einer äußerst knappen Liquidität. Und schließlich erschweren die Besitzverhältnisse einen schnellen Verkauf von Unternehmensteilen. Die Landesregierung hat bei der deutschen Automobilindustrie intensiv für den Erhalt des Fahrzeugbaus bei Karmann geworben. Vor dem Hintergrund der weltweiten Krise sind bisher keine Entscheidungen von potenziellen Investoren gefallen, die zur langfristigen Sicherung von verbliebenen Arbeitsplätzen nötig wären. Der Insolvenzverwalter ist weiter bemüht, Käufer in verschiedenen Bereichen zu finden.

zu 2.:
Die Bemühungen der Landesregierung waren stets darauf ausgerichtet, soviel Arbeitsplätze wie möglich bei Karmann zu erhalten. In der momentanen Insolvenzsituation sind die Einwirkungsmöglichkeiten des Landes allerdings sehr beschränkt. Nach wie vor fehlt es dem Unternehmen in der aktuellen Wirtschaftskrise an Aufträgen. Hinzu kommen unbezahlte Rechnungen von Kunden und die problematische Situation zwischen der insolventen Karmann GmbH und der den Gesellschaftern gehörenden Karmann-Besitzgesellschaft, welche Übernahmeverhandlungen massiv erschwert.

Die Landesregierung hat dem Insolvenzverwalter signalisiert, dass das Land mit seinen Finanzierungsinstrumenten einen Investorenprozess begleiten könnte. Gleiches gilt für die Unterstützung der (Vor-) Finanzierung von Aufträgen. Hier ist allerdings zuerst der Insolvenzverwalter mit einer erfolgreichen Akquise von Aufträgen gefordert.

Mit der Gründung der E-Mobil-GmbH will Karmann sich neben den bisherigen Kernkompetenzen auf die Entwicklung von Elektrofahrzeugen fokussieren. Mit Unterstützung des Stromkonzerns EWE wurde bereits ein Elektroauto-Prototyp, der E3 entwickelt. Im November wollen beide Partner den Prototypen gemeinsam in Oldenburg der Öffentlichkeit präsentieren. Die Landesregierung hat die Unterstützungsbereitschaft für Karmann und das Thema Elektromobilität bereits signalisiert.

Sowohl Karmann als auch EWE haben in den vergangenen Monaten sehr viele Anfragen und positive Aussagen zu dem gemeinsam entwickelten E-Fahrzeug erhalten. Das lässt auf eine erfreuliche Entwicklung dieses Vorhabens und damit der Zukunft von Teilen von Karmann hoffen.

zu 3.:
Das Unternehmen bzw. der Insolvenzverwalter haben – in der Erwartung neuer Aufträge - lange gezögert, hoch qualifizierte Mitarbeiter bei Karmann freizusetzen. Aufgrund der aktuell äußerst schwierigen Finanzlage des Unternehmens und mangels aktuell fehlender Aufträge sieht sich der Insolvenzverwalter gezwungen, zur Kostenentlastung und damit der Finanzierungssicherung der Karmann GmbH auch Ingenieure und Techniker zu entlassen. Der Großteil der zu entlassenden Beschäftigten ist zurzeit in der sog. "Metal-Unit" beschäftigt, für die bislang vergeblich ein Käufer gesucht wurde. Weitere Beschäftigte werden aus dem Bereich Technische Entwicklung freigesetzt. Hier mangelt es an Folgeaufträgen. Obwohl aktuelle Fahrzeuge wie der BMW X1 bei Karmann komplett entwickelt wurden, führt die unsichere Lage bei Karmann dazu, dass sich die Hersteller zurzeit bei Neuaufträgen für Karmann zurückhalten. Das Überleben von Karmann als Fahrzeugentwickler wird jedoch von weiteren Aufträgen abhängen. Für die Sparte Cabrio-Dächer laufen zurzeit Übernahmeverhandlungen. Die Landesregierung erhofft sich hiervon, dass die unbestrittene Kompetenz im Cabriodach-Bau in Osnabrück erhalten bleibt.

Wie bereits zu Frage 2 ausgeführt, werden die Aktivitäten Karmanns im Bereich Elektromobilität als Lichtblick und damit Chance für eine Beschäftigungssicherung gesehen.

Die Landesregierung hat seit Bekanntwerden der ersten Informationen über die Probleme bei Karmann im Jahr 2006 den engen Kontakt zur Geschäftsführung und zum Betriebsrat des Unternehmens gesucht. Seitdem haben unzählige Gespräche auf politischer und Arbeitsebene stattgefunden, um den entlassenen oder von der Entlassung bedrohten Beschäftigten eine Perspektive für eine rasche Vermittlung zu verschaffen.

Im Zeitraum 2006 bis 2009 hat das Land für Projekte des Beschäftigtentransfers für ehemalige Beschäftigte der Wilhelm Karmann GmbH Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds und Landesmittel im Umfang von mehr als 4,6 Mio. Euro bereit gestellt. Mit diesen Fördermitteln wurden 2.862 Personen unterstützt. Die einzelnen geförderten Transfergesellschaften waren mit Vermittlungsquoten bis zu 76 % sehr erfolgreich.

Nachdem die Wilhelm Karmann GmbH am 8. April 2009 Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen musste, wurden in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter zwei weitere Projekte des Beschäftigtentransfers vom Land Niedersachsen mit EU- und Landesmitteln gefördert. Ergänzend wurde die Transfergesellschaft bei der Beantragung von Fördermitteln des Europäischen Globalisierungsfonds (EGF) unterstützt.

Nach den bisherigen Erkenntnissen fehlt dem Insolvenzverwalter für die nunmehr zu entlassenden Personen das notwendige Geld zur Finanzierung einer Transfergesellschaft. Die Landesregierung steht aber auch weiterhin im engen Kontakt zu den Akteuren vor Ort, um gemeinsam mit der Agentur für Arbeit für die von Arbeitslosigkeit Betroffenen eine bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten und ihnen mit Hilfe von Qualifizierungsmaßnahmen und Umschulungen eine neue Perspektive zu eröffnen.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
30.10.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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