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Erstattungsbeiträge für Statistiken?

Der Abgeordnete Dieter Möhrmann (SPD) hatte gefragt:

In einem Interview mit der Nord-West-Zeitung vom 15. August 2009 berichtete Wirtschaftsminister Dr. Rösler von Überlegungen, dass zukünftig für den Aufwand für das Erstellen von Statistiken und Berichten vom Land Niedersachsen "Geld bezahlt werden muss". Als Begründung führte er an: "In der Sekunde, in der dafür Geld bezahlt werden muss, wird sich die öffentliche Hand dreimal überlegen, was verlangt wird." Aus dem Blickwinkel des Ministers gesehen sind Statistiken der Länder, des Bundes und der EU nur als unnötige Bürokratie zu betrachten.

Noch 2006 beantwortete der damalige Wirtschaftsminister Hirche in der Drucksache 15/2924 eine Kleine Anfrage dahin gehend, dass nur ca. 20 von 390 amtlichen Statistiken auf Landesrecht beruhen und somit dem Einfluss des Landes unterliegen.

Weiter erklärte das Wirtschaftsministerium in der Beantwortung der Kleinen Anfrage:

"Bei allen Bemühungen zur Entlastung der Wirtschaft von amtlichen Statistiken darf die gesetzliche Aufgabe der Statistiken nicht außer Acht gelassen werden, zuverlässige, hinreichend differenzierte und aktuelle Informationen für vielfältige Zwecke und zahlreiche Nutzergruppen bereitzustellen. Sachgerechte Entscheidungen können nicht ohne hinreichende Kenntnis der zugrunde liegenden Fakten getroffen werden. Im wirtschaftlichen Bereich sind zuverlässige amtliche Statistiken zur Beurteilung des Wirtschaftswachstums, des Strukturwandels und der Wettbewerbsfähigkeit unentbehrlich. Dabei greifen auch die Wirtschaftsverbände auf diese Statistiken zu, um Unter-nehmen bei wirtschaftlichen Entscheidungen zu beraten und die Belange ihrer Verbandsmitglieder in den Gremien zu vertreten. Letztendlich liefern Statistiken den einzelnen Unternehmen auch unmittelbar branchenbezogen Daten zum Wirtschafts- und Investitionsgeschehen, an dem sie ihre Planungen und Entscheidungen orientieren können."

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Auf welcher rechtlichen Grundlage (EU-, Bundes- oder Landesrecht) werden die von Minister Dr. Rösler angesprochenen Daten für welchen Zweck erhoben?
  2. Wird das Land auch die Kosten für den Aufwand der Statistiken erstatten, die nicht auf Landesrecht beruhen?
  3. Mit welchen Erstattungsbeträgen könnten die Institutionen für die aufgewendeten Arbeitszeiten rechnen?
  4. In welcher Höhe sollen entsprechende Erstattungsbeträge in den Landeshaushalt eingestellt werden?
  5. Soll auch der Zeitaufwand von Bürgerinnen und Bürgern für statistische Befragungen (z. B. Mikrozensus etc.) zukünftig finanziell vergütet werden?
  6. In welchen europäischen Staaten oder in welchen Bundesländern gibt es die vom Minister überlegten Erstattungen bereits?
  7. Ist die Landesregierung noch immer der Auffassung, Statistiken würden auch im Interesse der Wirtschaft erhoben, oder erachtet sie dies ausschließlich als lästige Bürokratie?

Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler beantwortete die Anfrage am 21.10.2009 namens der Landesregierung wie folgt:

Die Entlastung der Wirtschaft von bürokratischen Berichtspflichten ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung. Etliche Unternehmen beklagen sich über den Verwaltungsaufwand durch die Vielzahl der zu beachtenden Rechtsvorschriften.

Nach dem zweiten Jahresbericht der Bundesregierung zum Programm Bürokratieabbau von April 2009 bestehen für die Wirtschaft in Deutschland im Bereich Statistik insgesamt 162 Informationspflichten, die für die Unternehmen Kosten in Höhe von jährlich 351 Mio. € verursachen. Dies sind 0,7 % aller bei den Unternehmen jährlich anfallenden Informationskosten nach dem sog. Standard Kosten Modell. Dabei rufen die zehn kostenintensivsten statistischen Pflichten allein bereits 81 % der Belastung (284 Mio. €) hervor.

Der statistischen Berichtspflicht unterlagen im Jahr 2004 529.000 Unternehmen, was einer Berichtsquote von 15 % der rund 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland entspricht. Im Durchschnitt wird jedes berichtspflichtige Unternehmen damit pro Jahr mit ca. 664 € Statistikkosten belastet.

Unter Berücksichtigung der Betriebsgrößen liegt die geringste Belastung mit einer Berichtsquote von 12,6 % bei den Kleinstunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten (bundesweit 221.000 Betriebe). In der Kategorie der Beschäftigtenzahl 10 bis 19 steigt die Quote allerdings bereits auf 40% (bundesweit 64.400 Betriebe), bei 20 bis 49 Beschäftigten bis auf 57 % (bundesweit 55.600 Betriebe).

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung diverse Vorschläge gemacht, um Unternehmen von statistischen Berichtspflichten zu entlasten. Die Maßnahmen konzentrieren sich sowohl auf die Bereinigung als auch die Modernisierung der Wirtschaftsstatistik. Dazu zählen vor allem die Nutzung von Verwaltungsdaten im Rahmen des Unternehmensregisters als Ersatz für primäre Erhebungen, die Anhebung von Meldeschwellen in den Industrie-, Handels-, Außenhandels- und Verdienststatistiken sowie die Verkleinerung des Stichprobenumfangs bei Konjunkturstatistiken.

Mit Unterstützung der Landesregierung wurde im Rahmen der Mittelstandsentlastungsgesetze des Bundes u. a. beschlossen, die Abschneidegrenze in der Monatserhebung im Verarbeitenden Gewerbe von 20 auf 50 Beschäftigte zu erhöhen, Existenzgründer in den ersten drei Jahren unter bestimmten Voraussetzungen von statistischen Berichtspflichten zu befreien, Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten pro Kalenderjahr zu höchstens drei Stichprobenerhebungen heranzuziehen und in der Dienstleistungskonjunkturstatistik und der Handwerkszählung verstärkt bereits vorhandene Verwaltungsdaten zu nutzen.

Nicht aufgegriffen wurden dagegen die Vorschläge der Landesregierung, die Meldeschwellen in der jährlichen Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich, im Einzelhandel, in der Außenhandelsstatistik und der Verdiensterhebung zu erhöhen, um somit insbesondere kleine und mittlere Unternehmen von statistischen Berichtspflichten zu befreien.

Dieses vorausgeschickt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

zu 1.:
Die Daten im Rahmen der amtlichen Statistik werden aufgrund von Gesetzen und Rechtsverordnungen erhoben. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen sind das Niedersächsische Statistikgesetz (NStatG) und das Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke (BStatG). Hier werden u. a. die Rahmenbedingungen für die Durchführung von Landes-, Bundes- und EU-Statistiken geregelt.
Nach Auskunft des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) beruhen von den insgesamt etwa 390 amtlichen Statistiken 95 % auf Bundes- und 5 % auf Landesrecht. Bei 80 % der erhobenen Statistiken ist mindestens ein Erhebungsmerkmal für die Europäische Union bestimmt.

zu 2.:
Eine Kostenerstattung durch das Land beträfe überwiegend Verpflichtungen, auf deren Entstehung und Ausgestaltung das Land nur geringen Einfluss nehmen kann. Die Verantwortung liegt neben der EU im Wesentlichen beim Bund. Vor diesem Hintergrund müsste der Bund, der auch über Mitgestaltungsrechte in der EU verfügt, in die Pflicht genommen und an der finanziellen Belastung beteiligt werden. Folgerichtig müsste eine Kostenerstattung auf Bundesebene beschlossen werden, z. B. durch Berücksichtigung des Aufwands bei der Unternehmensbesteuerung.

zu 3.:
Zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens sollten die Erstattungsbeiträge die durchschnittlichen Kosten für die statistische Berichtspflicht abdecken.

zu 4.:
Solange nicht feststeht, wie eine Erstattung bei Bundes- und Eu-rechtlich bedingten statistischen Verpflichtungen erfolgt (z. B. direkte Zahlung oder Entlastung im Rahmen der Besteuerung) und welche Kosten die landesrechtlichen Regelungen zur amtlichen Statistik in der Wirtschaft im Detail verursachen, kann dazu keine Aussage getroffen werden.

zu 5.:
Nein.

zu 6.:
Darüber sind keine Informationen bekannt.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
29.10.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010

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