Abwrackprämie - Was folgt?
Die Abgeordneten Gerd Will, Sabine Tippelt, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Olaf Lies, Klaus Schneck, Ronald Schminke, Stefan Schostok und Petra Tiemann (SPD) hatten gefragt:
2 Millionen Autokäufe in Deutschland hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit der Abwrackprämie cofinanzieren können. 5 Milliarden Euro stützen den Absatz von Neuwagen und stabilisieren damit die deutsche Konjunktur. Dadurch konnten über 200 000 Arbeitsplätze in Deutschland gehalten werden. Zudem bescheinigt eine Studie den Erfolg der Abwrackprämie bei der Senkung des CO2-Ausstoßes um 20 %.
Gleichzeitig rechnen vor allem die kleineren freien Werkstätten mit einem Minus von 30 % bei der Auslastung durch geringere Reparaturen. Nunmehr hat das Auslaufen der Abwrackprämie auch negative Auswirkungen auf die Händler. Wolfgang Meinig vom Forschungsinstitut Automobilwirtschaft befürchtet, dass im Handel bis zu 6 500 Betriebe schließen müssen, was zu einem Verlust von ca. 90 000 Arbeitsplätzen führen würde.
Der Automobilexperte Dudenhöfer weist in einer Stellungnahme auf den gestörten Gebrauchtwagenmarkt hin. Er schätzt, dass mindestens 30 % der Abwrackumsätze zulasten des Gebrauchtwagenhandels gingen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung zu den Auswirkungen auf das Land Niedersachsen:
- Wie beurteilt die Landesregierung die negativen Folgen für die Reparaturwerkstätten, Gebrauchtwagenautohändler und den Neuwagenmarkt?
- Hat die Landesregierung einen Überblick, wie viele kleine, freie Werkstätten in Niedersachsen betroffen sind?
- Mit wie vielen Betriebsschließungen rechnet die Landesregierung in der Automobilwirtschaft bei Händlern und Werkstätten und Automobilzulieferern, und welche Arbeitsplatzverluste stehen dabei im Raum?
- Wird die Landesregierung für die betroffenen Marktbereiche auf Bundesebene Initiativen über den Bundesrat einbringen?
- Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung auf Landesebene, die betroffenen Firmenstrukturen zu stärken?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 21.11.2009 wie folgt:
Die Landesregierung nimmt die unterschiedlichen und stets veränderlichen Szenarien und Prognosen zum Auslaufen der Abwrackprämie zur Kenntnis. Sie beteiligt sich jedoch nicht an Spekulationen. Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass trotz volkswirtschaftlicher Bedenken und dem ordnungspolitisch kritikwürdigen Umstand, dass nur eine Branche bevorzugt wurde, die Nachfrage nach Neuwagen in Deutschland deutlich zugenommen hat. So hat allein Volkswagen durch die Abwrackprämie in Deutschland konzernweit rund 500.000 Verträge geschrieben, davon alleine 340.000 bei der Kernmarke VW. Dies hat bei VW 5.800 Arbeitsplätze gesichert.
Nach den durch die Abwrackprämie gestiegenen Zulassungszahlen (seit Jahresbeginn +26% im Vergleich zum Vorjahr) ist mit ihrem Auslaufen naturgemäß ein Rückgang zu erwarten. Laut Verband der Automobilindustrie (VDA) haben die Auftragseingänge aus dem Inland bislang weniger stark nachgegeben als erwartet. Ebenso ist bei den Exporten das Erreichen der Talsohle unübersehbar. Davon profitieren die deutschen Hersteller und damit auch ihre Zulieferer aufgrund ihrer globalen Präsenz sehr früh.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt.
Zu 1.:
Die markengebundenen Autohäuser und freien Kfz-Betriebe zeigen sich zurzeit insgesamt optimistischer als noch Mitte dieses Jahres. Grund ist die weitgehend gute Einschätzung der aktuellen Lage der Branche und des eigenen Unternehmens. Die Autohäuser konnten im Neuwagengeschäft noch von der Abwrackprämie profitieren.
Das Werkstattgeschäft liegt in den Betrieben mehrheitlich auf Vorjahresniveau. Die Umsätze konnten stabil gehalten werden. Die Abwrackprämie geht zu Lasten der Werkstätten, die überwiegend Wartungs- und Reparaturarbeiten an PKW erbringen, da der verjüngte Fahrzeugbestand weniger reparaturbedürftig ist und Neuwagenkäufer vermehrt Vertragswerkstätten in Anspruch nehmen.
Weiterhin angespannt zeigt sich der Gebrauchtwagenabsatz. Die Abwrackprämie hatte zur Folge, dass der Export nach Afrika und nach Osteuropa nahezu zum Erliegen gekommen ist.
Drei Viertel der Autohäuser konnten nach eigener Aussage deutlich in Form von Mehrabsatz im Bereich Neuwagen von der Abwrackprämie profitieren. Insbesondere die Händler, die Fabrikate asiatischer Automobilhersteller bzw. -importeure führen, konnten ihren Fahrzeugabsatz im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppeln. 84% der Neuwagenkunden haben einen später geplanten Kauf eines Neuwagens – motiviert durch den staatlichen Prämienzuschuss – in dieses Jahr vorgezogen.
Allerdings sind die Erwartungen im Fahrzeugvertrieb für die kommenden Monate gedämpft. Viele Autohäuser spüren bereits das Abflauen der Nachfrage nach neuen Fahrzeugen, insbesondere kleinen und preiswerten Fahrzeugen.
Die meisten der Autohäuser und der freien Betriebe rechnen damit, dass die Neuwagenabsätze im Jahr 2010 einbrechen werden. Im Schnitt rechnen die Befragten mit einem Absatzeinbruch zwischen 15 und 20%. Das bedeutet, dass im nächsten Jahr das Geschäft mit Neuwagen durch höhere Kundenrabatte angekurbelt werden muss, um den Vorzieheffekt aus dem Jahr 2009 einigermaßen ausgleichen zu können. Auch Rabatte bis 20% werden von einigen Befragten als möglich angesehen.
Volkswagen hat derzeit vor allem wegen der Abwrackprämie europaweit einen Auftragsbestand von 250.000 Fahrzeugen. Dieses gute Polster sichert die Auslastung in den Werken in Europa bis Mitte 2010. Experten gehen davon aus, dass es in Westeuropa nach dem Auslaufen staatlicher Förderprogramme wie der Abwrackprämie in Deutschland zu einem starken Absatzrückgang in der Größenordnung von 10 bis 15% kommen wird. Außerhalb Europas dagegen sieht es besser aus, vor allem in China. Volkswagen rechnet damit, dass der voraussichtliche Rückgang im Privatkundengeschäft teilweise durch eine Belebung im Flottengeschäft, zum Beispiel bei Dienstwagen, ausgeglichen werden kann.
Zu 2.:
Der Landesregierung liegen keine Erhebungen vor, die einen vollständigen Überblick über die kleinen, freien Kfz-Werkstätten in Niedersachsen ermöglichen.
Zum 01.01.2009 gab es in Niedersachsen 5.732 (+17 Betriebe im Vergleich zum Vorjahr) in den Handwerksrollen der niedersächsischen Handwerkskammern eingetragene Kraftfahrzeugtechnikerbetriebe (einschließlich 1.136 Nebenbetriebe). Die Zahl der fabrikatsgebundenen Betriebe in Niedersachsen ist nicht bekannt. Laut Angaben des Zentralverbandes des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes gibt es bundesweit 18.900 fabrikatsgebundene Werkstätten. Das sind weniger als die Hälfte der insgesamt 39.100 Kfz-Betriebe in Deutschland.
Zu 3.:
Betriebsschließungen und Arbeitsplatzverluste können sich aus übergeordneten unternehmerischen Entscheidungen und als Ergebnis einer Absatzkrise ergeben. Beides entzieht sich einer belastbaren Prognose. Die Landesregierung steht bei drohenden Betriebsschließungen zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit den Beschäftigten mit Rat und Tat zur Seite. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und die NBank unterstützen zudem im Rahmen der Industrie- und Handelsbetreuung mit Erfolg die Automobilwirtschaft mit betrieblichen Fördermaßnahmen.
Zu 4.:
Die Landesregierung plant zurzeit nicht, Initiativen für die betroffenen Marktbereiche über den Bundesrat einzubringen.
Zu 5.:
Die deutsche Automobilindustrie hat bereits ihre Antworten auf die Krise entwickelt. Die deutschen Unternehmen behaupteten sich in der nicht zyklischen Schwankungen geschuldeten Krise besser als ihre Wettbewerber. Die kraftstoffeffizientesten Autos kommen aus Deutschland. Sie sind auch Benchmark für Sicherheit, Qualität und Umweltfreundlichkeit. Die Risiken in der automobilen Wertschöpfungskette sind jedoch wie die allgemeine Krise noch nicht bewältigt.
Die Automobilbranche ist mit Hilfe der Abwrackprämie bereits mit erheblichen Steuermitteln gefördert worden. Eine weitere Privilegierung wird - sowohl aus wettbewerbsrechtlichen wie auch aus steuerlichen Gründen - nicht für angezeigt gehalten. Die Landesregierung ist der festen Überzeugung, dass es die deutsche Automobilwirtschaft mit ihrem Innovationspotenzial und den aktuell hervorragenden Produkten selbst in der Hand hat, gestärkt aus der Krise hervorzugehen und auf den Weltmärkten weitere Absatzanteile zu gewinnen.
Es ist aus der Sicht der Landesregierung wesentlicher, auf der Grundlage konkreter Entwicklungen vor Ort in Niedersachsen ein Instrumentarium zur Verfügung zu haben, das sich bewährt hat und auch künftig dazu beitragen wird, möglichst viele Arbeitplätze zu erhalten.
Deshalb wird an dem Verfahren festgehalten, dass sich die Unternehmen aus den Bereichen Automobilzulieferer, Reparaturwerkstätten und dem Autohandel bei finanziellen Problemen im Einzelfall an die NBank wenden. Dort wird geprüft, ob das Land bspw. durch Kredite, Bürgschaften oder Beteiligungskapital Unterstützung gewähren kann. Darüber hinaus ist die Landesregierung direkt in Einzelfälle aktiv eingebunden. Als positives Beispiel sei hier die Rettung des insolventen Automobilzulieferers Stankiewicz genannt.
Artikel-Informationen
erstellt am:
30.11.2009
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010