Nachtflugregelung und Lärmschutz für den Flughafen Hannover-Langenhagen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.02.2010 - TOP 33
Der Abgeordnete Enno Hagenah (GRÜNE) hatte gefragt:
Seit dem 1. Januar 2010 ist für den Flughafen Hannover eine neue Betriebsgenehmigung in Kraft, die nach Presseberichten von der Flughafengesellschaft als Fortschreibung des bisher erlaubten 24-Stunden-Flugbetriebes mit praktisch allen auch zuvor in Langenhagen vertretenen Flugzeugtypen verstanden wird. In der Fluglärmzone gelegene Städte wie Langenhagen und Garbsen haben ebenso wie viele Anwohner gegen den aus ihrer Sicht unzureichend in den Vorgaben des Ministeriums berücksichtigten Gesundheitsschutz - insbesondere in den Nachtstunden - protestiert. Die vom Flughafen angebotenen Lärmschutzmaßnahmen für die Anlieger werden von ihnen als unzureichend kritisiert. Auch die im Vergleich zur vorherigen Laufzeit ungewöhnlich lange Frist der Genehmigung bis 2019 vernachlässige den inzwischen stark entwickelten zügigen Erkenntnisgewinn bei den gesundheitlichen Risiken durch Lärm und schreibe ohne Not Belastungen auf allzu lange Zeit fest. Damit würden Tausende von Anwohnern des Flughafens in ihrer Gesundheit geschädigt.
Unabhängig davon, ob der Flughafen durch den nächtlichen Flugbetrieb einen wirtschaftlichen Vorteil hat oder - wie in früheren Verlautbarungen der Flughafengesellschaft erklärt wurde - der nächtliche Betrieb wegen der hohen Vorhaltekosten ein Zuschussgeschäft ist, steht jedoch fest, dass z. B. Air Berlin als Charterfluganbieter (jetzt auch mit Flugzeugen von TUI-fly) von Hannover aus durch den auf lange Sicht genehmigten Nachtbetrieb einen dritten Umlauf in der Mittelstreckendistanz fliegen kann und damit in Hannover einen wirtschaftlichen Vorteil genießt, der in den mit Nachtflugeinschränkungen belegten Nachbarflughäfen nicht realisierbar wäre.
Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Bekanntmachung vom 31. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2550) legt in seinem § 4 Abs. 4 Satz 1 der Landesregierung auf, auch für den Verkehrsflughafen Hannover bis Ende des Jahres 2009 Lärmschutzbereiche auf der Grundlage der im Gesetz angegebenen Werte festzusetzen. Diese Festsetzung ist zu veröffentlichen und soll vom Fluglärm betroffenen Anwohnern die Möglichkeit eröffnen, ihre Rechtsansprüche auf eine eventuelle Entschädigung geltend zu machen. Dieser gesetzlichen Pflicht ist die Landesregierung bis heute nicht nachgekommen. Dies führt u. a. dazu, dass die neu für die Festlegung von passiven Lärmschutzmaßnahmen zuständigen Kommunen ihrer Aufgabe nicht nachkommen können und Anwohner dort weiter mehr Lärm als gesetzlich zulässig ohne Entschädigung ertragen müssen.
Ich frage die Landesregierung:
- Teilt die Landesregierung und insbesondere Ministerpräsident Wulff die Einschätzung, dass die inzwischen auf lange Zeit fortgeschriebene Nachtfluggenehmigung in Langehagen Fluggesellschaften wie Air Berlin erhebliche wirtschaftliche Vorteile bietet?
- Wie sind der zuständige Minister und der Ministerpräsident in die Gestaltung der neuen Nachtfluggenehmigung eingebunden gewesen, und welchen Einfluss haben der Minister und Ministerpräsident Wulff auf die Gestaltung der neuen Nachtfluggenehmigung genommen?
- Warum und wie lange noch verzögert sich die nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm für den Flughafen Hannover bis Ende 2009 vom Land zu erstellende Festlegung von Lärmschutzbereichen?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Am 26.10.2009 hat das Niedersächsische Ministerium für Wirt-schaft, Arbeit und Verkehr (MW) die Genehmigung der Anlage und des Betriebs des Flughafens Hannover-Langenhagen befristet teilweise widerrufen und den Teil II der Genehmigung neu gefasst. Dieser Teil II, die sog. Nachtflugregelung, bestimmt die Betriebszeiten und örtlichen Flugbeschränkungen. Die Nachtflugregelung ist das Ergebnis einer rein rechtlichen Entscheidung der Genehmigungsbehörde. Mit dieser Entscheidung wird kein (Nachtflug)verkehr erstmals zugelassen. Vielmehr werden bestehende Rechte des Flughafenbetreibers aber auch der Fluggesellschaften eingeschränkt. Anders als bei der bis zum 31.12.2009 geltenden Nachtflugregelung richtet sich die Entscheidung, ob ein Luftfahrzeug nachts starten und/oder landen darf, nach den im luftfahrzeugspezifischen Lärmzeugnis ausgewiesenen Lärmwerten. Die bisher pauschale Bewertung aller Versionen eines Luftfahrzeugmusters aufgrund der sog. Bonusliste des Bundesverkehrsministeriums entfällt weitestgehend.
Das MW hat vor der Entscheidung über den Nachtflugbetrieb ein Anhörungsverfahren durchgeführt und sich im Entscheidungsprozess mit den eingegangenen Stellungnahmen auseinandergesetzt. Die Entscheidungsgründe wurden in einem umfangreichen Vermerk dargestellt, der allen im Anhörungsverfahren beteiligten Stellen zur Verfügung gestellt wurde. Darin sind auch die im ersten Absatz dieser Anfrage aufgeführten Kritikpunkte erfasst. Im Ergebnis wären weitergehende Beschränkungen nach den Vorgaben des Luftverkehrsrechts rechtswidrig und vom Flughafenbetreiber erfolgreich beklagbar.
Mit Hilfe eines Fluglärm-Überwachungskonzepts wird - auch in der Zeit bis zur Festsetzung des Lärmschutzbereichs nach dem Fluglärmgesetz - sichergestellt, dass Anwohner keinen Lärmwerten ausgesetzt werden, die als gesundheitsgefährdend anzusehen wären. Diese bereits seit längerem in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt und Klimaschutz durchgeführte Überwachung der tatsächlichen Lärmwerte berücksichtigt bis zur Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Flughafen Hannover-Langenhagen nur den bereits vorhandenen passiven Schallschutz. Im Januar 2010 lagen die gemessenen Werte deutlich unterhalb der kritischen Grenzen. Die Überwachung erfolgt monatlich, so dass MW die Möglichkeit hat, soweit erforderlich zeitnah notwendige Maßnahmen anzuordnen.
Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
Die Tatsache, dass in Hannover unter bestimmten Voraussetzungen nächtliche Flugbewegungen durchgeführt werden dürfen, ist für die Fluggesellschaften unbestritten von wirtschaftlichem Interesse. Mit dem Teilwiderruf der Betriebsgenehmigung des Flughafens Hannover-Langenhagen wurde den Fluggesellschaften aber kein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil eingeräumt. Vielmehr wurde deren Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingeschränkt. Die Bedingungen, unter denen nachts in Hannover gestartet und gelandet werden darf, gelten für alle Fluggesellschaften gleichermaßen.
Zu 2.:
Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr wurde im Verfahren mehrfach vom zuständigen Fachreferat beteiligt. So hat Minister Hirche am 23.12.2008 dem vorgeschlagenen Verfahren und Zeitplan zugestimmt. Minister Dr. Rösler hat am 14.04.2009 die Frei-gabe zur Anhörung erteilt und am 23.10.2009 dem abschließenden Entscheidungsvorschlag des Fachreferats zugestimmt. In allen Fällen wurden die Vorlagen des Fachreferats ohne Änderungen gebilligt.
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat MW am 15.04.2009 auch der Staatskanzlei eine Information über die vorgesehene Nachtflugregelung zugeleitet. Von der im Anschreiben eingeräumten Gelegenheit zur Äußerung wurde kein Gebrauch gemacht. Der Ministerpräsident wurde über die Information zum Anhörungsverfahren nicht in Kenntnis gesetzt.
Zu 3.:
Mit der Novelle des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm im Herbst 2007 übertrug der Bund den jeweiligen Landesregierungen erstmals die Kompetenz zur Festsetzung der Lärmschutzbereiche u. a. für Verkehrsflughäfen. Die hierfür erforderliche Verordnung des Bundes über die Datenerfassung und das Berechnungsverfahren für die Festsetzung von Lärmschutzbereichen (Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm; 1. FlugLSV) trat erst Ende 2008 in Kraft. Erste Berechnungsprogramme zur Festsetzung der Lärmschutzbereiche, die das Umweltbundesamt auf der Grundlage der sog. Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen (AzB) zugelassen hatte, waren ab Mai 2009 verfügbar.
Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim gab unmittelbar nach Vorliegen dieser Programme die komplexen Berechnungs-verfahren für den Verkehrsflughafen Hannover-Langenhagen in Auftrag. Die qualitätsgesicherten Ergebnisse der Berechnungen lagen Ende November 2009 vor.
Parallel zu den Berechnungen hatte das für den Erlass der Ver-ordnung über die Festsetzung eines Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Hannover-Langenhagen zuständige Ministerium für Umwelt und Klimaschutz bereits einen Verordnungstext entworfen. So konnte nach dem Vorliegen der Berechnungser-gebnisse unverzüglich in das Verordnungsgebungsverfahren eingetreten werden, das im günstigsten Fall mindestens vier Monate in Anspruch nimmt. Derzeit befindet sich der Verordnungsentwurf für den Verkehrsflughafen Hannover-Langenhagen im Stadium der sogenannten Rechtsförmlichkeitsprüfung nach § 40 der Ge-meinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO).
Unter Zugrundelegung des üblichen Verfahrensgangs ist mit einer Verkündung der Verordnung in den nächsten Monaten zu rechnen.
Im Verordnungsgebungsverfahren befinden sich derzeit bundesweit neben der Verordnung für den Verkehrsflughafen Hannover-Langenhagen lediglich die das niedersächsische Hoheitsgebiet betreffende Verordnung für den Verkehrsflughafen Bremen sowie die Verordnung für den Verkehrsflughafen Westerland/Sylt (Schleswig-Holstein).
Artikel-Informationen
erstellt am:
18.02.2010
zuletzt aktualisiert am:
19.03.2010