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Unterstützung der Massentierhaltung durch die Landesregierung

Der Abgeordnete Christian Meyer (Grüne) hatte gefragt:

Entgegen den Wünschen derjenigen Verbraucherinnen und Verbraucher, die zunehmend ökologisch und tiergerecht produzierte Lebensmittel und eine entsprechende Positiv- wie Negativkennzeichnung fordern, unterstützt die Landesregierung - so ist der Vorwurf von Beobachtern - seit Jahren den Ausbau der Massentierhaltung.

So hat die Landesregierung der Firma Celler Land Frischgeflügel GmbH eine direkte finanzielle Förderung eines in der Öffentlichkeit umstrittenen Riesenschlachthofs für Geflügel (Kapazität: 135 Millionen Tiere pro Jahr) in Wietze, Landkreis Celle, aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) in Aussicht gestellt (vgl. Drs. 16/2313).

Ein entsprechender Antrag der Firma ist nach Angaben der Landesregierung gestellt und soll noch im ersten Halbjahr 2010 bis zur Bewilligungsreife vorangetrieben werden. Im Förderfall ist das geplante Investitionsvolumen so hoch, dass gemäß dem Erlass des Wirtschaftsministeriums vom 7. Dezember 2009 eine Deckelung des Zuschusses auf maximal 5 Millionen Euro inkrafttreten würde (Drs. 16/2313).

Laut HAZ vom 31. März 2010 („Bode streicht Förderung von Investitionen zusammen“) können Unternehmen in Zukunft jedoch keine einzelbetriebliche Förderung aus Mitteln der GRW mehr in Anspruch nehmen. Die Förderung solle in Zukunft auf Tourismus und Infrastruktur konzentriert werden. Die bislang gestellten entscheidungsreifen Anträge seien laut Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums vom 31. März 2010 vollständig beschieden worden.

Als indirekte Wirtschaftsförderung wurde bereits nach Angaben der Landesregierung für den Ausbau der Infrastruktur für den Schlachthof ein nicht rückzahlbarer Zuschuss an die Gemeinde Wietze von 1 484 700 Euro bewilligt.

Gleichzeitig wird etwa in der Unabhängigen Bauernstimme (Artikel „Die Hähnchenblase“, Ausgabe Juni 2010) Kritik an einer einseitigen Bevorzugung der Aktivitäten der Firma Rothkötter durch die Landesregierung geäußert.

Um den geplanten Schlachthof in Wietze auszulasten, hoffen Investoren auf bis zu 400 neue Ställe mit je ca. 39 000 Tieren in Süd- und Ostniedersachsen. Da diese z. T. in waldreichen Gegenden errichtet werden sollen, dem allerdings bestehende Bestimmungen des BImSchG zum Schutz der Wälder von Schadstoffeinträgen entgegenstehen, hatte die Landesregierung nach Einschätzung von Beobachtern versucht, mit einem Erlass zu sogenannten „fiktiven Wäldern“ vom 17.2010 den (potenziellen) Betreibern von Geflügelmastställen zur Seite zu springen. Da allerdings der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages zum juristischen Urteil gelangt war, dass dieser Erlass rechtswidrig war, da er sowohl dem Landes - als auch Bundesrecht widersprach, hatte Umweltminister Sander in Vertretung der Agrarministerin Grotelüschen in der Sitzung des Niedersächsischen Landtags am 30. April 2010 bekannt gegeben, dass der Erlass am 28. April 2010 aufgehoben worden sei. Allerdings hatte Umweltminister Sander ausdrücklich offengelassen, ob es einen neuen Erlass zur Frage der Waldumwandlung im Kontext von Stallbauten geben wird: „Auf einer Dienstbesprechung wird das ML diesen Fall mit den unteren Naturschutz- und Waldbehörden erörtern.“ (Stenografischer Bericht 71. Sitzung des Niedersächsischen Landtags am 30. April 2010).

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Entscheidung ist über den Antrag des Betreibers des geplanten Schlachthofes in Wietze auf einen Investitionszuschuss gemäß II A GRW Koordinierungsrahmen in Höhe von maximal 5 Millionen Euro erfolgt?
  2. Welche direkten und indirekten Subventionen sind in den letzten 5 Jahren insgesamt an die führenden Hähnchenmastbetriebe Wiesenhof, Stolle und Rothkötter sowie an die Putenbrüterei Ahlhorn, der die Frau Ministerin Grotelüschen bis zu ihrem Amtsantritt angehörte, erfolgt?
  3. Hat die von Umweltminister Sander angekündigte Dienstbesprechung mit den „unteren Naturschutz- und Waldbehörden“ über die Waldumwandlung im Kontext von Stallbauten stattgefunden und, falls ja, mit welchem Ergebnis?

Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Land- und Ernährungswirtschaft prägen Niedersachsen als das „Land der Lebensmittel“. Beide Bereiche bilden zusammen den zweitwichtigsten Wirtschaftszweig in Niedersachsen und den wichtigsten Arbeitgeber im ländlichen Raum. Unter Berücksichtigung auch der vor- und nachgelagerten Branchen ist jeder 5. Arbeitsplatz in Niedersachsen mit der Land- und Ernährungswirtschaft verbunden.

Die niedersächsische Landwirtschaft lag in 2008 mit Verkaufserlösen in Höhe von insgesamt 10,3 Mrd. € im Bundesvergleich vorn. Im Vergleich zu allen anderen Bundesländern kann Niedersachsen dabei mit einer überaus gewichtigen tierischen Erzeugung aufwarten. Während im Bundesgebiet nur etwa 46 % des Produktionswertes auf die Tierproduktion entfallen, sind dies in Niedersachsen rund 55 %.

Der Umsatz des niedersächsischen Ernährungsgewerbes und der Tabakverarbeitung lag 2009 bei knapp 26 Mrd. € und es wurden in rd. 700 Betrieben knapp 67 Tsd. Menschen beschäftigt. Alleine die 180 Betriebe der Schlachtung und Fleischverarbeitung hatten 2009 einen Umsatz von 8,1 Mrd. € und beschäftigten 20.000 Menschen – und stellen damit rd. 1/3 der Gesamtbranche dar. Gerade in ländlichen Räumen ist die vielfach mittelständisch geprägte Ernährungswirtschaft als Arbeitgeber unverzichtbar. Dieser Wirtschaftssektor ist von innovativen und flexiblen kleinen und mittleren sowie mit einigen weltweit führenden Großunternehmen geprägt. Die Ernährungswirtschaft ist hervorragend geeignet, Marktchancen für Produkte außerhalb Niedersachsens auf weltweit wachsenden Märkten zu nutzen. Die Tierhaltung und Fleischverarbeitung spielen dabei eine besondere Rolle. Niedersachsen ist bundesweit der bedeutendste Standort in der Tierhaltung und international erfolgreich beim Export tierischer Lebensmittel.

Es ist daher ein zentrales Anliegen der Landesregierung, die Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft im Einklang mit den Belangen des Natur- und Umweltschutzes sowie konkurrierender Ansprüche an den Raum zu erhalten und auszubauen.

In den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, wie auch im Landkreis Celle tragen Investoren aus der Ernährungswirtschaft in erheblichem Maße zur Stabilisierung von Wachstum und Beschäftigung im ländlichen Raum bei. Die Vorhaben sind beschäftigungsintensiv und erhalten nach den Förderkriterien häufig eine gute Einstufung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Der Antrag der Fa. Celler Land Frischgeflügel GmbH wurde positiv beschieden. Dem Unternehmen soll ein Zuschuss in Höhe von bis zu 5 Mio. Euro aus GRW-Mitteln gewährt werden. Der Zuwendungsbescheid wird in Kürze erteilt, nachdem die Verpflichtungsermächtigungen vom Finanzministerium freigegeben wurden. Die Betriebsstätte in Wietze ist für den Nahbereich von großer arbeitsmarktpolitischer und regionalstruktureller Bedeutung und geeignet, Arbeitsplatzverluste an anderer Stelle der Region abzufedern. Die besonderen strukturpolitischen Effekte wurden von der NBank bestätigt. Grundlage der Förderung ist die Schaffung von 250 Dauerarbeitsplätzen

Zu 2.:
Im Zuständigkeitsbereich des ML sind keine Landesmittel an die vier genannten Betriebe geflossen.

Hinsichtlich der Zahlung von reinen EU-Mitteln liegen ausweislich der (öffentlich zugänglichen) zentralen Datenbank der BLE für den Europäischen Fonds für Landwirtschaft und Fischerei folgende Informationen vor: Die Gebrüder Stolle GmbH & Co. KG hat in den Jahren 2008 und 2009 Marktordnungszahlungen aus dem EGFL in Höhe von 783.018 € bzw. 1.344.773 € erhalten. (Zahlungen dieser Art werden über den Bund abgewickelt. Daher liegen ML hierzu keine genaueren Daten bzgl. der Zweckbestimmung der Mittel vor.)

Herr Werner Stolle erhielt Direktzahlungen (hierunter fällt auch die Betriebsprämie) aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL); in der Summe belaufen sich die Zahlungen der Jahre 2005 bis 2009 auf 5.226 €.

Im Zuständigkeitsbereich des MW sind folgende Förderungen begeben worden:

Wiesenhof

  • Gewährung eines Zuschusses i.H.v. bis zu 2.000.000,- Euro für die Fa. Allfein Feinkost GmbH & Co. KG (Tochterunternehmen der Wiesenhof-Gruppe) durch Zuwendungsbescheid vom 31.08.2009
  • Bestätigung der grundsätzlichen Förderfähigkeit eines weiteren Investitionsvorhabens der Fa. Allfein Feinkost GmbH & Co. KG, für das mit Antrag vom 17.09.2009 eine Förderung beantragt wurde. Entscheidung über die Förderung gem. Haushaltslage sofern bis 15.8.2010 die Bewilligungsreife gegeben ist, evtl. in der geplanten letzten Einplanung im Spätherbst 2010.

Rothkötter

  • siehe die Ausführungen zu Frage 1.
  • Indirekte Wirtschaftsförderung über wirtschaftsnahe Infrastruktur: Vergabe eines Zuschusses i.H.v. bis zu 1.484.700,- Euro an die Gemeinde Wietze durch Bescheid vom 01.02.2010 für das Vorhaben "Verkehrliche Erschließung neuer Gewerbeflächen" und Erweiterung des Gewerbegebiets "Industriestraße" in Wietze.

Unmittelbare Förderungen des Unternehmens Stolle bzw. der Putenbrüterei Ahlhorn sind seit Bestehen der NBank nicht erfolgt

Zu 3.:
Die Dienstbesprechung hat bisher noch nicht stattgefunden, ist aber für die zweite Augusthälfte dieses Jahres vorgesehen.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
10.06.2010

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