Bahnstrecke KBS 112 Lüneburg–Dannenberg
Der Abgeordnete Kurt Herzog (LINKE) hatte gefragt:
Im Juni 2010 wurden an der Bahnstrecke KBS 112 Lüneburg–Dannenberg mit schwerem Gerät breitflächig Büsche, Bäume und der Seitenraumbewuchs auf weiten Strecken beseitigt, wie in der Elbe-Jeetzel-Zeitung am 9. August 2010 berichtet.
Ich frage die Landesregierung:- Wer hat warum die Arbeiten auf welcher rechtlichen Grundlage angeordnet bzw. bei welcher Firma in Auftrag gegeben, und seit wann wussten DB und Eisenbahnbundesamt bzw. zuständige Behörden davon?
- Wurde von den Ausnahmebestimmungen des § 39 Abs. 5 BNatSchG Gebrauch gemacht, von wem und warum und mit welchen Behörden abgestimmt?
- Nach Aussage von mehreren Anwohnern der Bahnstrecke soll der Betreiber der Verkehrssicherungspflicht während des Winterhalbjahres 2009/2010 nachgekommen sein. Wenn diese Arbeiten dort rechtmäßig erledigt wurden, aus welchem Grund wurden dann innerhalb der darauffolgenden Vegetationsperiode erneut in großem Umfang Hecken und Bäume entfernt und mitsamt dem Bodenbewuchs mit schwerem Gerät geschreddert, obwohl letztere Maßnahme nichts mehr mit der Verkehrssicherungspflicht zu tun hatte und einen Verstoß gegen das Naturschutzrecht darstellt?
- Ebenfalls wurde im Bereich des Bahnhofs Hitzacker großflächig Hecken, Bäume und Bodenbewuchs entfernt. Wer war hier der Auftraggeber, wer hat die Maßnahmen angeordnet, wer hat sie auf welcher rechtlichen Basis genehmigt, und wer hat sie durchgeführt?
Für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur ist das jeweilige Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) zuständig. Die Eisenbahnstrecke Lüneburg - Dannenberg gehört zu den Bundesschienenwegen und wird seit der Bahnreform im Jahr 1994 von der Deutsche Bahn AG (DB AG) als privatrechtlich organisiertes Unternehmen betrieben. Zuständiges EIU ist die DB Netz AG.
Zu den Pflichten im laufenden Betrieb zählt die Aufrechterhaltung der Sicherheit auf Grundlage des § 4 Absatz 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) und des § 2 Absatz 1 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) (Sicherheitspflicht) und damit auch die Durchführung von Grünarbeiten. Die Verantwortung der Schnittarbeiten entlang der Strecke trägt allein das EIU, die DB Netz AG, bzw. der Bund als Alleingesellschafter des Unternehmens.
Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Bundesoberbehörde im Bereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist unter anderem zuständig für die Aufsicht über die EIU des Bundes. Diese sind verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur in betriebssicherem Zustand zu halten. Dazu gehört auch die Abwehr von Gefahren für den sicheren Eisenbahnbetrieb, die unter anderem durch die Vegetation hervorgerufen werden können. Stellt das Eisenbahn-Bundesamt bei Kontrollen fest, dass Eisenbahninfrastrukturunternehmen diesen Sicherheitspflichten nicht nachkommen und beispielsweise Vegetation nicht im gebotenen Umfang entfernen, kann es Anweisungen an das zuständige EIU (hier: die DB Netz AG) zur ordnungsgemäßen Unterhaltung der Bahnanlagen erlassen. Dabei hat es auch die seit dem 1. März 2010 unmittelbar geltenden bundesrechtlichen Vorschriften des § 39 BNatSchG zu vollziehen.
Dies vorausgeschickt werden die aufgeworfenen Fragen auf Basis der eingeholten Stellungnahmen des EBA, sowie der unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Lüchow-Dannenberg und Lüneburg namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
Grundsätzlich erteilt die DB Netz AG als für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur zuständiges Unternehmen der DB Fahrwegdienste GmbH (DB FWD GmbH) die Aufträge zum Gehölzrückschnitt. Der Gehölzrückschnitt erfolgt durch eigenes Personal und externe Firmen.
Nach Aussagen der Landkreise Lüchow-Dannenberg und Lüneburg wurden diese im Vorfeld der Gehölzrückschnitt-Maßnahmen seitens der Bahn nicht über die Arbeiten informiert; eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 39 Abs. 5 BNatSchG wurde nicht beantragt. Die Rückschnittarbeiten an der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg im Bereich des Landkreises Lüchow-Dannenberg wurden am 17. und 18.06.2010 durch Bürger bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des Landkreises Lüchow-Dannenberg angezeigt.
Die externe Firma, die im Bereich des Landkreises Lüchow-Dannenberg tätig war, verfügt über Maschinen, die auf das Gleis aufgesetzt werden und von dort aus sowohl mähen, mulchen als auch das Lichtraumprofil schneiden (Ve-Tra-Baum UG, 53881 Euskirchen, Tel: 02251/1288172).
Als rechtliche Grundlage wird für den Gehölzrückschnitt das AEG, § 4 Abs. 1 und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), § 823 (Verkehrssicherungspflicht) angeführt.
Das Eisenbahn-Bundesamt hat keine entsprechenden Arbeiten angeordnet.
Zu 2.:
Aufgrund einer Besprechung zwischen der DB-Fahrwegdienste GmbH und der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Lüchow-Dannenberg am 23.06.2010 entschied die untere Naturschutzbehörde des Landkreises Lüchow-Dannenberg, dass § 39 Abs. 5, Satz 2 Nr. 2 Buchstabe c BNatSchG im vorliegenden Fall einschlägig sei. Diese Auffassung wird vom Landkreis Lüneburg geteilt. Danach gelten die in § 39 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG genannten Verbote nicht für Maßnahmen, die der Gewährleistung der Verkehrssicherheit dienen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Maßnahmen im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können. Eines Verwaltungsaktes in Form einer Befreiung bedarf es in diesem Falle für den Gehölzrückschnitt nicht.
Es gelten verbindliche Vorgaben und Anordnungen des EBA bezüglich Gehölzrückschnitt und Verkehrssicherungsmaßnahmen an Bahnstrecken. Danach ist ein Lichtraumprofil von jeweils 6 m Länge beiderseits der Gleisachse und mindestens 4,50 m Höhe von jeglichem Aufwuchs freizuhalten.
Hierfür ist es erforderlich, auch den jährlichen Zuwachs, der bis zum Sommer entstanden ist, zurückzuschneiden. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. D. h., ca. 85 % des Rückschnitts waren Gräser, Kräuter und jährlicher Gehölzzuwachs. Seitens des EIU (hier: DB Netz AG) wurden bezüglich des nun in Rede stehenden Gehölzrückschnittes geltend gemacht, dass es wegen des kalten und schneereichen letzten Winters und aufgrund des Arbeitsschutzes nicht möglich war, die vorgegebenen Gleisabschnitte rechtzeitig bis zum 01.03. vom Bewuchs zu befreien. Größere Gehölzrückschnitte sind manuell per Motorsäge und Hochentaster im Winter 2009/2010 durchgeführt worden.
Die Landkreise Lüchow-Dannenberg und Lüneburg kommen zu dem Schluss, dass die Arbeiten rechtlich nicht zu beanstanden waren. Um die Zusammenarbeit zwischen der Bahn und den unteren Naturschutzbehörden zu verbessern, wurde ein “Runder Tisch” gegründet, an dem neben Vertretern der Bahn die unteren Naturschutzbehörden der Stadt Celle sowie der Landkreise Celle, Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg teilnehmen. Der “Runde Tisch” hat bisher zweimal getagt. Ziel ist es, ein Unterhaltungskonzept zu erarbeiten, das sowohl die Belange der Verkehrssicherheit als auch die Belange des Naturschutzes, insbesondere des Artenschutzes berücksichtigt.
Die Zusammenarbeit mit der Bahn ist nach Auffassung der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Lüchow-Dannenberg sehr konstruktiv. Der Entwurf des Unterhaltungskonzeptes ist zu begrüßen, wird aber auf Anregung der unteren Naturschutzbehörden noch in einigen Punkten ergänzt.
Zudem wurde im Rahmen einer Besprechung zwischen den unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Lüchow-Dannenberg und Lüneburg sowie u.a. der DB Fahrwegdienste GmbH vereinbart, die Kommunikation zwischen der unteren Naturschutzbehörde und der Deutschen Bahn zu verbessern. Bei künftigen Vegetationsarbeiten seitens der Deutschen Bahn sei die untere Naturschutzbehörde rechtzeitig zu informieren, eventuell seien gemeinsame Vor-Ort- Begehungen abzusprechen. Weiterhin werde die Deutsche Bahn rechtzeitig Kontakt mit der unteren Naturschutzbehörde aufnehmen, wenn die Arbeiten über den im Gesetz festgelegten Zeitraum (30.09 – 28.02), aufgrund von Zeitmangel (z.B. witterungsbedingt wie Winter 2009/2010), hinausgehen.
zu 4.:
Das Entfernen von großflächigen Hecken, Bäumen und Bodenbewuchs im Bereich des Bahnhofs Hitzacker wurde vom Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle Nord, -Außenstelle Hamburg-, Schanzenstr. 80, 20357 Hamburg, in Auftrag gegeben. Den Auftrag hat die Fa. Gebrüder Maahs GmbH, Brückenstr. 19 e, 21527 Kollow, erhalten und auch ausgeführt.
Eine Befreiung zur Durchführung der Maßnahme wurde nicht erteilt bzw. wurde auch nicht beantragt.
Seitens des Landkreises Lüchow-Dannenberg, untere Naturschutzbehörde, wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren sowohl gegen die Fa. Gebrüder Maahs als auch das Bundeseisenbahnvermögen in dieser Angelegenheit eingeleitet. Das Verfahren ist derzeit noch anhängig.
Artikel-Informationen
erstellt am:
11.11.2010