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Bahngipfel und Hafenhinterlandverkehre

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2010 - TOP 29. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP)


Der Abgeordnete Christian Grascha (FDP) hatte gefragt:

Die deutsche Küste ist Handelsdrehscheibe für Deutschland und Europa - ca. 25 % des deutschen Außenhandels laufen über die See- und Binnenhäfen. Zur starken Rolle Deutschlands im Welthandel gehören leistungsfähige Seehäfen. Sie sind wichtiger Bestandteil der deutschen Exportwirtschaft.

Leistungsfähige Hinterlandanbindungen und angemessene seeseitige Zufahrten sind Voraussetzungen dafür, dass die Häfen ihre Aufgaben erfüllen können. Um alle Chancen für Wachstum und Beschäftigung zu nutzen, müssen auch die Verkehrswege bedarfsgerecht ausgebaut und muss ihre Nutzbarkeit optimiert werden. Die Schiene ist hierbei ein wichtiger Verkehrsträger, um die Verkehrsmengen zu bewältigen.

Auf dem Bahngipfel am 1. November standen daher auch die Erhaltung und der Ausbau einer leistungsfähigen Eisenbahninfrastruktur im gesamten nordwestdeutschen Raum im Mittelpunkt.

Bei diesem Treffen brachte Ministerpräsident McAllister insbesondere Zusagen des Bundes zur Sprache, die die Anbindung des JadeWeserPorts über die Eisenbahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven betreffen. Des Weiteren forderte er von der DB mehr Engagement für die MegaHub-Anlage in Lehrte, die ebenfalls wichtige Aufgaben im Hinterlandverkehr übernehmen soll.

Auch die Y-Bahnstrecke war Thema des Bahngipfels. Das Land und die DB AG haben hierzu die Planungsvereinbarung zur Vorfinanzierung von Planungsleistungen für die Y-Strecke über 10 Millionen Euro unterschrieben.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Bislang wurde die Y-Bahnstrecke in erster Linie im Zusammenhang mit dem Personenfernverkehr begründet. Wie kann die Y-Strecke zur Bewältigung des Güterverkehrsaufkommens aus den Häfen beitragen?
  2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung bei der Strecke Oldenburg–Wilhelmshaven bezüglich Sicherstellung der Finanzierung durch den Bund?
  3. Wie ist der Sachstand hinsichtlich Realisierung der MegaHub-Anlage Lehrte bezüglich Finanzierung, Planung und Bau?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Nachdem wir letzte Woche mit Erfolg den Bahngipfel mit der Deutschen Bahn durchgeführt haben, kann ich Ihnen nun im Nachgang berichten, welche Auswirkungen diese Spitzenveranstaltung auf die weitere Entwicklung der Hafenhinterlandverkehre erwarten lässt. Wir haben nicht nur die in den Zeitungen genannten zwei für Niedersachsen wichtigen Verträge unterschrieben, sondern wir haben uns mit Bahnchef Grube und weiteren hochrangigen Vertretern der Deutschen Bahn konstruktiv zum sehr komplexen Thema Hafenhinterland ausgetauscht. Hafenhinterlandanbindung – das ist zum einen die direkte Anbindung der Häfen an die weiteren Infrastrukturnetze. Die wichtigste Anbindung ist hier zurzeit ohne Zweifel die zeitgerechte Fertigstellung der Anbindung des JadeWeserPorts. Hafenhinterlandanbindung ist aber auch die Ertüchtigung der gesamten Infrastruktur, so dass die Verkehre der Häfen auch abfließen können und dass die Mobilität im Personenverkehr und im Güterverkehr erhalten bleibt. Ohne leistungsfähige landseitige Anbindungen können die deutschen Häfen nicht am Erfolg des steigenden Seeverkehrs Teil haben. Hierfür sind dann Projekte wie die Y-Strecke oder der MegaHub in Lehrte wichtig. Aber auch andere Projekte wie z.B. die Einbeziehung weiterer Strecken, und Knotenpunkte waren Gegenstand des Bahngipfels. Zu nennen sind hier die weitere Planung der Heidebahn, der Ausbau der Strecken Hildesheim- Groß Gleidingen und Stelle –Lüneburg. Des Weiteren wurden der Ausbau der Strecken Uelzen – Langwedel und Rotenburg – Verden sowie die Maßnahmenpakete der DB AG „Sofortprogramm Seehafenhinterland“ und „Wachstumsprogramm“ erörtert. Alle diese Projekte sind geeignet zu einer Entlastung von Engpässen beizutragen.

Die DB hat beim Bahngipfel dargelegt, dass sie zwischen 2005 und 2009 rund 1,8 Mrd. € in Infrastrukturmaßnahmen investiert hat. Dabei handelt es sich um die Gesamtinvestitionen in die Infrastruktur einschließlich Erhaltungsmaßnahmen.

Für die Zukunft hat sie angekündigt, allein in dem Zeitraum von 2010 bis 2014 weitere 2,6 Mrd. € für die Verbesserung der Infrastruktur in Niedersachsen aufzuwenden. Hieraus ist zu erkennen, dass die Bahn die Investitionen in Niedersachsen gegenüber den früheren Jahren um etwa ein Drittel steigern wird.

Neben diesen an der Infrastruktur orientierten Themen wurden außerdem auch Themen angesprochen, die vor allem für die Attraktivität des Bahnverkehrs in Niedersachsen wichtig sind. Zu nennen wären hier z. B. der Zustand von Verkehrsstationen und die Verbesserung der Sicherheit. Natürlich aber auch der barrierefrei Zugang zur Bahn und die Anbindung an das Fernverkehrsnetz.

Neben der Attraktivität ist auch eine Akzeptanz des Bahnverkehrs in der Bevölkerung wichtig; aus diesem Grund wurde auch das Thema Lärmschutz angesprochen. Die DB hat beim Bahngipfel hierzu ihre Aktivitäten im Rahmen der Lärmsanierung dargestellt. Wir begrüßen diese Maßnahmen, die vor allem dort ansetzen, wo viel Lärm und eine dichte Bevölkerung zusammen kommen. Darüber hinaus gab die Bahn einen Ausblick auf laufende Forschungsprojekte. Für uns in Niedersachsen liegt die Lösung des Problems in erster Linie in der Lärmvermeidung. Wie beim von uns im September dieses Jahres veranstalteten Seminar zum Thema Schienenlärm deutlich geworden ist, liegt der Schlüssel zu einem leiseren Schienenverkehr in der Gestaltung der Güterwagen. Wir wollen nicht warten, bis alle alten Güterwagen ausgemustert sind und nur noch neue Güterwagen unterwegs sind, die die strengen EU-weiten Lärmauflagen erfüllen. Nein, wir unterstützen auch eine möglichst rasche Umrüstung der bestehenden Güterwagenflotte. Hierfür setzen wir uns für lärmabhängige Trassenpreise im Bundesrat ein und forcieren mit eigenen Forschungsprojekten die Entwicklung und Zulassung einer leisen Bremssohle für den Güterverkehr.

Der Bahngipfel hat gezeigt, dass sich die Position der DB im Hinblick auf einen Zusammenhang von Lärm und Trassenpreis auf unsere Ansicht zu bewegt.

Sie sehen also, die Veranstaltung hat zu Recht den Namen Bahngipfel getragen- alle wichtigen Bahnthemen für unser Land wurden erörtert.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu 1.:
Gelegentlich wird behauptet, die Y-Bahnstrecke wäre ursprünglich nur für den schnellen Personenverkehr geplant gewesen. Diese Behauptung ist falsch. Im Bundesverkehrswegeplan beruhen alle Berechnungen für das Y auf einer Nutzung beider Verkehrsarten, also Personenverkehr und Güterverkehr. Das Betriebsprogramm, welches die Deutsche Bahn für das Raumordnungsverfahren aufgestellt hatte, sieht täglich 110 Güterzüge und 104 Personenzüge vor. Allerdings war zu Beginn der Überlegungen für die Y-Trasse die Entwicklung der Häfen so noch nicht absehbar. Heute wissen wir, dass das Funktionieren der Hinterlandanbindung ein absolut wichtiges Kriterium für den Erfolg der deutschen Häfen ist. Die Y-Strecke ist prädestiniert dafür, diese neue Aufgabe mit zu bewältigen. Wir sind froh, dass mit dem ursprünglichen Konzept der Y-Strecke ein für den Hafenhinterlandverkehr nützliches Projekt abgeleitet werden kann.

Wir haben ein abgeschlossenes Raumordnungsverfahren, der Bund hat bereits letztes Jahr mit der Finanzierung der Planung begonnen und das Land Niedersachsen unterstützt die Planungsphase mit der beim Bahngipfel abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung.

Allen Unkenrufen und Zweiflern, die nicht an den Realisierungswillen des Bundes geglaubt haben, kann ich mitteilen, dass die jüngsten Berechnungsergebnisse des Bundes mit 5,2 ein eindeutig positives Nutzenkostenverhältnis für das Y ausweisen. Dies ist ein hervorragender Wert. Gleichzeitig geht der Bund in seinen Planungen von einer Durchbindung bis Lehrte aus. Somit können wir auf das Erreichte mit Recht stolz sein.

Um das Projekt zu beschleunigen, beteiligen wir uns an der Finanzierung und das aus guten Gründen, weil wir nämlich so Einfluss auf die Planungen beim Y nehmen können. Während wir positive Signale für eine Beteiligung aus Hamburg haben, aber Hamburg bei der haushaltsrechtlichen Absicherung zaudert, hat Bremen einer Mitfinanzierung bisher eine klare Absage erteilt. Dafür habe ich kein Verständnis, da beide Länder ja von der Strecke profitieren. Ich habe daher meine Kollegen in Hamburg und Bremen nach dem Bahngipfel noch mal angeschrieben und sie aufgefordert, sich ebenfalls finanziell zu beteiligen.

Es bleibt die Frage, wie die Hafenhinterlandverkehre von der Y-Strecke aufgenommen werden können. Eine flexiblere Nutzung der Y- Strecke für den Güterverkehr ist möglich, wenn ausreichend Überholmöglichkeiten geschaffen werden. Das heißt, es müssen mehr sogenannte Überholbahnhöfe entlang der Y-Strecke geplant und gebaut werden. Wir haben jetzt die Möglichkeit, das Y so zu planen, dass der Hinterlandverkehr bewältigt werden kann. Ohne Y müsste alles auf den bereits heute ausgelasteten oder gar schon überlasteten Strecken verkehren. Dies bedeutet nach den Berechnungen der Bahn, dass ohne das Y z.B. 60 Züge pro Tag mehr zwischen Hannover und Hamburg verkehren.

Zu 2.:
Der JadeWeserPort wird bekannterweise seinen Betrieb planmäßig im August 2012 aufnehmen. Niedersachsen hat das Interesse, dass zeitgleich eine leistungsfähige Schienenanbindung genutzt werden kann.

Die Baustufe I – Beseitigung von Langsamfahrstellen – ist längst abgeschlossen. Baustufe II, nämlich

der unmittelbare Hafenanschluss bis zur DB-Strecke, ist zurzeit in Bau. In intensiver Planung befindet sich die Baustufe III:

Der Baubeginn für den zweigleisigen Ausbau ist für August nächsten Jahres geplant. Fertigstellung soll Ende 2012 sein. Für die Elektrifizierung ist die Fertigstellung für Ende 2016 vorgesehen.

Leider haben wir für diese Baustufe noch keine gesicherte Finanzierung durch den Bund. Dass wir das nicht hinnehmen werden, ist völlig klar: Für uns darf es keine Verzögerungen bei dem Projekt geben, da eine spätere Erweiterung von einem auf zwei Gleise zu tagelangen Vollsperrungen der Strecke führen würde. Außerdem würde sich die Bauzeit erheblich verlängern.

Gemeinsam mit der Deutschen Bahn haben wir deshalb beim Bahngipfel nach Lösungsmöglichkeiten gesucht. Möglich ist z.B. der Abschluss einer Teilfinanzierungsvereinbarung nur über die Herstellung der Zweigleisigkeit. Die Kosten hierfür belaufen sich auf rund 150 bis 180 Mio. €. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir stets auf den erforderlichen Lärmschutz achten und in unsere Forderungen einbeziehen. Die Summe von 150 bis 180 Mio. € enthält daher auch entsprechende Schallschutzmaßnahmen.

Die Landesregierung erwartet vom Bund, dass er zu seinen bisherigen Zusagen steht und die Finanzierung der Strecke zeitgerecht sicher stellt. Wir räumen dieser Anbindung höchste Priorität ein. Der Bahngipfel war durch dieses Thema geprägt und ich kann Ihnen versprechen: Wir werden nicht locker lassen.

Zu 3.:
Auch bei der MegaHub-Anlage in Lehrte liegen die Anfänge – ähnlich wie bei der Y-Strecke – soweit zurück, dass das Thema Hinterlandverkehr damals noch nicht absehbar war. Ursprünglich sollte diese hochmoderne Umschlaganlage dem Kombinierten Verkehr im Binnenland dienen und so die Verlagerung von der Straße auf die Schiene fördern. Mittlerweile ist klar, dass aufgrund seiner Lage und Gestaltung der MegaHub Lehrte hervorragend für die Aufgaben des Hafenhinterlandverkehrs geeignet ist. Die Container auf den Zügen aus den Häfen können mit der geplanten Schiene-Schiene-Umschlaganlage abseits der Häfen schnell umgeladen werden. Angesichts dieser Randbedingungen stellt sich in der Tat die Frage, wo wir hinsichtlich Realisierung heute stehen und warum der MegaHub in Lehrte nicht längst in Betrieb ist. Dieses Thema ist von der Landesregierung beim Bahngipfel kritisch angesprochen worden. Ich geben Ihnen nun den aktuellen Stand wieder: Nun ist die MegaHub-Anlage in Lehrte schon seit langer Zeit ein Projekt des Vordringlichen Bedarfs im Bundesverkehrswegeplan und

wurde in den "Investitionsrahmenplan für den Ausbau der Schienenwege des Bundes“ im Jahr 2006 aufgenommen. Der rechtskräftige Planfeststellungsbeschluss liegt seit Mitte 2005 vor. Somit haben wir Baurecht! Die bisherigen Planungen der DB AG sahen einen Baubeginn für Mitte 2010 vor, die Inbetriebnahme sollte unter optimalen Voraussetzungen im Jahr 2012 erfolgen. Obwohl alle Voraussetzungen für den Baubeginn gegeben sind, ist die Finanzierung seitens des Bundes zurzeit jedoch nicht gesichert. Es mehrten sich sogar die Hinweise, dass dieses Projekt von Bundesseite her komplett in der Versenkung verschwinden könnte. Das Land und die Bahn waren sich beim Bahngipfel einig, diese Entwicklung nicht hinzunehmen. Gemeinsam suchen wir derzeit nach Ansätzen, das vorhandene Baurecht zu nutzen und nicht verfallen zu lassen. Auch hier werden Teilfinanzierungen und auch andere Finanzierungsmodelle geprüft.

Die Bahn erfüllt in Niedersachsen wichtige Aufgaben, um Mobilität, Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Der Bahngipfel war eine hervorragende Möglichkeit, alle dringenden Angelegenheiten auf höchster Ebene zu besprechen und voran zu bringen. So konnten wir z.B. bei der Infrastruktur so einiges bewegen. Diesen Dialog werden wir gerne fortsetzen.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
11.11.2010

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