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Niedersächsische amtliche Beherbergungsstatistik

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2010 - TOP 29. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Sabine Tippelt, Gerd Will, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Wolfgang Jüttner, Jürgen Krogmann , u. a. (SPD)


Die Abgeordneten Sabine Tippelt, Gerd Will, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Wolfgang Jüttner, Jürgen Krogmann, Olaf Lies, Ronald Schminke, Klaus Schneck und Petra Tiemann (SPD) hatten gefragt:

Die amtliche Beherbergungsstatistik dient einerseits der Erfassung der Gäste und Übernachtungen im niedersächsischen Beherbergungswesen, andererseits liefert sie wichtige Indikatoren und Entscheidungshilfen für tourismuspolitische Entscheidungen des Landes Niedersachsen. Nun ist bekannt geworden, dass die amtliche Beherbergungsstatistik einer deutlichen zeitlichen Verzerrung unterliegt und somit die statistische Erhebung nicht die realen Entwicklungen im Beherbergungswesen erfasst. Grund hierfür ist § 6 des Beherbergungsstatistikgesetzes (BeherbStatG), das Inhaber bzw. Leiter eines Beherbergungsbetriebes mit über acht Betten zwar einer Auskunftspflicht über ihre Gäste- und Übernachtungszahlen unterwirft, eine erstmalige Registrierung eines solchen Betriebes beim Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) jedoch rechtlich nicht verbürgt ist.

Nach eigener Auskunft des LSKN wird ein Großteil der Ressourcen für die Erstellung der amtlichen Beherbergungsstatistik dazu verwendet, neue Betriebe und Einrichtungen durch zeitaufwendige manuelle Recherche auszumachen. Erst auf Anfrage des LSKN wird die in § 6 BeherbStatG festgeschriebene Auskunftspflicht für Beherbergungsstätten wirksam. Folglich ist nicht sichergestellt, dass aktuelle Entwicklungen im Fremdenverkehrsaufkommen auch tatsächlich in die Statistik einfließen.

Problematisch ist die amtliche Beherbergungsstatistik zudem, da sie Betriebe mit unter neun Betten unberücksichtigt lässt, obwohl diese in manchen Regionen den Großteil der Gästeübernachtungen übernehmen. Dieser statistische Blindfleck führt möglicherweise zu einer unbegründeten Benachteiligung der genannten Regionen für tourismuspolitische Entscheidungen des Landes.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie ist die Einschätzung der Landesregierung zu dem oben beschriebenen Sachverhalt?
  2. Welche Maßnahmen und Instrumente sind seitens der Landesregierung vorgesehen, um diesen statistischen Verzerrungen und den damit einhergehenden Konsequenzen konstruktiv zu begegnen, und plant sie über die Beteiligung im Bundesrat, die bald anstehende Änderung des Beherbergungsstatistikgesetzes problemlösend zu beeinflussen?
  3. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass Regionen mit einer hohen Konzentration an Beherbergungsstätten mit weniger als neun Betten bei tourismuspolitischen Entscheidungen des Landes nicht systematisch benachteiligt werden, und um welche Regionen handelt es sich hierbei aus Sicht der Landesregierung?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Gem. § 3 i.V.m § 6 Beherbergungsstatistikgesetz müssen gewerbliche Beherbergungsbetriebe mit mehr als 8 Betten zur monatlichen Beherbergungsstatistik berichten. Erhebungsmerkmale sind u.a die Zahl der Ankünfte und Übernachtungen von Gästen, Zahl der angebotenen Gästebetten oder bei Campingplätzen Stellplätzen und Zahl der Gästezimmer. Die Zahl der Gästezimmer ist einmal jährlich zum Stichtag 31. Juli für das Beherbergungsgewerbe zu erheben, die übrigen Merkmale monatlich. Bis zum 15. des auf den Berichtsmonat folgenden Monats haben die berichtspflichtigen Betriebe ihre Daten an den LSKN zu melden. Dies kann per Post, Fax oder via Internet (IDEV, eSTATISITK.core) geschehen. Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig ist der Inhaber, die Inhaberin, der Leiter oder die Leiterin des Beherbergungsbetriebs.

Zweck der amtlichen Beherbergungsstatistik ist die kurzfristige Information über die konjunkturelle Entwicklung im Beherbergungsgewerbe. Zusätzlich liefert die Erhebung Informationen über Strukturen des Inlandstourismus. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für tourismuspolitische Entscheidungen, für infrastrukturelle Planungen sowie für Maßnahmen der Tourismuswerbung und der Marktforschung.

Die bereits vorliegenden betrieblichen Datenbanken wie z.B. Gewerbeanzeigenstatistik, dem Unternehmensregister, den Verwaltungsdaten der Bundesagentur für Arbeit oder der Steuerverwaltung lassen keine zweifelsfreien Ableitungen für eine Berichtspflicht zu. Insbesondere die Anzahl der Betten von Beherbergungsbetrieben ist in keinem Datenmaterial enthalten.

Da kein eigenes Verwaltungsregister für Beherbergungsbetriebe besteht, bedarf es zur Gewährleistung und ständigen Verbesserung der Datenqualität sowie der regelmäßigen Aktualisierung des Berichtskreises einer erheblichen Recherchearbeit des LSKN, um diejenigen Betriebe zu ermitteln, die die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Berichtskreis der Beherbergungsstatistik erfüllen und um den Berichtskreis regelmäßig zu aktualisieren.

Daher werden insbesondere die Gemeinden und Tourismusverbände regelmäßig vom LSKN angeschrieben und um Angaben zum aktuellen Bestand an Beherbergungsbetrieben gebeten. Weiterhin lässt sich der LSKN Gastgeberverzeichnisse u. ä. übersenden. Zusätzlich recherchiert der LSKN in den Print-Medien und im Internet mögliche Beherbergungsbetriebe, die mehr als acht Betten haben könnten.

So kann es vorkommen, dass ein neuer Beherbergungsbetrieb mit zeitlicher Verzögerung in den Berichtskreis der Beherbergungsstatistik aufgenommen wird. Da sich die Auskunftspflicht bei erstmaliger Heranziehung eines Beherbergungsbetriebs auch auf abgelaufene Berichtszeiträume des Kalenderjahres und des Vorjahres erstreckt, ist sichergestellt, dass es in den endgültigen Ergebnissen nicht zu Unterzeichnungen der Übernachtungszahlen kommt. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass das zweite Mittelstandsentlastungsgesetz vom 14. September 2007 vorsieht, dass Existenzgründer unter bestimmten Bedingungen bis zu drei Jahre nach der Existenzgründung von statistischen Berichtspflichten, auch betreffend die Beherbergungsstatistik, befreit sind.

Dies voraus geschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Der Landesregierung ist bekannt, dass der oben beschriebene zusätzliche Recherche-, Prüf- und Erhebungsaufwand seitens des LSKN zu einer tatsächlichen zeitlichen Verzögerung zwischen Zulieferung, Plausibilitätsprüfung und Veröffentlichung von ca. 2 Monaten führt.

Versuche des LSKN die Meldemoral der meldepflichtigen Betriebe und die Qualität der eingehenden Berichte zu verbessern, hat es auf verschiedenen Ebenen mehrfach gegeben. Letztmalig 2007 wurden seitens LSKN sämtliche Städte, Gemeinden und Samtgemeinden angeschrieben und um Unterstützung bei der Verbesserung der Aktualität und Vollständigkeit der monatlichen Beherbergungsstatistik gebeten.

Im Sommer diesen Jahres wurde auf Betreiben der Landesregierung in den Fachzeitschriften des DEHOGA und sämtlicher Industrie- und Handelskammern nochmals auf die Wichtigkeit der Meldung nach dem Beherbergungsstatistikgesetz hingewiesen und die Vereinfachungen in Bezug auf die elektronischen Übermittlungsmöglichkeiten via Internet verdeutlicht. Bedauerlicherweise machen erst relativ wenige Betriebe davon Gebrauch. Insbesondere die elektronische Übermittlung der Daten würde das Verfahren für die Berichtspflichtigen zeitlich erheblich beschleunigen können.

Zu 2.:
Von einer aktuell anstehenden Änderung des Beherbergungsstatistikgesetzes ist bislang nichts bekannt.

Allerdings gibt es im Sinne der internationalen Vergleichbarkeit von Tourismusstatistiken auf europäischer Ebene Bestrebungen, einheitliche bzw. harmonisierte „Richtlinien" zur Methodik zu erarbeiten. Hierzu hat die Europäische Kommission den bestehenden Rechtsrahmen für eine Verordnung über die Europäische Tourismusstatistik novelliert und optimiert. Der Verordnungsvorschlag sieht u.a. vor, die Abschneidegrenze auf 10 Betten in Beherbergungsstätten zu erhöhen. Bisher liegt die nationale Abschneidegrenze bei 9 Betten.

Nach der neuen EU-Verordnung soll monatlich in allen Betrieben der Hotellerie mit 25 oder mehr Zimmern die Nettozimmerauslastung erhoben werden. Auf der Grundlage der Datenbasis Juli 2009 würden 869 Betriebe der Hotellerie in Niedersachsen zu diesem Merkmal berichten müssen (26,4 % aller Hotelbetriebe).

Die Verordnung sieht weiterhin die Übermittlung der Übernachtungszahlen der Betriebe vor, die außerhalb des Erfassungsbereiches, also unterhalb der Abschneidegrenze von 9 Betten liegen. Für das erste Bezugsjahr soll im Einvernehmen mit den Fachreferenten eine grobe Schätzung der Übernachtungen durch das Statistische Bundesamt für ein nationales Ergebnis erfolgen. Danach soll geprüft werden, ob Ressourcen für eine Studie zur Verfügung stehen, um die Übernachtungen dieser Kleinbeherbergungsstätten auch bis auf Ebene der Bundesländer schätzen und fortschreiben zu können. Es sollen keine zusätzlichen Befragungsbelastungen entstehen.

Auf Ebene der statistischen Ämter des Bundes und der Länder wurden die Änderungen befürwortet. Der EU-Verordnungsvorschlag wurde in der Sitzung am 07.05.2010 begrüßt und mit zwei Ergänzungswünschen beschlossen. Derzeit befindet sich die EU-Verordnung in der Beschlussfassung und soll am 23.11.2010 im Plenum abgestimmt werden. Insofern könnte sich aus der Änderung der Rechtslage auf EU-Ebene auch ein Änderungsbedarf für das deutsche Beherbergungsstatistikgesetz ergeben.

Zu 3.:
Ständiger Kritikpunkt an der Beherbergungsstatistik ist bereits seit Jahren u.a. deren Aussagekraft für die Bewertung des Wirtschaftsfaktors Tourismus. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie und bundesweiter Entbürokratisierungsbemühungen war es bislang nicht möglich und auch politisch nicht erwünscht, das Beherbergungsstatistikgesetz in dem Sinne anzupassen, den Erhebungstatbestand auf alle Beherbergungsbetriebe ab einem Bett auszudehnen.

In einigen Reisegebieten in Niedersachsen spielt insbesondere der sog. „Graue Beherbergungsmarkt“ eine große Rolle. Hierunter versteht man alle nicht in den amtlichen Statistiken registrierte Übernachtungen. Darunter fallen:

  • Übernachtungen in Privatquartieren mit weniger als neun Betten
  • Besuche in den Privatwohnungen der Einwohner Niedersachsens, auch als „Sofatourismus“ oder Bekannten/Verwandtenbesuche bezeichnet
  • Aufenthalte auf den Dauerstandplätzen der Campingplätze und
  • Frequentierung von Freizeitwohnungen durch Eigentümer oder Mieter.

Detailanalysen z.B. des dwif aus den Jahren 2004 – 2007 haben gezeigt, dass der Graue Beherbergungsmarkt weit größere Dimensionen annimmt, als die amtlicherseits registrierten Übernachtungen. Eine Erhebung in Niedersachsen in den o.a. Jahren hat ergeben, dass die vier oben beschriebenen Übernachtungssegmente des Grauen Marktes zusammen mehr als dreimal so viele Übernachtungen wie die gewerblichen Beherbergungsstätten generieren.

Eine vom Land Niedersachsen in 2009 beauftragte Studie von Deloitte ergab, dass von den rund 132 Mio. Übernachtungen in Niedersachsen in 2008 ca. 70,1 % (92,55 Mio.) auf den grauen Beherbergungsmarkt entfallen.

Diese Übernachtungen sind, wie oben beschrieben, nicht in der amtlichen Statistik erfasst. Die tatsächliche Wirtschaftskraft des Tourismus wird dadurch nicht vollständig dargestellt. Die vielerorts geäußerte Kritik ist insofern berechtigt.

Diese Feststellungen treffen allerdings für sämtliche niedersächsische Reisegebiete zu, allen voran die Spitzenreiter im Grauen Beherbergungsmarkt Nordsee und Lüneburger Heide. Eine systematische Benachteiligung bestimmter Regionen liegt daher aus Sicht der Landesregierung nicht vor.

Der Abbau bürokratischer Hemmnisse ist zentrales Ziel der Landesregierung. Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen klagen immer wieder über eine starke Belastung durch die Erfüllung statistischer Berichtspflichten. Beim Abbau von Berichtspflichten gilt es daher die Balance im Verhältnis zwischen Informationsnutzen von Statistiken einerseits und Auskunftsbelastung andererseits zu halten.

Diese Balance ist mit der Regelung, dass Betriebe und Betriebsteile, die nach Einrichtung und Zweckbestimmung dazu dienen, nicht mehr als acht Gäste gleichzeitig vorübergehend zu beherbergen, von der Auskunftspflicht zur Beherbergungsstatistik befreit sind, gewahrt. Denn die Regelung trägt zu einer erheblichen Entlastung der Inhaberinnen und Inhaber sowie Leiterinnen und Leiter der kleinen Beherbergungsstätten und damit zum Bürokratieabbau bei.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
11.11.2010

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