Städte- und Kulturtourismus ist ein wirtschaftliches Zugpferd für Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.02.2011 - TOP 28. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Axel Miesner und Jörg Hillmer (CDU)
Die Abgeordneten Axel Miesner und Jörg Hillmer (CDU) hatten gefragt:
Der Städte- und Kulturtourismus nimmt in Niedersachsen einen immer höheren Stellenwert ein. Niedersachsen ist ein beliebtes Kulturreiseland.
Kultur in der Stadt und auf dem Land bietet ein vielseitiges Angebot für die Besucher. Ausstellungen, Konzerte, Theater, Denkmäler, Museen und Schlösser sind Ziele in Niedersachen, die Sinn stiften, zum Innehalten und zum Verweilen einladen. Genannt seien in diesem Zusammenhang auch die Niedersächsische Mühlenstraße, die Deutsche Fachwerkstraße und die Orgellandschaft zwischen Elbe und Weser.
Wir fragen die Landesregierung:
- Welche Entwicklung hat der Städte- und Kulturtourismus in Niedersachsen seit 2003 genommen?
- Welche Maßnahmen wurden seitens der Landesregierung zur Stärkung dieses Sektors seit 2003 unterstützt und initiiert?
- Welche Bedeutung hat der Städte- und Kulturtourismus für die aus anderen Bundesländern bzw. aus dem Ausland nach Niedersachsen reisenden Touristen, und was bedeutet das für Marketing und Vertrieb auf regionaler und Landesebene?
Nach den Ergebnissen des Sparkassen-Tourismusbarometers Deutschland 2008 haben die Deutschen Städte im Zeitraum von 2003 bis 2007 Steigerungen bei den Übernachtungszahlen registrieren können. Besonders deutlich war diese Entwicklung bei der Spitzengruppe der Städte nachweisbar, zu der auch Hannover gehört. Aber auch kleinere Städte haben sich besser entwickelt als die bundesweiten touristischen Durchschnittswerte.
Der Kulturtourismus lässt sich als eigenständige Urlaubsart kaum abbilden. Nur rund 1,5 - 2 % der Deutschen bezeichnen ihren Urlaub als Kultur-Reise. Kultur ist somit eher selten das alleinige Urlaubsmotiv. Kulturelle Angebote sind jedoch sehr häufig ein fester Bestandteil von Urlaubsreisen. So besucht rund die Hälfte der Niedersachsenreisenden historische Gebäude und Kirchen. 32% der Gäste besuchen Museen und Ausstellungen (FUR Reiseanalyse 2003). Als kulturelle Zentren bieten somit insbesondere die Städte ein breites Angebot für kulturinteressierte Reisende.
Aber auch die ländlichen Räume dürfen als Tourismusregion bei der Thematik Städte- und Kulturtourismus nicht vernachlässigt werden, denn Kultur findet nicht allein in den Städten statt. Mit ihrem vielfältigen Angebot bieten die ländlichen Räume Erholungs- und Kultursuchenden gleichwertige Ausflugsziele. Gerade hier haben Künstler, Bauherren und Architekten aber auch Handel und Gewerbe bleibende Zeitzeugen einer bedeutsamen Kultur hinterlassen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Der positive Verlauf des Städte- und Kulturtourismus in Niedersachsen für den Zeitraum seit 2003 lässt sich gut über die Entwicklung der 20 beispielhaft ausgewählten niedersächsischen Städte (Hannover, Goslar, Braunschweig, Wolfsburg, Göttingen, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück, Wilhelmshaven, Lingen (Ems), Papenburg, Celle, Hildesheim, Stade, Hameln, Hann.Münden, Verden (Aller), Emden, Gifhorn, Wolfenbüttel) abbilden:
Tabelle 1 Entwicklung der 20 ausgewählten Städte in Niedersachsen 2003-2009
Ankünfte |
Übernachtungen |
|||||||
Insgesamt |
VÄR zum Vorjahr |
Ausländer |
VÄR zum Vorjahr |
Insgesamt |
VÄR zum Vorjahr |
Ausländer |
VÄR zum Vorjahr |
|
2003 |
2.688.370 |
425.235 |
5.248.135 |
910.349 |
||||
2004 |
2.742.469 |
2,0% |
423.145 |
- 0,5% |
5.240.698 |
- 0,1% |
889.819 |
- 2,3% |
2005 |
2.841.436 |
3,6% |
466.984 |
10,4% |
5.469.371 |
4,4% |
1.014.456 |
14,0% |
2006 |
2.971.623 |
4,6% |
498.790 |
6,8% |
5.749.173 |
5,1% |
1.077.305 |
6,2% |
2007 |
3.099.178 |
4,3% |
498.074 |
- 0,1% |
6.028.602 |
4,9% |
1.102.109 |
2,3% |
2008 |
3.245.547 |
4,7% |
511.528 |
2,7% |
6.380.703 |
5,8% |
1.124.507 |
2,0% |
20091 |
3.272.752 |
0,8% |
469.418 |
- 8,3% |
6.382.043 |
0,0% |
1.020.688 |
- 9,3% |
1 2009 mit Sondereffekt der Finanz- und Wirtschaftskrise, die insbesondere den Städtetourismus in Deutschland stark beeinflusst hat; für 2010 zeichnet sich jedoch eine mehr als deutliche Erholung ab.
Für den Bereich der ländlichen Räume liegen verlässliche Zahlen zu Besuchern aus dem In- und Ausland wegen der zahlreichen Klein- und Kleinstanbieter nicht vor. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass auch für die ländlichen Räume der Kulturtourismus eine zusehends größere Bedeutung erlangt.
Zu 2.:
Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft gewährt das Land Niedersachsen Zuwendungen zur Tourismusförderung. Ein Schwerpunkt der Förderung ist dabei der Städte- und Kulturtourismus. Im Rahmen der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der touristischen Entwicklung hat das Land zwischen 2003 und 2007 für rund 50 Projekte mit städte- und/oder kulturtouristischen Bezug mehr als 30 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Über die derzeit geltende Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft wurden seit 2007 bisher rund 30 Projekte mit einem Fördervolumen von mehr als 57 Mio. € unterstützt. Somit konnten seit 2003 insgesamt mehr als 80 Projekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 87 Mio. Euro gefördert werden, die die Vielseitigkeit und Qualität der Angebote Niedersachsens im Bereich Städte- und Kulturtourismus stärken.
Beispiele der laufenden Förderperiode sind u. a.:
- Errichtung eines Besucherzentrums Varusschlacht im Osnabrücker Land
- Süderweiterung des Zoos Osnabrück um die Savannenlandschaft Takamanda
- Erweiterung des Zoos Hannover um die Alaskalandschaft Yukon Bay
- Erweiterungsbau und Attraktivierung des Hubschraubermuseums in Bückeburg
- Kulturnetzwerk Abenteuer Wirklichkeit Ostfriesland
- Duderstadt – Erlebnis-Stationen einer mittelalterlichen Stadt
- Erweiterung der großen Kunstschau in Worpswede
- Neuausrichtung und Umgestaltung der vorhandenen Wrack- und Fischereimuseen als „Windstärke X“
- ZeitOrte – Expedition ins Zeitreiseland
- Schaffung eines Natur- und Kulturzentrums in Westerstede
- Errichtung eines Besucherzentrums mit Dauerausstellung „Grüne Schatztruhe“ in Bad Zwischenahn.
Weitere seitens der Landesregierung unterstützte und initiierte Maßnahmen zur Stärkung des Städte- und Kulturtourismus sind Kampagnen der TourismusMarketing Niedersachsen GmbH (TMN), wie z. B. aktuell „stadtlandschaften – Entdecken, erleben und einkaufen in Niedersachsen“ und „Wann ist Ihr Leibgericht? Kulinarische Zeitreisen durch Niedersachsens Städte“. Eine andere erfolgreiche kulturtouristische Initiative ist das auf drei Jahre angelegte Netzwerkprojekt „PartiTourenNiedersachsen“, das von der TMN umgesetzt wird. Es wird mit Landesmitteln der Niedersächsischen Ministerien für Wissenschaft und Kultur sowie Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) der Europäischen Union gefördert. Ziel ist es, hochwertige musikalische Momente auf innovative und kreative Weise mit dem Erlebnis regionaler Vielfalt in Niedersachsen zu verbinden. Fachliche Unterstützung erhalten die „PartiTouren Niedersachsen“ durch die Geschäftsstelle MusiklandNiedersachsen, die Niedersächsische Sparkassenstiftung und die Stiftung Niedersachsen.
Zur Unterstützung des ländlichen Tourismus werden seitens des Landes Niedersachsen im Programm zur Förderung im ländlichen Raum Niedersachsen und Bremen 2007 bis 2013 (PROFIL) für die gesamte Laufzeit über 7 Mio. EUR allein über die ZILE-Richtlinie zur Verfügung gestellt. Dazu kommen weitere Mittel aus dem Leader-Bereich, über deren Einsatz aber vor Ort entschieden wird. Seit Programmbeginn konnten bisher über 250 Projekte gefördert werden, davon allein über 170 Projekte in den Leader – Regionen. Fördergegenstand waren dabei auch Projekte, die für den Kulturtouristen von Interesse sind, so z. B. insbesondere das Projekt Niedersächsische Mühlenstraße.
Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung vertreten durch Initiative des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung die Deutsche Stiftung Kulturlandschaft bei ihrem Projekt „Kunst fürs Dorf – Dörfer für Kunst“.
Zu 3.:
Die 20 ausgewählten Städte vereinigen rund 30% des statistisch erfassten Gästeaufkommens und ca. 18% des Übernachtungsvolumens in Niedersachsen auf sich (Quelle: LSKN 2003-2010). Insbesondere für ausländische Gäste sind die Städte wichtige Reiseziele, so reisen rund 46% der ausländischen Besucher in eine der 20 ausgewählten Städte. Der Anteil der Städte an den Übernachtungen von Ausländern beträgt 42% (Quelle: LSKN 2003-2010). Im Inlandstourismus, bezogen auf die Urlaubsreisen, stellt sich die Herkunftsstruktur der Gäste wie folgt dar:
Tabelle 2 Herkunft der Urlaubsreisenden nach Niedersachsen (05/06-08/09)
Alle Urlaubs- arten |
Städtereise |
|
Nord (NI, HH, HB, SH) |
34,0% |
33,5% |
NRW |
34,6% |
33,8% |
MITTE (HE, RP, SL) |
10,7% |
10,5% |
OST inkl. Berlin (MV, ST, SN, TH, BE) |
11,2% |
13,9% |
SÜD (BY, BW) |
9,4% |
8,3% |
Quelle: TMN/GfK TravelScope 2005-2010
Für ein effektives Marketing im Städtetourismus empfiehlt das Tourismusbarometer 2010 im Bereich Städtetourismus unter anderem das Eingehen kommunaler Kooperationen, um die Wahrnehmbarkeit und Positionierung im touristischen Wettbewerb zu stärken (Quelle: Sparkassen Tourismusbarometer 2010).Niedersachsen hat diese Anregung bereits umgesetzt. Die TMN hat gemeinsam mit den städtetouristisch aktiven Städten eine Städtekampagne entwickelt und diese im Herbst 2010 gestartet. Im Fokus steht hier die Konzentration auf die Wünsche, Lebenswelten und Werte der für Niedersachsen definierten Zielgruppe der „multioptionalen Städtereisenden“. Mit diesem Ansatz wird das Ziel verfolgt, Niedersachsens Städte und ihr Angebotsspektrum im Segment „Kulinarik & Kultur“ bei der benannten Zielgruppe zu etablieren. Mittelfristig soll eine kontinuierliche Steigerung der Tagesgäste und Übernachtungszahlen bei gleichzeitiger optimaler Ausschöpfung der Wachstumspotentiale erreicht werden.
Artikel-Informationen
erstellt am:
18.02.2011