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Traditionsschifffahrt an Niedersachsens Küste

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.02.2011 - TOP 28. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE)


Der Abgeordnete Ralf Briese (GRÜNE) hatte gefragt:

Die Traditionsschifffahrt nimmt an der niedersächsischen Küste einen wichtigen Stellenwert zur Bewahrung maritimen Kulturgutes und zur Förderung des Tourismus ein. Die Zahl zugelassener Traditionsschiffe nimmt jedoch bundesweit ab, weil immer mehr von einst zugelassenen Fahrzeugen eine erneute Klassifizierung als Traditionsschiff verweigert wird. Da sich in den Zulassungsverfahren seit vielen Jahren formell nichts geändert hat, erfolgt die Praxis der zunehmenden Ablehnungen offenbar innerhalb des Handlungsspielraumes der zuständigen Behörde BG Verkehr, Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft.

Exemplarisch dafür steht der Krabbenkutter „Heike“ aus Ditzum, der vom Verein Ostfriesische Krabbenkutter e. V. unterstützt wird. Der Verein hat als einzige Aufgabe die Erhaltung des Schiffes; die Mitglieder sind Freunde und Förderer der traditionellen Krabbenfischerei. Mit dem Kutter „Heike“ werden beispielsweise Fahrten auf der Ems angeboten, um den Gästen die Natur und die Tradition der Krabbenfischer im Dollart näher zu bringen. Ein anderer Fall ist der Krabbenkutter „Nordstern", der dem Verein zur Förderung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer e. V. in Dorum gehört.

Die GSHW (Gemeinsame Kommission für historische Wasserfahrzeuge e. V.) vergibt seit vielen Jahren die für die Zulassung durch die BG - Verkehr erforderlichen befürwortenden Stellungnahmen für Traditionsschiffe. Sie steht hinter dem Kutter „Heike“ und seinem Betriebskonzept und setzt sich für dessen Zulassung als Traditionsschiff ein, zumal es für dieses spezielle Traditionsschiff wohl keine realistische Alternative für den Betrieb gäbe. Die BG Verkehr jedoch verweigert dem Schiff trotz befürwortender Stellungnahme der GSHW und vorliegender Gutachten plötzlich eine weitere Zulassung, weshalb der Kutter voraussichtlich stillgelegt werden muss.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die „Heike“ in ihrer Eigenschaft als Fischkutter zu einer Gruppe von Fahrzeugen innerhalb der Traditionsschiffe zählt, bei der die BG - Verkehr für ihre Beurteilung offensichtlich wesentlich strengere Kriterien zur ideellen Praxis und den Ansprüchen an die Authentizität des Fahrzeuges stellt, als dies bei vielen andersgearteten Fahrzeugen der Fall ist. Über die Gründe dafür kann bisher nur spekuliert werden.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Was beabsichtigt sie, gegen diese Entwicklung zu unternehmen, damit der Erhalt dieser Traditionsschiffe, die in vielerlei Zusammenhängen mittelbar den Tourismus an der Küste befördern und lokale Strukturen beleben, gewährleistet bleibt?
  2. Traditionsschiffe, die ihre Zulassung verlieren, haben in Deutschland derzeit keine alternativen Zulassungsmöglichkeiten, die ihr weiteres Bestehen realistisch erscheinen lassen. Setzt sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür ein, dass es zur Schließung dieser Gesetzeslücke kommt?
  3. Wie beurteilt die Landesregierung die derzeitige Praxis der BG Verkehr, wonach offensichtlich besonders strenge Maßstäbe für die Kategorie der Fischkutter angelegt werden, und welche Gründe vermutet sie hinter dieser Praxis?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Inwieweit ein Schiff als Traditionsschiff zu bezeichnen ist, richtet sich nach der Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe und wird von der Berufsgenossenschaft Verkehr entschieden.

Traditionsschiffe sind historische Wasserfahrzeuge, deren Betrieb ausschließlich ideellen Zwecken dient und die zur maritimen Traditionspflege, zu sozialen oder vergleichbaren Zwecken als Seeschiffe eingesetzt werden.

Die Traditionsrichtlinie soll die Bewahrung historisch erhaltenswerter Wasserfahrzeuge als „fahrende Zeitzeugen“ ermöglichen. Diesen Schiffen wird deshalb unter bestimmten Voraussetzungen ein Betrieb mit deutlich geringerem Sicherheitsstandard erlaubt, als er für andere Schiffe gefordert wird, die Personen befördern.

In der Vergangenheit wurde auf Grund einer positiven Stellungnahme der Gemeinsamen Kommission für Historische Wasserfahrzeuge (GSHW) vielen Antragstellern, insbesondere denen der GSHW mitgliedschaftlich verbundenen, der Status eines Traditionsschiffes verliehen, gleichgültig, ob das Schiff tatsächlich historischen Wert hat. Diese Praxis hat sich seit ca. 5 Jahren geändert. Im Unterschied zu früher prüft die BG Verkehr heute, ob sie dem Votum der GSHW folgen kann, oder nicht.

Dieses hat dazu geführt, dass vielen Antragstellern die Verlängerung oder Neuausstellung eines Sicherheitszeugnisses, das für den Betrieb als Traditionsschiff erforderlich ist, verweigert wurde, so auch im Fall des Krabbenkutters „Heike“.

Die „Heike“ ist ein typischer Krabbenkutter, wie er in großer Anzahl an der Nordsee in diversen Häfen anzutreffen ist. Fahrzeuge dieser Art sind nach wie vor aktiv in der Krabbenfischerei tätig. Andere Schiffe, die sich im Erscheinungsbild auch nicht wesentlich von der „Heike“ unterscheiden, werden gewerblich zu touristischen Zwecken genutzt.

Gerade letzteres führt besonders deutlich vor Augen, dass die Anerkennung dieses und ähnlicher Schiffe als Traditionsschiffe eine ungerechtfertigte Privilegierung darstellen würde. Denn nicht nur der Schiffstyp, sondern auch die Art des Einsatzes unterscheidet sich durch nichts von dem, was die zu regulären Bedingungen fahrende Konkurrenz mit erheblich höherem Aufwand für die Sicherheit der Fahrgäste anbietet.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Die Landesregierung bedauert, dass in der Vergangenheit zu viele Schiffe von der BG Verkehr als Traditionsschiffe anerkannt wurden, denen jetzt dieser Status wieder genommen wird. Der Eigentümer bzw. der Betreiber dieses Schiffes hat jedoch die Möglichkeit, ein anderes Sicherheitszeugnis zu beantragen, das die Nutzung des Schiffes in der jeweils gewünschten Form ermöglicht. Die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit der Fahrgäste, hat für die Landesregierung jedoch eine höhere Priorität als wirtschaftliche Interessen Einzelner. Sie wird deshalb gegen diese Entwicklung nichts unternehmen, zumal sie auch in den Entscheidungsprozess der BG Verkehr nicht eingreifen kann und darf.

Zu 2.:
Die Eigentümer bzw. Betreiber von Traditionsschiffen, denen das beantragte Sicherheitszeugnis verweigert wird, haben die Möglichkeit gegen die Entscheidung Widerspruch bzw. Klage zu erheben, oder ein anderes Sicherheitszeugnis zu beantragen.

Die Landesregierung sieht in dem Verfahren insofern keine Gesetzeslücke.

Zu 3.:
Im Interesse der Sicherheit der Fahrgäste begrüßt die Landesregierung, dass die BG Verkehr bei der Entscheidungsfindung strengere Maßstäbe anlegt als früher. Dieses ist ihr auf Anfrage auch schriftlich bestätigt worden.

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erstellt am:
18.02.2011

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