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Lohndumping Leiharbeit

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17.03.2011 - TOP 35. Antwort von Arbeitsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Ursula Weisser-Roelle (LINKE)


Die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle (LINKE) hatte gefragt:

Laut einer aktuellen Auswertung des DGB-Bezirks Niedersachsen/Bremen verdienen Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmer in Niedersachsen bis zu 43 % weniger als vergleichbare Festangestellte. Sogar bei Fach- und Hochschulabschluss liegt der Bruttoverdienst von Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmern immer noch durchschnittlich 28 % unter dem, was Festangestellte in vergleichbaren Tätigkeiten verdienen. In Niedersachsen stieg die Zahl der Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmer im Zeitraum von 2003 bis November 2010 von 26 889 auf 74 600. Die Zahl der Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmer hat sich somit fast verdreifacht. Beinahe jede zweite gemeldete offene Arbeitsstelle in vielen Städten Niedersachsens, darunter vor allem Osnabrück, Emden, Delmenhorst, Braunschweig und Oldenburg ist eine Leiharbeitsstelle.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie steht sie zum Vorwurf, dass Leiharbeit in Niedersachsen für Lohndumping missbraucht wird?
  2. Wie erklärt sie sich den massiven Anstieg der Leiharbeit vor dem Hintergrund, dass in Niedersachsen im Zeitraum von Mai 2009 bis zum Mai 2010 die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung insgesamt um 1,3 % stieg?
  3. Wie hoch ist derzeit der durchschnittliche Anteil, an Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmern, die in feste sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse übernommen werden?
Arbeitsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die Arbeitsmarktdaten sind für Niedersachsen so gut wie lange nicht mehr. Durchschnittlich waren im Jahr 2010 rund 299.000 Menschen arbeitslos.

Damit konnten erstmals seit 18 Jahren weniger als 300.000 Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt verzeichnet werden.

Mit einer Arbeitslosenquote von 7,5 Prozent ist Niedersachsen im Bundesvergleich (Durchschnitt 7,7 Prozent) um einen Platz auf Rang fünf vorgerückt.

Trotz Krise gibt es einen deutlichen Zuwachs bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Von Dezember 2009 bis Dezember 2010 stieg die Zahl um gut 62.500 auf rund 2,5 Mio. an.

Niedersachsen liegt damit mit einem leicht überdurchschnittlichen Wachstum gegenüber dem Vorjahr seit Monaten bundesweit im Spitzenbereich.

Die in der Anfrage genannten Zahlen zum Anstieg der Zahl der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer in Niedersachsen zwischen 2003 und November 2010 lassen sich der der Landesregierung vorliegenden Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die den Zeitraum bis zum 30.06.2010 berücksichtigt, nicht entnehmen, ein Zuwachs von 69.548 (30.06.2010) auf 74.600 im November 2010 erscheint aber nachvollziehbar. Diese Zahlen belegen nach Auffassung der Landesregierung deutlich, dass Zeitarbeit in Niedersachsen wie in ganz Deutschland als beschäftigungspolitisches Instrument auch und gerade in Phasen des Aufschwungs für Beschäftigungsaufbau im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sorgt.

Die Landesregierung bezweifelt andererseits nicht – wie in Antworten auf frühere Anfragen schon mehrfach dargelegt –, dass das Instrument Zeitarbeit von sogenannten „schwarzen Schafen“ der Branche in Einzelfällen in einer den Gesetzeszwecken, bzw. den Absichten des Gesetzgebers zuwiderlaufenden Art und Weise missbraucht wird.

Allgemeingültig belastbare empirische Hinweise darauf, dass dies über Einzelfälle hinausgehend flächendeckend oder in systematischer Art und Weise geschieht, gibt es aber nicht.

Die Landesregierung wendet sich weiterhin entschieden gegen den Missbrauch der Zeitarbeit.

So hat die Landesregierung zuletzt in der Sitzung des Bundesrats am 11.Februar dieses Jahres darauf hingewiesen, dass es Dumping –Löhne deutlich unter den in Deutschland zurzeit geltenden Tariflöhnen in der Zeitarbeitsbranche nicht geben darf.

Nicht zuletzt auf den Druck aus Niedersachsen im Rahmen des Vermittlungsauschussverfahrens zur Hartz IV – Reform ist zurückzuführen, dass es im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nach den getroffenen Vereinbarungen zukünftig eine Lohnuntergrenze geben wird.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Zum Vorwurf des Missbrauchs der Leiharbeit zum Lohndumping wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Die DGB – Zahlen zu den Entgeltunterschieden zwischen Leiharbeitnehmer/innen und vergleichbaren Festangestellten (der Stammbelegschaft im Entleihbetrieb – der U.) können nicht bestätigt werden.

In einer Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt– und Berufsforschung vom 03.03.2011 zum Thema „ Das Normalarbeitsverhältnis ist kein Auslaufmodell “ wird der Lohnnachteil von Leiharbeitern gegenüber vergleichbaren Kollegen der Stammbelegschaften vielmehr mit „ rund 20 % “ beziffert.

Unabhängig davon kann die Frage, ob Leiharbeit für Lohndumping missbraucht wird, bzw., ob das Entgelt eines Leiharbeitnehmers als Dumping – Lohn zu bewerten ist, nicht durch einen Vergleich mit dem Entgelt der Stammarbeitnehmer beantwortet werden.

Schon 2004 hat das Bundesarbeitsgericht zur Frage des Vergleichsmaßstabs entschieden, dass maßgebliche Bezugsgröße für die Feststellung der Sittenwidrigkeit der Lohnvereinbarung (zwischen Leiharbeitnehmer und Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber) der bei Zeitarbeitsunternehmen geltende Tariflohn ist.

Zu 2.:
Die Leiharbeit hat sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt und wird zunehmend von Unternehmen genutzt, um besser auf Auftragsschwankungen reagieren zu können.

So können sich Unternehmen mit Hilfe von Leiharbeit vergleichsweise kurzfristig an veränderte Produktions- und Absatzbedingungen und damit einhergehende Personalengpässe anpassen sowie temporäre Fehlzeiten von Arbeitnehmern kompensieren.

Leiharbeit reagiert insbesondere frühzeitig auf konjunkturelle Veränderungen. Daher waren im Zuge der Krise eher als in anderen Branchen saisonbereinigte Beschäftigungsrückgänge zu verzeichnen. Jetzt im beginnenden Aufschwung ist ein deutlicher Anstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zu beobachten.

Mit der Zeitarbeit gelingt es heute schneller, konjunkturelle Wachstumsimpulse in Beschäftigungsaufbau umzusetzen und damit vor allem zuvor Arbeitslosen und Geringqualifizierten wieder eine Beschäftigungschance auf dem ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen.

Die Bedeutung der Leiharbeit gemessen an der Zahl der Leiharbeitnehmer im Verhältnis zu allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist mit rund 2,9 Prozent Ende Juni 2010 in Niedersachsen jedoch immer noch relativ gering.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass in der aktuellen Aufschwungphase nicht nur die Zahl der Zeitarbeits-, sondern auch die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse in den anderen Wirtschaftszweigen zugenommen hat.

Zu 3.:
Die Größenordnung des sogenannten Klebeeffekts, also des Falles, dass Leiharbeitnehmer vom Entleihbetrieb übernommen werden, wird unterschiedlich beziffert. Nach statistischen Erhebungen im Rahmen des IAB-Betriebspanel liegt der Anteil zwischen 7 und 15 Prozent. Nach dem IW-Zeitarbeitsindex wird rund jeder vierte (24,3 Prozent) Leiharbeitnehmer direkt vom Kundenunternehmen übernommen.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
17.03.2011
zuletzt aktualisiert am:
18.03.2011

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