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Geldspielautomaten in Deutschland

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.04.2011 - TOP 23. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE)


Der Abgeordnete Ralf Briese (GRÜNE) hatte gefragt:

Der Verwaltungsgerichtshof in München hatte am 21. März 2011 in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erneut über das staatliche Sportwettenmonopol zu entscheiden. Entgegen seiner bisherigen Auffassung vertritt der VHG nun die Auffassung, dass das „staatliche Sportwettenmonopol eine unverhältnismäßige Beschränkung der europarechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit bewirke und deshalb nicht mehr als Grundlage für Untersagungsverfügungen herangezogen werden könne. Zwar bedürfe die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter auch künftig einer behördlichen Erlaubnis. Der Zugang zum Sportwettenmarkt könne privaten Anbietern und Vermittlern in Bayern aber nicht mehr wie bisher unter Berufung auf das staatliche Monopol verwehrt werden“.

Die Entscheidung basiert auch auf der Studie des Instituts für Therapieforschung (ITF) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zur Fünften Novelle der Spielverordnung aus 2010. Danach hat es in den vergangenen Jahren eine erhebliche Expansion im Bereich der Erlaubnis von Glücksspielautomaten gegeben, was zu einem Anstieg um 38% beim Bruttospielertrag geführt hat.

Das deutsche Glücksspielrecht ist demzufolge unsystematisch und widersprüchlich, wenn der Staat einerseits das Glücksspiel in bestimmten Bereichen streng reglementiert, aber im Bereich mit der höchsten Suchtgefahr nur permissiv eingreift. Es ist bekannt, dass vor allem das Automatenspiel die höchste Suchtgefahr im Glücksspielbereich hat. Damit fehlt es nach Auffassung des VGH an der auf europäischer Ebene abgestimmten Begrenzung der Spiel- und Wetttätigkeit im Bereich der Geldspielautomaten. Weil in Deutschland eine Expansion in diesem Bereich gefördert oder zumindest geduldet wird, kann eine Ablehnung eines Antrages auf Sportwettenvermittlung nicht mehr auf das staatliche Monopol bezogen werden. Viele Kommunen beschweren sich überdies über fehlende kommunale Planungsinstrumente gegen Spielhallen. Diese breiten sich in vielen Städten immer stärker aus mit teilweise erheblich negativen Effekten. Die hohe Zahl der Süchtigen beim Automatenspiel bedeutet mittelfristig erhebliche soziale Folgekosten für den Staat.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Form der Regulierung im Bereich der Geldspielautomaten hält die Landesregierung für notwendig, damit das staatliche Glücksspielmonopol erhalten bleibt?
  2. Sollte nach Auffassung der Landesregierung die Gesetzgebungskompetenz im Bereich Geldspielautomaten auf die Länder übertragen werden?
  3. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die Kommunen rechtliche Instrumente gegen die Expansion von Spielhallen erhalten, und welche Steuerungsinstrumente sollten das sein?
Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die Entscheidung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs zum Sportwettenmonopol vom 21.03.2011 setzt auch die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 08.09.2010 um. Der EuGH bezweifelt die Eignung eines auf Suchtprävention gestützten Sportwetten- und Lotteriemonopols, wenn

  • „andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch,
  • in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren,“

wobei unerheblich ist, „dass die Glücksspiele, die Gegenstand des genannten Monopols sind, in die Zuständigkeit der regionalen Behörden fallen, während für die anderen Arten von Glücksspielen die Bundesbehörden zuständig sind“.

Nicht allein diese Entscheidungen bedingen die Überarbeitung des derzeitigen Glücksspielstaatsvertrags, der sowohl das Monopol für große Lotterien als auch für Sportwetten vorsieht. Der Glücksspielstaatsvertrag soll zukünftig seine Ziele – insbesondere Suchtprävention, Kanalisierung des Spieltriebs, Schutz vor Manipulationen und Betrug sowie Jugendschutz – gleichberechtigt gewährleisten und gleichzeitig Gewerbe-, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nicht unangemessen einschränken.

Dabei bedarf es unter Beteiligung des Bundes einer Einigung aller Länder, der Notifizierung bei der EU und der Ratifizierung durch die Landesparlamente.

Am 06.04.2011 hat die Ministerpräsidentenkonferenz einem Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags grundsätzlich zugestimmt. Dieser sieht weiterhin ein Monopol für große Lotterien vor. Daneben sollen im Rahmen einer siebenjährigen Experimentierphase 7 Konzessionen für Sportwetten mit bundesweiter Geltung vergeben werden.

Die erwähnte Studie des Instituts für Therapieforschung (ITF) befasst sich mit den Auswirkungen und der Bewertung der zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Fünften Änderungsverordnung zur Spielverordnung. Ein Teil der Vorschläge der Gutachter ist in den Eckpunkten zur Novellierung der Spielverordnung (vgl. dazu Antwort zu 1.) bereits aufgegriffen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Im Rahmen eines gemeinsamen Gespräches am 17. März 2011 zwischen Vertretern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi), des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und einzelner Länder sind Eckpunkte zur Reform des gewerblichen Spielrechts – auch unter Berücksichtigung des Verhandlungsstands zum Glücksspielstaatsvertrag - abgestimmt worden.

Danach werden „in der Spielverordnung

  • die in Gaststätten höchstzulässige Zahl von Spielgeräten von 3 auf 2 herabgesetzt; zusätzlich müssen beide Geräte so gesichert werden, dass sie nicht von Jugendlichen bespielt werden können,
  • der Durchschnittsverlust von 33€ auf 20€ je Betriebsstunde gesenkt,
  • der Maximalverlust je Stunde von 80€ auf 60€ gesenkt,
  • der Maximalgewinn je Stunde von 500€ auf 400€ gesenkt,
  • nach drei Stunden Spielzeit die Geräte auf Null gestellt,
  • die angezeigten „Gewinnanmutungen" auf das Doppelte des Maximalgewinns, also künftig 800€ begrenzt,
  • die Autostarttaste auf 20 Spiele begrenzt, d.h. ab dem 20.Spiel muss das Gerät wieder vom Spieler neu gestartet werden,
  • der Maximalbetrag von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern von 25€ auf 10€ gesenkt,
  • die 2007 vom BMWi im Erlasswege für die Zeit ab dem 1.1.2011 vorgegebenen Grenzen für die Gewinnanmutung auf 1.000€ sowie für die einstündige Spielpause mit sofortiger Wirkung in der neuen Spiel-Version abgesichert,
  • die anderen vorgenannten Änderungen unter Berücksichtigung der steuerlichen Abschreibungsfristen in Kraft gesetzt, um Entschädigungsansprüchen vorzubeugen,
  • das illegale „Vorheizen“ der Automaten ausdrücklich verboten, um die Sanktionierung zu erleichtern.“

Die Landesregierung wird die rechtliche Umsetzung der notwendigen Maßnahmen mit der Zielsetzung einer Verbesserung des Spielerschutzes beim gewerblichen Spiel konstruktiv unterstützen.

Zu 2.:
Nach Auffassung der Landesregierung sollte die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der Geldspielautomaten in gewerblichen Spielhallen generell beim Bund verbleiben. Für diesen Bereich hat sich eine bundeseinheitliche Normsetzung bewährt. Im Regelungsbereich der Geldspielautomaten ist auch keinen länderspezifischen Abweichungen Rechnung zu tragen, da es im Kern um die rechtliche Gestaltung des Spielerschutzes geht.

Zu 3.:
Nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) sind Spielhallen in den primär dem Wohnen dienenden Gebieten (§§ 2, 3 und 4 BauNVO Kleinsiedlungsgebiete, reine und allgemeine Wohngebiete) unzulässig.

In den Baugebieten, die u. a. auch dem Wohnen dienen (§ 4a besondere Wohngebiete, § 5 Dorfgebiete, § 6 Mischgebiete), sind lediglich die nicht-kerngebietstypischen Vergnügungsstätten (d. h. im Allgemeinen die kleineren) ausnahmsweise zulassungsfähig; in den überwiegend gewerblich geprägten Teilen der Mischgebiete sind die nicht-kerngebietstypischen Vergnügungsstätten allgemein zulässig.

Sämtliche Vergnügungsstätten, also auch die (größeren) kerngebietstypischen, sind lediglich in Kerngebieten (§ 7) allgemein zulässig und in Gewerbegebieten (§ 8) ausnahmsweise zulassungsfähig.

Im Bebauungsplan können seitens der Gemeinden auf der Grundlage des § 1 BauNVO in bestimmtem Umfang bereits modifizierende Regelungen zu den für die Baugebiete geltenden Vorschriften getroffen werden (sog. Feinsteuerung). So können gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO bestimmte Nutzungsarten - z. B. Vergnügungsstätten (kerngebietstypische und nicht kerngebietstypische) -, die eigentlich allgemein zulässig oder (nur) ausnahmsweise zulassungsfähig wären, als unzulässig erklärt werden. Voraussetzung dafür ist die Wahrung des jeweiligen Baugebietscharakters. Im Rahmen eines abgestuften Systems sind modifizierende Festsetzungen auch bzgl. der Anlagenarten – z. B. der Spielhallen – möglich (§ 1 Abs. 9 BauNVO). Hierfür müssen jedoch derzeit strengere Voraussetzungen erfüllt sein: Die sog. Feinsteuerung bzgl. der Arten der Anlagen kann nur aus besonderen städtebaulichen Gründen erfolgen und nur bei gleichzeitiger Anwendung der Absätze 5 bis 8 zu § 1 BauNVO.

Eine jüngst mit dem Ziel einer erleichterten Steuerung ergriffene Bundesratsinitiative des Landes Berlin (BR-Drs. 80/11) zur Änderung der BauNVO ist insbesondere wegen der potentiell negativen Auswirkungen von Spielhallen im Grundsatz unterstützt worden. Vor dem Hintergrund der bis zum Ende dieses Jahres geplanten Novellierung des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung wurde es jedoch aus gesetzestechnischen Gründen nicht für sinnvoll gehalten, die Änderung der Baunutzungsverordnung bzgl. der Spielhallen zum jetzigen Zeitpunkt vorzuziehen. Die überwiegende Mehrheit der Bundesländer hat sich daher für eine Vertagung bis zum Wiederaufruf ausgesprochen.

Der von der Ministerpräsidentenkonferenz grundsätzlich verabschiedete Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags sieht für Spielhallen u.a. folgende Steuerungsinstrumente vor:

  • Verbot von Mehrfachkonzessionen durch einen Mindestabstand
  • Verbot mehrerer Spielhallen in einem Gebäudekomplex
  • Möglichkeit der Begrenzung der Spielhallenzahl in einer Gemeinde
  • Sperrzeit von mindestens 3 Stunden

Die Vorschriften im Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags stehen zunächst noch unter dem Vorbehalt von Änderungen im Anhörungsverfahren.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
14.04.2011

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