Heidkopftunnel
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.05.2011 - TOP 26. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Enno Hagenah (GRÜNE)
Der Abgeordnete Enno Hagenah (GRÜNE) hatte gefragt:
Kürzlich wurde von der Niedersächsischen Behörde für Straßenbau und Verkehr bekannt gegeben, der Gefahrgutverkehr solle so schnell wie möglich durch den Heidkopftunnel fließen. Ein Gutachten habe ergeben, dass bei der derzeitigen Verkehrsbelastung des Tunnels (täglich 22 000 Fahrzeuge) Gefahrgut auch passieren dürfe. Voraussetzung seien zum einen technische Änderungen (u. a. eine neue Lautsprecheranlage) sowie die Ausbildung und Ausrüstung der zuständigen Feuerwehren in Hinblick auf Gefahrgutunfälle. Die technischen Änderungen könnten bis Sommer erledigt sein.
Andererseits wurde bisher offiziell als Grund für die schnelle und unmittelbare Umsetzung der Ortsumgehung Waake an der B 27 im Rahmen des Konjunkturprogramms trotz nachrangigen Bedarfs im Verkehrsentwicklungsprogramm immer angeführt, die Umfahrung werde benötigt, weil der Heidkopftunnel für Gefahrgut nicht freigegeben sei. Unbeachtet blieb, dass erstens eine alternative Ausweichroute vorliegt und dass zweitens die oben angeführte Begutachtung der Tunnel hinsichtlich Gefahrguttransporte bereits vor längerem durchgeführt wurde. Ein nur marginaler Veränderungsbedarf für eine Freigabe für den gesamten Verkehr durch den Tunnel hätte dementsprechend schon früher bekannt gewesen sein können und bei der Abwägung um die Notwendigkeit einer OU Waake berücksichtigt werden können.
Ich frage die Landesregierung:
- Wann wurde das Gutachten zur Prüfung der erforderlichen Maßnahmen für eine Freigabe des Tunnels für den Gefahrguttransport in Auftrag gegeben?
- Von wem wurde das Gutachten verfasst?
- Wann wurde das Gutachten fertig gestellt?
Mit der Novellierung des „Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter“ (ADR 2007) muss spätestens seit dem 01.01.2010 bei der Anwendung von Beschränkungen für die Durchfahrt von Fahrzeugen mit gefährlichen Gütern durch Tunnel die zuständige Behörde den Straßentunnel einer der in Absatz 1.9.5.2.2 festgelegten Tunnelkategorie zuordnen. Hierfür haben der Bund und die Länder bis 2009 ein risikobasiertes „Verfahren zur Kategorisierung von Straßentunneln“ durch anerkannte Experten unter Beteiligung der Straßenbauverwaltungen der Länder sowie der Feuerwehren der Länder entwickelt. Darin sind Bewertungskriterien mit akzeptierten Risiken postuliert, die auch in mehreren EU-Ländern und in der Schweiz Anwendung finden.
Auch vorher sind bereits risikobasierte Untersuchungen durchgeführt worden. Nach der damals gültigen Vorschriftenlage konnten bis 2009 jedoch nur Vergleiche zwischen Tunnel- und Umfahrungsstrecke pauschal für alle Gefahrguttransporte gezogen werden ohne Heranziehung eines „zulässigen“ (akzeptierten) Wertes. In den Verfahren konnte folglich nur begutachtet werden, ob für den Transport von Gefahrgütern die Tunnelstrecke oder eine Umfahrungsstrecke günstiger bzw. ungünstiger war.
Dem entsprechend ist der Heidkopftunnel vor seiner Inbetriebnahme in 2006 mit den prognostizierten 42.000 Fahrzeugen pro Tag auf der Grundlage der RABT (Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln) begutachtet worden. Da die Gefahrguttransporte über eine Umfahrungsstrecke insgesamt weniger Risiken beinhalteten als über die A 38 mit dem Heidkopftunnel, musste die Verkehrsbehörde ein totales Durchfahrverbot anordnen.
Seit der Inbetriebnahme 2006 sind die Verkehrszahlen zwar kontinuierlich gestiegen; sie erreichen aktuell allerdings bei weitem nicht die prognostizierten 42.000, sondern lediglich rund 22.000 Fahrzeuge pro Tag.
Mit Erlass vom 4.11.2009 hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr den zuständigen Straßenverkehrsbehörden die Anwendung des 2009 entwickelten Verfahrens zur Kategorisierung der Straßentunnel empfohlen und mit Erlass vom 3.02.2010 die Niedersächsische Behörde für Straßenbau und Verkehr wegen vermehrter Anfragen aus der Wirtschaft gebeten, das o. g. Verfahren für den Heidkopftunnel vorrangig durchzuführen.
Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr hat dem folgend die Vergabe der erneuten Untersuchung vorbereitet und im Juni 2010 ausgeschrieben. Nach der Prüfung der Angebote ist die Auftragserteilung im September 2010 erfolgt. Die Ergebnisse lagen in Vorabmitteilungen im Dezember 2010 und im Entwurf im Februar 2011 vor.
Im vorliegenden Gutachten zur Kategorisierung des Heidkopftunnels sind die vorhandenen Risiken für die aktuellen und prognostizierten Verkehrszahlen berechnet und mit dem Bewertungskriterium verglichen worden. Der Vergleich zeigt, dass die Risiken für die aktuellen Verkehrszahlen unterhalb der akzeptierten Risiken liegen und der Heidkopftunnel somit die Kategorie „A“ erhält (freie Durchfahrt für Gefahrguttransporte). Die Risiken für die prognostizierten Verkehrzahlen liegen teilweise oberhalb der akzeptierten Risiken und würden nach Einschätzung des Gutachters zur Kategorie „D“ führen (nahezu vollständige Sperrung für Gefahrguttransporte).
Wenn die Verkehrsbelastung weiterhin steigt, ist vor Erreichen von 40.000 Fahrzeugen pro Tag eine erneute Kategorisierung erforderlich. Sollte sich im Rahmen eines erweiterten Gutachtens die Kategorie „D“ bestätigen, sind für Gefahrguttransporte, die dann nicht mehr durch den Heidkopftunnel fahren dürfen, geeignete Umfahrungsstrecken zu untersuchen.
Zur OU Waake sind folgende Planungsdaten zusammenzufassen:
- Planfeststellungsbeschluss: 01.12.2004
- Urteil des OVG Lüneburg verkündet am 10.11.2008
- BMVBS-Schreiben zum § 6 FStrAbG: 04.12.2008
- Beschluss des BVerwG: 28.12.2009
Im Einzelnen: Die Ortsumgehung (OU) Waake im Zuge der B27 ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, der Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz (FStrAbG) des Bundes ist, enthalten. Die Projektplanung wurde durch das gesetzlich vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren sowie nachfolgend in Gerichtsverfahren vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Der Planfeststellungsbeschluss für die OU Waake ist bestandskräftig. Damit ist die baurechtliche Absicherung (Baugenehmigung) für die Maßnahme gegeben.
Der Bund hatte die Maßnahme Ende 2008 im Rahmen des Konjunkturprogramms in das „Arbeitsplatzprogramm Bauen und Verkehr“ aufgenommen und unter Anwendung von § 6 FStrAbG in den Straßenbauplan eingestellt. Entscheidungsgründe des Bundes für die Erforderlichkeit der OU waren dabei die Zunahme der Verkehrsmengen, Unfallhäufungen, Überschreitungen der Lärmimmissionsgrenzwerte, die in der Anfrage angesprochene zur Zeit der Entscheidung bestehende Sperrung des Heidkopftunnels für Gefahrguttransporte und dass die B27 Bestandteil des Positivnetzes für Gefahrguttransporte in diesem Raum ist.
Die Bauarbeiten für die OU haben am 19.03.2010 offiziell begonnen.
Dieses vorausgeschickt beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Das Gutachten wurde am 17.09.2010 in Auftrag gegeben.
Zu 2.:
Das Gutachten wurde von der Fa. ILF – Beratende Ingenieure, Linz, Österreich verfasst.
Zu 3.:
Die Entwurfsfassung des Gutachtens wurde am 10.02.2011 und die Endfassung am 21.04.2011vorgelegt.
Artikel-Informationen
erstellt am:
27.05.2011