Privates Sicherheitsgewerbe in Niedersachsen?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 01.07.2011 - TOP 41. Antwort von Arbeitsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE)
Der Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE) hatte gefragt:
Das private Sicherheitsgewerbe ist ein Dienstleistungsbereich mit konstant wachsender Bedeutung. Sowohl die Umsatzzahlen als auch die Zahl der Mitarbeiter wächst seit Jahren. Für die Einrichtung eines privaten Sicherheitsgewerbes reicht bisher eine Erlaubnis nach der Gewerbeordnung aus, obwohl die Anbieter teilweise in sensiblen sicherheitspolitischen Bereichen arbeiten. Verschiedene Dienstleister des privaten Sicherheitsgewerbes sind in den Medien immer wieder kritisch thematisiert worden. So war laut Medienberichten die Sicherheitsfirma Prevent für die HSH Nordbank u. a. bei den Intrigen und Spitzeleien im Zusammenhang mit der Entlassung von HSH-Mitarbeitern tätig und soll dabei umstrittene rechtliche Praktiken angewandt haben. Das ehemals größte deutsche Geldtransportunternehmen Heros hat massiv Kundengelder veruntreut mit der Konsequenz, dass der Exfirmenchef zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. In jüngster Zeit ist es in Walsrode nach einem Fußballspiel zu Schlägereien zwischen Fans aus Celle und einer den Hells Angels nahestehenden Sicherheitsfirma gekommen. Nach ersten Ermittlungen der Polizei wurde seitens der Sicherheitskräfte offenbar mit übertriebener Härte gegen Anhänger des TuS Celle vorgegangen. Gerade Mitglieder der Hells Angels sollen bei Sicherheitsdienstleistern sehr aktiv sein oder diese betreiben. Dennoch hat Innenminister Schünemann eine sogenannte Sicherheitspartnerschaft mit dem privaten Sicherheitsgewerbe geschlossen. Hier stellt sich die Frage, welche Erfolge diese Sicherheitspartnerschaft bisher gebracht hat und ob und wie das Sicherheitsgewerbe zukünftig reguliert werden soll.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie viele private Sicherheitsdienstleister gibt es gegenwärtig in Niedersachsen mit wie viel Personal und welchem jährlichen Umsatz/Gewinn?
- Wird sich die Landesregierung für eine stärkere gesetzliche Regulierung (z. B. Mindestqualifikation und
-voraussetzung, Ausbildungsstandards und Mindestvergütung) des privaten Sicherheitsgewerbes einsetzen? Wenn nein, warum nicht? - Wie oft wurden in den vergangenen fünf Jahren in Niedersachsen gegen private Sicherheitsdienstleister bzw. ihre Mitarbeiter strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet, und auf welchen Strafrechtsverstößen basierten diese?
Die Tätigkeit im Bewachungsgewerbe zählt zu den wenigen in der Gewerbeordnung über die bloße Gewerbeanzeigepflicht hinausgehend speziell geregelten Tätigkeiten. Dadurch wird dieser gewerblichen Tätigkeit staatlicherseits besonderes Augenmerk gewidmet. Die Tätigkeit ist wegen der vielzähligen Berührungspunkte für breite Teile der Bevölkerung im Erwerbs-, aber auch Alltagsleben als besonders sensibel erkannt.
Für das Bewachungsgewerbe gilt ein Ausübungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Erlaubnis für den Gewerbetreibenden knüpft an die persönliche Zuverlässigkeit zu seiner Person, den Nachweis der Teilnahme an Unterrichtungsmaßnahmen zur Qualifikation für die Tätigkeit – bei bestimmten Tätigkeiten, bis hin zur Teilnahme an einer Sachkundeprüfung – und nicht zuletzt an den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung für ihn als Gewerbetreibenden und die von ihm beschäftigten Mitarbeiter, die mit Bewachungsaufgaben betraut werden, an.
Über den Rahmen, der für den größten Teil aller Gewerbetreibenden gilt, hinausgehend, ist ein Bewachungsunternehmer verpflichtet, der für die Überwachung des Bewachungsgewerbes zuständigen Behörde Kenntnis über das von ihm beschäftigte Wachpersonal zu geben. Auch das Bewachungspersonal muss die nach der Gewerbeordnung mindestens vorgeschriebene Qualifikation nachweisen. In der sogenannten Bewachungsverordnung sind hierfür Qualifizierungsmaßnahmen im Umfang von 40 Stunden zu u.a. den Gebieten der Jedermannsrechte, des Eigentumsrechts oder zu Fragen der Deeskalationstechnik vorgesehen. Die Prüfung wird vor der Industrie- und Handelskammer abgelegt.
Das Wachpersonal und der Gewerbetreibende sind vor Aufnahme der Tätigkeit regelmäßig und umfänglich und späterhin im Rahmen der laufenden Überwachung auf ihre persönliche Zuverlässigkeit hin zu überprüfen.
Vor dem ausgeführten Hintergrund ist festzustellen, dass das Sicherheitsgewerbe bis heute deutlich expandiert. Nach jüngsten Zahlen sind deutschlandweit ca. 170.000 Menschen in der Branche beschäftigt. Vielfach rechnen zu diesen auch Mitarbeiter, die die Qualifikation zuvor in umfassenden Ausbildungen, wie für den Polizeidienst, den Zoll oder bei der Bundeswehr erworben haben. Daneben beschäftigt die Bewachungsgewerbebranche aber auch zahlreiche Mitarbeiter, die keine derart weitreichenden Qualifikationen besitzen, hat aber auch gerade deshalb ihren besonderen Stellenwert.
Bei Berücksichtigung der Branchengröße ist festzuhalten, dass nur wenige Verstöße bzw. Mängel im Zusammenhang mit der Ausübung des Bewachungsgewerbes bekannt sind. Die in der Anfrage namentlich angesprochenen Verfahren sind nicht in einem Zusammenhang mit den Zugangsvoraussetzungen für die Tätigkeit zu betrachten. Im Gegenteil sind sie auf eine erhebliche kriminelle Potenz, die auf komplexe betriebswirtschaftliche Kenntnisse wurzelt, zurückzuführen. Rechtstatsächliche Erkenntnisse, die Mängel des geltenden Rechtsrahmens deutlich machen würden, liegen nicht vor. Die Regelungslage nach Gewerberecht ist mit den Instrumentarien der Antragsversagung, der Rücknahme oder des Widerrufs einer Erlaubnis und letztlich der Gewerbeuntersagung, bis hin zur Verhinderung der Ausübung eines unerlaubten Bewachungsgewerbes genügend ausgestattet, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.
Ergänzend wird noch ausgeführt, dass die Erlaubnis für das Bewachungsgewerbe bundesweit gilt und daher in Niedersachsen auch Unternehmen oder deren Mitarbeiter tätig werden, die ihren Firmensitz außerhalb Niedersachsens haben.
Im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft sind verschiedene Zusammenschlüsse, Behörden und Institutionen, um die Sicherheit der Wirtschaft Norddeutschlands bemüht. In ihr ist auch der Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland e.V. vertreten. Verträge mit einzelnen Bewachungsgewerbetreibenden sind in diesem Zusammenhang nicht geschlossen.
Das Ministerium für Inneres und Sport hat am 16.04.2010 mit dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V., Landesgruppe Niedersachsen (BDWS), eine Rahmenvereinbarung für Kooperationen zwischen Polizei und privaten Sicherheitsunternehmen auf örtlicher Ebene geschlossen. Ziel der Kooperation, die unter dem Leitmotiv „Beobachten – Erkennen – Melden“ steht, ist es, die sachkundigen Beobachtungen der privaten Sicherheitsdienste für die Arbeit der Polizei nutzbar zu machen. Eine Aufgabenverlagerung von der Polizei auf private Sicherheitsdienste findet dabei jedoch nicht statt. Die mit der Polizei kooperierenden Sicherheitsunternehmen müssen in der Rahmenvereinbarung festgelegte Standards der Organisation und Qualifikation erfüllen und, soweit sie Mitglied im BDWS sind, von diesem zertifiziert sein.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Ein landesweites Gewerberegister, aus dem die nachgefragten Zahlen entnommen werden könnten, besteht nicht. Nach Angaben der 7 niedersächsischen Industrie- und Handelskammern sind dort mindestens 839 Betriebe registriert, die die Tätigkeit im Bewachungsgewerbe als Haupt- bzw. in geringerer Zahl auch im Nebengewerbe ausführen.
Nach Branchenangaben beschäftigt das Bewachungsgewerbe derzeit ca. 8.500 Mitarbeiter in Niedersachsen. Zahlen zum Umsatz bzw. Gewinn sind nicht bekannt.
Zu 2.:
Nein, auf die Vorbemerkung wird verwiesen.
Hinsichtlich des Aspekts des Mindestlohns ist die Auffassung der Landesregierung, dass die Vereinbarung von Arbeitsbedingungen und damit auch die Festlegung eines Mindestlohns zuvörderst Aufgabe der dazu berufenen Sozialpartner bzw. Tarifvertragsparteien der jeweiligen Branche ist.
Sie sind die Sachverständigen, die am besten beurteilen können, ob und wenn ja, in welcher Höhe ein Mindestlohn in ihrer jeweiligen Branche zur Verhinderung / Vermeidung von Dumping – Löhnen und unfairer Billigkonkurrenz erforderlich ist.
Mit den Verfahren nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) und dem aktualisierten Mindestarbeitsbedingungengesetz bestehen neben dem Tarifvertragsgesetz zwei weitere gesetzliche Möglichkeiten, die Geltung branchenspezifischer tariflich vereinbarter bzw. unter vorheriger Beteiligung der Tarifvertragsparteien festgesetzter Mindestlöhne auf alle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Branche zu erstrecken.
Die Tarifvertragsparteien des privaten Sicherheitsgewerbes haben nach Aufnahme ihrer Branche in das AEntG hiervon Gebrauch gemacht.
Auf ihren Antrag hin hat das zuständige Bundesarbeitsministerium den von ihnen abgeschlossenen Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für Sicherheitsdienstleistungen vom 11.02.2011 durch Rechtsverordnung vom 05.05.2011 für allgemeinverbindlich erklärt.
Die Verordnung ist am 01.06.2011 in Kraft getreten.
In Niedersachsen haben Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutz / Seperatwachdienst damit ab 01.06.2011 Anspruch auf mindestens 7,26 € pro Stunde (ab 01.03.2012 – 7,38 €, ab 01.01.2013 – 7,50 €).
Ein Einsatz der Landesregierung ist insoweit nicht mehr erforderlich.
Zu 3.:
Eine statistische Erfassung von Straftaten privater Sicherheitsdienstleister bzw. deren Mitarbeiter erfolgt nicht. Die justiziellen Statistiken weisen den Beruf einer beschuldigten Person nicht aus. Es ist daher grundsätzlich nicht möglich festzustellen, wie viele und welche Verfahren mit welchen Tatvorwürfen gegen Angehörige bestimmter Berufsgruppen geführt worden sind. Dies wäre nur im Wege einer manuellen Einzelauswertung zu leisten. Eine solche würde jedoch einen Arbeitsaufwand erfordern, der nicht zumutbar und im Rahmen einer mündlichen Anfrage unverhältnismäßig wäre.
Artikel-Informationen
erstellt am:
01.07.2011