Reform der Nahverkehrsbeförderung für schwerbehinderte Menschen in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16.09.2011 - TOP 35. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Max Matthiesen (CDU)
Der Abgeordnete Dr. Max Matthiesen (CDU) hatte gefragt:
Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen haben durch die Reform der Nahverkehrsbeförderung eine Möglichkeit erhalten, sich barrierefrei in Niedersachsen und im übrigen Bundesgebiet von Regionalzügen der Deutschen Bahn befördern zu lassen.
Abhängig von ihrem Wohnort, konnten Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung und einem gültigen Schwerbehindertenausweis in einem Radius von 50 km bis vor kurzem kostenlos in Regionalzügen der Deutschen Bahn fahren. Diese Regelung wurde reformiert. Ab dem 1. September 2011 ist es für Behinderte möglich, im gesamten Bundesgebiet unabhängig von ihrem Wohnort ohne Fahrschein die Regionalbahnen, Regionalexpresse und die S-Bahnen in der 2. Klasse zu benutzen.
Insofern erfahren Schwerbehinderte in Niedersachsen eine enorme Verbesserung ihrer Mobilität. Nahezu jede niedersächsische Stadt ist durch das Regionalnetz und die kommunalen Nahverkehrsmittel für Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis nun kostenfrei erreichbar. Gleichwohl muss gewährleistet sein, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen angemessen auf die neue Situation eingestellt sind.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Auswirkungen der Reform der Nahverkehrsbeförderung für Schwerbehinderte sind der Landesregierung bisher bekannt?
- Wie viel Prozent der niedersächsischen Bahnhöfe sind behindertengerecht (z. B. Rollstuhlrampe, Fahrstuhl) ausgebaut?
- Welche Hilfen stehen Fahrgästen mit Behinderung an den Bahnhöfen zur Verfügung?
Bereits seit mehr als 60 Jahren werden bestimmte Gruppen schwerbehinderter Menschen im Nahverkehr unentgeltlich befördert.
Dieses Recht soll einen Ausgleich für die Nachteile darstellen, die durch körperliche Einschränkungen entstehen; einen Ausgleich für Beeinträchtigungen, die dazu führen, dass teilweise auch kurze Strecken nicht zu Fuß bewältigt werden können.
Nach den aktuell geltenden bundesgesetzlichen Regelungen der §§ 145 – 154 SGB IX können die freifahrtberechtigten schwerbehinderten Frauen und Männer deshalb Nahverkehrsmittel in der 2. Wagenklasse ohne Fahrausweis nutzen. Hierzu zählen u.a. Straßenbahnen und Omnibusse, S-Bahnen, Eisenbahnen auf Strecken, die innerhalb von Verkehrsverbünden liegen, DB-Nahverkehrszüge im Umkreis von 50 km um den Wohnort und Privatbahnen auf Strecken, in denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 km nicht übersteigt.
So können freifahrtberechtigte Personen bundesweit abhängig von der Nahverkehrsstruktur auch durchaus längere Strecken unentgeltlich zurücklegen. Voraussetzung dafür ist lediglich eine Anbindung oder Umsteigemöglichkeit zu S-Bahnen, Zügen in Verkehrsverbünden oder Privatbahnen, die auch bisher in ihrer nutzbaren Streckenlänge nicht begrenzt sind.
Nur, wenn ausschließlich Nahverkehrszüge der Deutschen Bahn AG (DB AG) genutzt werden, besteht die gesetzliche Einschränkung auf einen Radius von 50 km um den Wohnort.
Aber auch diese Beschränkung soll nun ein Ende finden:
Seit dem 1. September diesen Jahres können aufgrund einer Absprache zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der DB AG auch DB-Nahverkehrszüge ohne Streckenbegrenzung unentgeltlich genutzt werden.
Das Ziel ist eine anvisierte Gesetzesänderung zum 01.01.2012, mit der die genannte Regelung verbindlich wird.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Der Wegfall der Streckenbegrenzung in Nahverkehrszügen der DB AG stellt für die freifahrtberechtigten Personen eine deutliche Erleichterung dar; Reiseplanungen sind einfacher vorzunehmen, häufige Umstiege werden reduziert.
zu 2.:
Von den 354 Bahnhöfen, die in Niedersachsen im Nahverkehr auf der Schiene bedient werden, sind nach Auskunft des Betreibers, der Deutschen Bahn AG, bereits 277 stufenfrei zu erreichen – das sind fast 80 %! Stufenfrei bedeutet, dass der Zugang entweder höhengleich ist, der Bahnsteig durch eine Rampe oder durch Aufzüge erreicht werden kann.
Weitere 55 Stationen - das sind rund 15 % - sind zumindest teilweise stufenfrei erreichbar, beispielsweise einer von zwei Bahnsteigen.
zu 3.:
Es gibt zahlreiche Hilfen die die DB AG in ihrer Verantwortung als Betreiber der Bahnstationen für mobilitätseingeschränkte Personen und schwerbehinderte Menschen anbietet. Jedoch ist nicht jeder Bahnhof gleich ausgestattet, das variiert je nach Größe der Station, der Nachfrage und Ausbauzeitpunkt. Hilfen sind beispielsweise die bereits erwähnten Aufzüge oder Rampen als Zugang zu den Stationen. Außerdem werden an vielen Stationen mobile Einstiegshilfen – Hublifte – angeboten. Hilfeleistungen werden aber auch durch das Servicepersonal erbracht – z.B. ein Begleitservice für Rollstuhlfahrer oder Blinde. Die DB AG hat speziell für mobilitätseingeschränkte Personen eine Mobiltitätszentrale eingerichtet, die alle Fragen zu geeigneten Zügen, der Barrierefreiheit von Bahnhöfen, Hilfsangeboten beantwortet.
Des Weiteren arbeitet die DB seit Jahren daran, die Informationsgestaltung gemäß dem Zwei-Sinne-Prinzip kontinuierlich zu verbessern. So werden verstärkt visuelle Anzeigen und akustische Durchsagen synchronisiert. Auch verfügen viele Aufzüge inzwischen über akustische Informationen. Sehgeschädigte Personen und Blinde finden an immer mehr Stationen Blindenleitstreifen an den Bahnsteigen und Informationen in Blindenschrift vor.
Wie Sie sehen verbessert die Bahn zusehends ihr Angebot und legt immer größeren Wert auf die Barrierefreiheit ihrer Stationen.
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erstellt am:
16.09.2011