Blexer Kavernengelände
Die Abgeordneten Ina Korter, Meta Janssen-Kucz, Elke Twesten, Stefan Wenzel und Enno Hagenah (GRÜNE) hatten gefragt:
Am 21. März 2012 berichtete die Nordwest-Zeitung im Lokalteil unter „Nordenham“ über eine unterirdische Leckstelle an einer Rohrleitung im Treibstofflager auf dem Kavernengelände der Wintershall Holding GmbH in Nordenham-Blexen. Nach Angaben des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), das umgehend über den Vorfall informiert worden war, sei durch die Undichtigkeit lediglich eine „sehr begrenzte, lokale Verunreinigung des Bodens“ aufgetreten; so heißt es in der o. a. Pressemeldung. Erste Bodenproben hatten eine Verunreinigung mit Kohlenwasserstoffen ergeben. Ein Gutachter soll nun den genauen Schadensumfang feststellen. Danach werde das Unternehmen die erforderlichen Sanierungen in Absprache mit den Behörden vornehmen lassen. Der Betrieb der Blexer Kavernen unterliegt der Fachaufsicht des LBEG. Laut NWZ werden dort Benzin und Rohöl als nationale Notreserve für die Bundesrepublik Deutschland gespeichert. Laut Jahresbericht „Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland“ des LBEG mit Stand 31.12.2010 werden in Blexen acht Kavernenspeicher betrieben (vier für Rohöl, drei für Benzin, einer für Heizöl). Als Betreiber am Standort Blexen wird eine „Unter-Tage-Speicher-Gesellschaft mbH“ angegeben.
An insgesamt zwölf Standorten in Deutschland - die meisten davon in Niedersachsen - werden Speicheranlagen, fast ausschließlich Kavernen, für die Lagerung von Rohöl oder Rohölprodukten und in geringem Umfang Flüssiggas (nicht Erdgas) betrieben. Allein die Bestände des Erdölbevorratungsverbandes (EBV) betrugen zum 31. März 2010 25,5 Mio. t. Der Standort in Wilhelmshaven-Rüstringen mit bisher 36 Kavernen soll erweitert werden; bis 2018 sollen dort zunächst vier weitere Kavernen mit einem Volumen von insgesamt 3,8 Mio. m3 ausgesohlt werden.
Zudem steht Deutschland mit einem Speichervolumen von über 20 Mrd. m3 Speichervolumen für Erdgas, überwiegend in Kavernenspeichern, hinter den USA, Russland und der Ukraine weltweit an vierter Stelle der Speichernationen. Über die Hälfte dieses Speicherraums in Deutschland wird in Kavernen in Niedersachsen vorgehalten. Nicht nur bei Wilhelmshaven, sondern auch bei Etzel, Jemgum, Nüttermoor, an der Krummhörn oder bei Empelde in der Region Hannover sind weitere Kavernenspeicher im Bau.
Wir fragen die Landesregierung:
- Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über das Ausmaß von Boden- und Grundwasserverunreinigungen durch die Leckage im Leitungssystem der Kavernenanlage auf dem Blexer Kavernengelände vor?
- Kann die Landesregierung ausschließen, dass es durch diese Havarie zu einer Beeinträchtigung von Luft, Wasser und Böden in der näheren und weiteren Umgebung des Kavernenbetriebsgeländes gekommen ist oder Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung oder Einschränkungen für bestimmte Nutzungen daraus entstehen können?
- Kann die Landesregierung ausschließen, dass weitere Leckagen von Leitungsrohren oder an Betriebsanlagen etwa durch die Verwendung von ungeeigneten oder nicht zulässigen oder überalterten Materialien bei Leitungen und Anlagen auftreten können?
- Welche Stoffe werden momentan in welchen Menge zu welchem Zweck und aufgrund welcher Rechtsgrundlagen in den Blexer Kavernen der Wintershall Holding GmbH bzw. der „Unter-Tage-Speicher-Gesellschaft mbH“ eingelagert?
- Welche weiteren Planungen sind der Landesregierung bekannt, auf dem Blexer Kavernengelände weitere Kavernen herzustellen, bestehende Kavernen anders zu befüllen/zu nutzen oder damit im Zusammenhang stehende technische Anlagen dort einzurichten oder auszubauen?
– Wenn ja, welche?
– Welche Genehmigungsanträge liegen dafür vor?
– Wie wurde und wird die Öffentlichkeit an Planungs- und Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit Bau und Betrieb der Blexer Kavernenanlage beteiligt?
– Beabsichtigt die Landesregierung, über die gesetzlich vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus für die Errichtung neuer Speicherkavernen oder ihre Umnutzung die Öffentlichkeit zu beteiligen? Wenn ja, in welcher Weise? - Welche weiteren Havarien und Unfälle beim Betrieb von Kavernenspeichern, in denen Rohöl und Rohölprodukte oder Flüssiggas und andere Chemikalien und Gase (außer Erdgas) vom EVB oder anderen Betreibern in Niedersachsen lagern, sind in den letzten zehn Jahren aufgetreten?
– Was waren im Einzelnen die Ursachen solcher Unfälle und Havarien?
– Welche Schäden sind jeweils aufgetreten?
– Konnten die Schäden jeweils beseitigt und die Ursachen abgestellt werden? - Wie häufig und durch wen und mit welchen Ergebnissen wurden die Rohrleitungs- und Betriebssysteme und Kavernen, in denen Rohöl und Rohölprodukte oder Flüssiggas und andere Chemikalien und Gase (außer Erdgas) vom EVB oder anderen Betreibern gespeichert werden, auf ihre Dichtigkeit überprüft, und durch wen geschieht dies?
– In welcher Weise ist das LBEG dabei als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde beteiligt?
– In welchen Fällen wurden vom LBEG den Betreibern Auflagen gemacht, die der Umsetzung des neuesten Standes der Technik dienten? - Beabsichtigt die Landesregierung analog zum Überprüfungsprogramm der Lagerstättenwasserleitungen bei den Erdgasförderstätten auch eine systematische Überprüfung von Rohrleitungen, die im Zusammenhang mit allen in Niedersachsen betriebenen Kavernenspeicheranlagen für Erdöl, Erdölprodukte, Flüssiggase und Erdgas eingesetzt werden, um die Sicherheit dieser Anlagen zu gewährleisten?
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein bedeutendes Rohölimportland, da mehr als 97 % des nationalen Verbrauches nicht aus eigener Produktion gedeckt werden können. Neben oberirdischen Tanklagern dienen auch Salzkavernen wie am Standort des Untergrundspeichers Blexen dem Ausgleich von Produktionsschwankungen für verarbeitende Betriebe sowie der Krisenbevorratung von Motorbenzinen, Mitteldestillaten, Schwerölen und Rohöl nach dem Erdölbevorratungsgesetz. Der Erdölbevorratungsverband (EBV) ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts die nationale Institution zur Krisenbevorratung und hält nach seinem aktuellen Bericht über das Haushaltsjahr 2010/2011 in Deutschland derzeit etwa 21 Mio. t Erdöl und Erdölerzeugnisse zur Krisenvorsorge bereit.
Am 19. März 2012 informierte die Wintershall Holding GmbH das zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) über eine Leckage an einer nicht in Betrieb befindlichen Rohrleitung auf dem Betriebsgelände des Untergrundspeichers Blexen. Bei der Leitung handelt es sich um eine Stahlleitung (DN 500, Betriebsdruck 16 bar), die dem Transport von Öl sowie Benzin dient. Die Undichtigkeit war am Meldetag im Rahmen einer Wasser-Druckprobe festgestellt worden. Durch die Leckage war es zu einer Verunreinigung des die Leitung umgebenden Bodens mit Mineralölprodukten gekommen.
Nach Eingang der Meldung informierte das LBEG umgehend die Stadt Nordenham und den Landkreis Wesermarsch über das Ereignis. Am 20. März 2012 nahm der technische Aufsichtsbeamte des LBEG eine Befahrung mit Unternehmensvertretern sowie dem bereits mit der Untersuchung des Schadensfalls beauftragten unabhängigen Sachverständigen vor. Bei der Befahrung wurden erste Untersuchungserkenntnisse diskutiert und das weitere Vorgehen zur Sanierung festgelegt.
Um die Leckage herum wurde eine Baugrube ausgehoben. In dieser wurden gutachterlich begleitet Bodenproben entnommen. Die Proben wurden vor Ort untersucht und anschließend im Labor analysiert. Es wurden ebenso Wasserproben entnommen und im Labor untersucht. Im Weiteren ließ der Sachverständige zur Abgrenzung des Schadens um die Leckagestelle herum Rammkernsondierungen niederbringen. Darüber hinaus wurden Boden- und Grundwasserproben entnommen. Die Analyse der Proben erfolgte im Labor.Auf Empfehlung des Gutachters wurde das belastete Erdreich weiträumig ausgetauscht und das sich in der Baugrube ansammelnde Stauwasser (Grundwasser) abgepumpt. Dabei fielen ca. 40 m3 belasteter Boden und rund 70 m3 abgepumptes Wasser an. Die Mengen wurden bzw. werden zugelassenen Entsorgungswegen zugeführt. Die Sanierungsmaßnahmen sind abgeschlossen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Bei den zwei Rammkernsondierungen in der Nähe der Leckagestelle wurden Verunreinigungen mit Mineralölkohlenwasserstoffen festgestellt. Die Grundwasserproben zeigten an einer Entnahmestelle leichte Auffälligkeiten bei BTEX und Benzol, wobei als Bewertungsmaßstab die Prüfwerte zur Beurteilung des Wirkungspfads Boden - Grundwasser nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes dienen. Entsprechend der Bewertung des unabhängigen Sachverständigen kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen kleinräumigen, lokal begrenzten Schadensbereich handelt. Aufgrund der geologischen und hydrologischen Situation erscheint eine Belastung des tiefen Grundwasserkörpers wenig wahrscheinlich. Die festgestellten Verunreinigungen unterlagen Sanierungsmaßnahmen und führten daher zu keiner grundlegenden Gefährdung der Schutzgüter Mensch, Natur und Landschaft.
Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.
Zu 2.:
Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.
Zu 3.:
Ein Versagen von technischen Bauteilen kann grundsätzlich nie vollständig ausgeschlossen werden. Dennoch stellt der Transport von gefährlichen Stoffen in Rohrleitungen eine der sichersten Transportmöglichkeiten dar.
Zu 4.:
In den Kavernen des Untergrundspeichers Blexen werden derzeit Rohöl und Superkraftstoff eingelagert. Die eingelagerten Mengen stellen einen Teil der strategischen Reserve der Bundesrepublik Deutschland dar. Aus diesem Grund unterliegen die Mengenangaben der Vertraulichkeit.
Der Betrieb des Untergrundspeichers beruht auf dem Bundesberggesetz und ist in einem bergrechtlichen Hauptbetriebsplan geregelt, der eine Gültigkeit bis Ende November 2013 hat. Dieser Hauptbetriebsplan wird alle 2 Jahre aktualisiert und durch das LBEG zugelassen.
Der Erdölbevorratung liegt das Gesetz über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen (Erdölbevorratungsgesetz) zugrunde.
Zu 5.:
Der Landesregierung sind derzeit keine weiteren Planungen auch hinsichtlich einer anderweitigen Nutzung der Kavernen des USG Blexen bekannt. Aus diesem Grund sind belastbare Aussagen zur zukünftigen Einbindung der Öffentlichkeit bei entsprechenden Vorhaben derzeit nicht möglich.
Seit der Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V-Bergbau) vom 03. September 2010 bedürfen Untergrundspeicher bei Überschreiten bestimmter Mengenschwellen der Umweltverträglichkeitsprüfung und damit eines förmlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Bundesgesetzgeber für derartige Vorhaben keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen.
Zu 6.:
Gemäß § 9 Umweltstatistikgesetz wurden dem LBEG in den letzten zehn Jahren vier Leitungsschäden im Zusammenhang mit Kavernenspeichern gemeldet. Alle Schäden ereigneten sich bei der heutigen IVG Caverns GmbH, Kavernenanlage Etzel bei Friedeburg.
Jahr |
Ursache |
Eingetretene Schäden |
Schadensbeseitigung |
Art der |
Volumen des ausgetauschten Bodens |
Volumen der abgefahrenen Flüssigkeit |
2010 |
Korrosion |
~28 m³ Sole ausgelaufen |
Leitung repariert, Salzwasserschaden saniert |
Bodenaustausch und Wasserhaltung |
~ 32 m³ |
~ 1.028 m³ |
2010 |
Versagen von Schutzein-richtungen |
~ 5 m³ Mineralölprodukt ausgelaufen |
Ursache abgestellt, Schaden saniert |
Bodenaustausch |
~ 50 m³ |
keine |
2010 |
Materialversagen (Isolierflansch) |
~ 200 m³ Mineralölprodukt ausgelaufen |
Ursache abgestellt, Öl aufgenommen, Schaden saniert |
Bodenaustausch |
~ 1.000 m³ |
keine |
2011 |
Korrosion |
~ 28 m³ Sole ausgelaufen |
Leitung repariert, Salzwasserschaden saniert |
Bodenaustausch und Wasserhaltung |
~ 32 m³ |
~ 10.897 m³ |
Bei den genannten Leitungen handelt es sich um Leitungen aus Stahl.
Zu 7.:
Rohrleitungen auf Untergrundspeichern unterliegen dem Bergrecht und damit der Tiefbohrverordnung. Die Festlegung der Prüfintervalle erfolgt durch die von den Unternehmen beauftragten Sachverständen. Deren Festlegungen werden seitens des LBEG anhand des technischen Regelwerkes geprüft. Die Zeitabstände zwischen den Prüfungen betragen üblicherweise 2 bis 3 Jahre.
Die Untersuchungsberichte der Sachverständigen sind vom Unternehmer umgehend dem LBEG vorzulegen. Sofern bei der Prüfung durch Sachverständige Schäden oder Mängel festgestellt werden, hat der Unternehmer das LBEG mit der Vorlage des Prüfberichtes über die Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Schäden oder Mängel zu informieren.
In den Genehmigungsbescheiden für die Rohrleitungen werden vom LBEG dem Stand der Technik entsprechende Nebenbestimmungen bzw. Auflagen festgelegt, soweit dies nicht bereits durch die Antragsteller und Sachverständigen berücksichtigt wurde.
Zu 8.:
Aufgrund der geringen Fallzahlen und der bekannten Ursachen ist eine entsprechende systematische Überprüfung nicht beabsichtigt.
Artikel-Informationen
erstellt am:
22.06.2012