Bundesverkehrswegeplan - A 39
Der Abgeordnete Jörg Bode (FDP) hatte gefragt:
Aus der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen gehen die unterschiedlichen Einschätzungen zum Nutzen von Autobahnen hervor. Dies wird besonders am Beispiel der A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg deutlich. Ministerpräsident Weil und Verkehrsminister Lies haben sich zwar zur Planung der A 39 bekannt, gleichzeitig aber die Planungsmittel gekürzt und zeitgleich Alternativplanungen im Rahmen der Anmeldung zum BVWP ins Spiel gebracht. Befürworter der A 39 unterstellen Herrn Umweltminister Wenzel, dass er, mit Verweis auf eine ausstehende Kosten-Nutzen-Rechnung zwischen der A 39 und der B 4 augenscheinlich auf Zeit spielt.
Ich frage die Landesregierung:
- Gibt es derzeit eine Berechnung, in welchem Nutzen-Kosten-Verhältnis sich die A 39 bewegt? Wenn ja, ist die Wirtschaftlichkeit aus Sicht der Landesregierung gegeben?
- Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Unwirtschaftlichkeit der A 39 bereits erwiesen ist, so wie es aus einer Meldung der Abgeordneten Miriam Staudte aus dem Jahr 2012 hervorgeht?
- Würde sich die Landesregierung bei einer positiven Kosten-Nutzen-Berechnung zugunsten der A 39 eindeutig hinter den Bau der A 39 stellen?
- Falls ja, gilt dies dann auch für den Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Herrn Stefan Wenzel?
- Welche Bedeutung haben Straßen, insbesondere Autobahnen, bei der Bewältigung des Güterverkehrsaufkommens im Verhältnis zur Schiene und Binnenschifffahrt?
- Wie wird sich das Güterverkehrsaufkommen in den Jahren bis 2050 voraussichtlich entwickeln und auf die unterschiedlichen Verkehrswege verteilen?
- Sind unter der Berücksichtigung der langfristig prognostizierten Entwicklung des Güterverkehrs in Deutschland Autobahnneubauten in Niedersachsen aus Sicht der Landesregierung überflüssig?
- In der Koalitionsvereinbarung sind die „mehr als 200 Straßenbauvorhaben für den BVWP“, die die „abgelöste Landesregierung“ angemeldet hat, als „völlig unrealistisch“ bezeichnet worden. Wie beurteilt die Landesregierung vor diesem Hintergrund die eigene vorläufige Anmeldung mit 228 Maßnahmen?
- Wenn die 241 Maßnahmenvorschläge zum BVWP der Vorgängerregierung durch Herrn Minister Wenzel „als völlig überzeichnet“ charakterisiert werden (az-online vom 17.06.2013), wie kategorisiert Minister Wenzel in diesem Zusammenhang die 228 Maßnahmen, die er als Kabinettsmitglied verabschiedet hat?
- Wenn die Umsetzung der 241 Maßnahmenvorschläge zum BVWP der Vorgängerregierung laut Minister Wenzel „für einen Zeitraum von 200 Jahren ausreichen“, wie viele Jahre dauert die Umsetzung der 228 Maßnahmen, die er als Kabinettsmitglied verabschiedet hat?
- Worauf bezieht sich die exakte Berechnung von Minister Wenzel, sowohl die 200 Jahre für 241 Maßnahmen als auch die 228 Maßnahmen für x Jahre?
- Wie viele Maßnahmen des aktuellen BVWP sind in Niedersachsen in den vergangenen zehn Jahren umgesetzt worden?
- Ist es realistisch, bei einer Berechnung von 241 Maßnahmen, verteilt auf 200 Jahre, für Niedersachsen von einer Umsetzung von 1,2 Maßnahmen des BVWP pro Jahr auszugehen?
- Wenn ja, wo liegt dann die Verhältnismäßigkeit der Kritik aus der Koalitionsvereinbarung bei gleichen Voraussetzungen, wenn für die angemeldeten 228 Maßnahmen dann 189 Jahre benötigen würden?
- Wenn diese Berechnungen, die auf die Aussagen von Minister Wenzel und die Formulierungen in der Koalitionsvereinbarung zurückzuführen sind, nicht zutreffen sollten, warum argumentiert die Landesregierung so unterschiedlich bei den 241 Maßnahmen der Vorgängerregierung und bei den 228 Maßnahmen der eigenen vorläufigen Anmeldung?
- Kann die Landesregierung die Äußerungen des Kreisverband Lüneburg von Bündnis 90/Die Grünen erläutern, wonach die A 39 bei näherer Betrachtung des Koalitionsvertrages „näher an die Abbruchkante gekommen ist“ (http://gruene-lueneburg.de/home/blog/meldung/article/
der_kampf_geht_weiter/)? - Hat die Landesregierung eine genaue Vorstellung, was unter dem Begriffspaar „Asphalt-Parteien“ zu verstehen ist, wie sie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Frau Miriam Staudte, mit Bezug auf MdL Andrea Schröder-Ehlers (Link) verwendet hat?
- Würde sich die rot-grüne Landesregierung nach der Verabschiedung der 228 Maßnahmen für den BVWP auch diesem Begriffspaar unterordnen lassen oder durch MdL Staudte lassen müssen?
Verkehrsminister Olaf Lies beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 13.08.2013 wie folgt:
Für ein Flächenland wie Niedersachsen gilt in besonderem Maße, dass Mobilität, Infrastruktur und Wirtschaftsentwicklung eng miteinander verzahnt sind. Eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur ist die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Mobilität. Die Landesregierung sieht es als ihre Aufgabe an, den verkehrspolitischen Rahmen dahingehend zu gestalten, dass alle Regionen optimale Bedingungen für wirtschaftliches Wachstum haben.
Durch die Verkehrsprognosen stellen sich gewaltige Herausforderungen. Die Gutachter gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2025 der Personenverkehr um 16 % und der Güterverkehr um 79 % zunehmen werden. Die neue Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Güterverkehr vermehrt von der Straße auf die Schiene und die Binnenwasserstraßen zu verlagern. Das ist wichtig und notwendig, um einen Verkehrskollaps auf den Fernstraßen zu vermeiden. Der Zubau an Straßen kann schon allein aus finanziellen Gründen mit der prognostizierten Zunahme des Güterverkehrs nicht mithalten.
Der Neubau der A 39 von Lüneburg nach Wolfsburg mit rund 105 km ist deshalb ein wichtiges Infrastrukturvorhaben für Niedersachsen. Seine Realisierung hat nicht nur für Niedersachsen, sondern für den gesamten norddeutschen Raum große wirtschaftliche und verkehrliche Wirkung. Im großräumigen Bereich werden die Wirtschaftsräume in Süd- und Osteuropa mit der Ostsee und Skandinavien verbunden; im regionalen Bereich verbessert der Bau der A 39 die Standortqualitäten in bisher benachteiligten Regionen. Die norddeutschen Länder sind sich darin einig, dass die Häfen an Nord- und Ostsee auf zuverlässige Hinterlandanbindungen angewiesen sind.
Als Bestandteil eines Gesamtkonzeptes A 39 und A 14 (Magdeburg – Schwerin) sowie der verbindenden B190n soll die A 39 den norddeutschen Raum erschließen und die Städte Lüneburg und Wolfsburg miteinander verbinden. Weiterhin schafft sie eine direkte Vernetzung der Räume Hamburg/Lüneburg und Braunschweig/Wolfsburg/
Salzgitter.
Bei Bundesfernstraßen entscheidet aber auch letztendlich der Bund, was, wann und wo gebaut wird. Dessen ist sich die Landesregierung bewusst und hat es in der Koalitionsvereinbarung zum Ausdruck gebracht.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Nach dem Grundgesetz planen, bauen und unterhalten die Länder die Bundesfernstraßen im Rahmen der Auftragverwaltung des Bundes. Die im Zusammenhang mit dem Bundesverkehrswegeplan stehende Methodik und Durchführung der Nutzen-Kosten-Untersuchung ist jedoch ausschließlich der Bundesregierung zugeordnet.
Das BMVBS hat 2012 eine Nachbewertung der Maßnahme durchführen lassen, die ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von 1,9 ergeben hat. Damit ist weiterhin die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme gegeben.
Zu 2.:
Nein, die Erkenntnisse der derzeitigen Planungsphase geben keinen Anlass dazu.
Zu 3.:
In ihrem Koalitionsvertrag hat die Landesregierung die klare Vereinbarung getroffen, die Planungen zur A 20 und zur A 39 fortzuführen.
Zu 4.:
Der Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel gehört der Landesregierung an, insofern trägt er auch die Beschlüsse der Landesregierung mit.
Zu 5.:
Den einzelnen Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße sind unterschiedliche Systemvorteile zuzuordnen und sind damit nicht beliebig austauschbar. In Abhängigkeit von den Verkehrsarten gehen die Verkehrsexperten bei ihren Verkehrsprognosen davon aus, dass der größte Anteil des Güterverkehrsanstiegs auf der Straße stattfinden wird.
Zu 6.:
Eine seriöse quantitative Vorhersage der langfristigen Entwicklung des Güterverkehrsaufkommens in den Jahren über 2025 hinaus bis 2050 kann aufgrund des langen Vorhersagezeitraums nicht getroffen werden.
Zu 7.:
Nein.
Zu 8.:
Die dem Bund im Dezember 2012 übergebene Wunschliste enthielt 65 Vorhaben, die noch unter einem ausdrücklichen Prüfvorbehalt standen, ohne dass seinerzeit dieser Punkt thematisiert worden wäre.
Bei der Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) nimmt die Landesregierung die Mitwirkungsmöglichkeiten des Landes Niedersachsen bei der Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) als Chance, Verkehrsplanung vorausschauend und realistisch zu gestalten.
Die neue Landesregierung hat daher diese Projekte auf den Prüfstand gestellt und die Vorhaben hinsichtlich Machbarkeit und erforderliche Projektanpassungen / bzw. -änderungen durchleuchtet. Dieser Prozess wurde mit der Kabinettsbefassung vom 25.06.2013 abgeschlossen.
Zu 9. bis 11.:
Die Landesregierung legt großen Wert darauf festzustellen, dass die am25.06.2013 dem Kabinett vorgelegte Liste der anzumeldenden Maßnahmen eine Vorschlagsliste ist, die dem Bund – wie vom Bund gefordert - zur Prüfung und Bewertung übersandt werden soll. Ferner wurde das weitere Vorgehen zur Aufstellung des BVWP gebilligt. Die Liste mit 228 Projekten beinhaltet keine Priorisierung oder Vorfestlegung auf Maßnahmen, die auch tatsächlich umgesetzt werden sollen. Die dem Bund vorgelegten Maßnahmen werden einer Kosten-Nutzen-Berechnung nach einer neu entwickelten Methode unterzogen und aus Sicht der Bundesregierung bewertet. Bis zum Ende des Jahres ist vorgesehen, dass das Land eigene, ihren ökologischen, ökonomischen und gesellschaftspolitischen Ansprüchen genügende Kriterien entwickelt, nach denen die Projekte bewertet werden sollen. Sobald im kommenden Jahr der Bund seine Prüfung abgeschlossen hat, werden die Maßnahmen auf Grundlage der nds. Kriterien bewertet. Unter Beteiligung der Öffentlichkeit wird eine Prioritätenliste des Landes erarbeitet. Im Ergebnis wird die Landesregierung eine Liste vorlegen, die die für das Land notwendigen Verkehrsprojekte aufführt, die auch tatsächlich finanziert und umgesetzt werden können. Das Ergebnis dieses Prozesses wird der Bundesregierung Ende 2014/Anfang 2015 als niedersächsische Anmeldung zum BVWP übergeben werden. So soll vermieden werden, dass das eintritt, was Minister Wenzel mit „als völlig überzeichnet“ beschrieben hat; dass nämlich Listen mit Verkehrsprojekten als Anmeldung dem Bund übergeben werden, die nicht finanzierbar sind und deren Umsetzung, wenn die bei Verkehrsprojekten des BVWP erfahrungsgemäß auftretenden Planungs- und Bauzeiten angesetzt werden, einen Umsetzungszeitraum von ca. 200 Jahren benötigen würden.
Zu 12.:
In den vergangenen zehn Jahren wurden 62 Maßnahmen des aktuellen Bundesverkehrswegeplanes für den Verkehr freigegeben.
Zu 13. und 14.:
Die finanzielle Situation der Vergangenheit lässt keine Schlüsse auf einen künftigen BVWP zu. Der Bund hat es versäumt, mit der Grundkonzeption auch ein Finanzierungsvolumen bekannt zu geben. Es ist deshalb nicht möglich voraus zu sagen, wie viele Projekte in den BVWP aufgenommen bzw. davon in der neuen Laufzeit realisiert werden können.
Es ist nicht zu erwarten, dass am Ende alle vom Land gemeldeten Projekte gebaut werden.
Zu 15.:
Die Aussage von Herrn Minister Wenzel, der die Anmeldung von 241 Maßnahmenvorschlägen durch die alte Landesregierung „als völlig überzeichnet“ beschrieben hat, kann als Illustration der Politik der alten Landesregierung verstanden werden, die den Eindruck erweckt hat, als hätte jedes dieser 241 Projekte die potentielle Chance auf Realisierung. Tatsächlich zeigt die Erfahrung (siehe Antwort auf Frage 12), dass sehr viel weniger Projekte auch tatsächlich umgesetzt werden. Aus der Prioritätenliste, die die Landesregierung Ende 2014/Anfang 2015 beschließen und dem Bundestag und der Bundesregierung zuleiten wird, wird ersichtlich sein, welche Projekte eine echte Realisierungschance haben.
Zu 16. bis 18.:
Nein.
Artikel-Informationen
erstellt am:
30.08.2013
zuletzt aktualisiert am:
24.10.2013
Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke
Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Pressesprecher
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