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Industrie 4.0

Der Abgeordnete Axel Miesner (CDU) hatte gefragt:

Schwerpunkt der diesjährigen Hannover-Messe war die „Integrated Industry“, auch „Industrie 4.0“ genannt. Gemeint ist damit die Vernetzung des Maschinen- und Anlagenbaus mit IT-Anwendun­gen. Maschinen können untereinander und mit Werkstücken kommunizieren. Die Branchenverbände BitKOM, VDMA und ZVEI haben mit der „Plattform Industrie 4.0“ eine Basis geschaffen, um sich gemeinsam dieser Herausforderung zu stellen und ihre Chancen zu nutzen.

Experten sehen in der „Verschmelzung“ von Elektrotechnik, Maschinenbau und Internet enorme Chancen und Produktionsschübe von bis zu 30 %, die dazu beitragen, dass die deutsche Industrie ihren weltweiten Vorsprung hält.

Die Bundesregierung sieht in der „Industrie 4.0“ Vorteile für den Industriestandort Deutschland und investiert 200 Mio. Euro in ein Förderprogramm.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Chancen der „Industrie 4.0“ für die niedersächsische Wirtschaft?
  2. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, niedersächsische Unternehmen bei der Nutzung des 200-Millionen-Programms der Bundesregierung zu unterstützen?
  3. Mit welchen weiteren Initiativen will die Landesregierung die niedersächsischen Unternehmen in der Weiterentwicklung zur „Integrated Industry“ unterstützen?

Wirtschaftsminister Olaf Lies beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung am 30.07.2013 wie folgt:

In der industrietechnologischen Fachdiskussion bezeichnet „Industrie 4.0“ Prozesse zur elektronischen Vernetzung oder Informatisierung der klassischen Produktionstechnik, durch die Produktionsanlagen und teilweise auch die zu produzierenden Güter durch so genannte Cyber-Physical-Systems (CPS) so programmiert und miteinander vernetzt sind, dass eine weitgehende ressourceneffiziente Selbststeuerung der Anlagen und Abläufen möglich wird.

Ziel dabei ist, dass „intelligente“ Maschi­nen, Lagersysteme und Betriebsmittel im Rahmen so genannter intelligenter Fabriken oder „Smart Factories“ eigenstän­dig Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich gegenseitig selbstständig steuern, um so Produktion, Materialverwendung sowie Liefer­ketten und Lebenszyklusmanagements von Produktionsmitteln grundlegend zu verbessern. Teilweise wird für diese Vernetzung auch die Bezeichnung „Internet der Dinge“ verwendet.

Die Entwicklung und der verstärkte Einsatz von „Industrie 4.0“-Technologien werden in der wissenschaftlichen und industriepolitischen Diskussion als besondere Chance betrachtet, die Wettbewerbfähigkeit des Industriestandortes Deutschland durch ressourceneffizientere Produktionsverfahren weiter abzusichern. Ferner wird in „Industrie 4.0“-Anwendungen auch ein Potential dafür gesehen, die Formen industrieller Arbeitsorganisation besser auf soziale Herausforderungen wie etwa den demographischen Wandel auszurichten und damit einen Beitrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung in Deutschland zu leisten. Denkbar wäre dies beispielsweise, wenn Produktionsabläufe durch entsprechend gesteuerte Mensch-Maschine-Interaktionsformen besser auf die Arbeitsbedingungen in älteren Belegschaften abgestimmt werden können.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung als Bestandteil ihrer „Hightech-Strategie (HTS)“ ein eigenes Teilprojekt mit dem Titel „Industrie 4.0“ aufgelegt und stellt in diesem Rahmen Fördermittel für Forschungs- und Innovationsprojekte zur Verfügung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Die industrielle Produktion ist in Niedersachsen ein zentraler Faktor des wirtschaftlichen Wohlstands. Hinsichtlich der Einsatzbereiche für „Industrie 4.0“-Technologien wird davon ausgegangen, dass diese einen maßgeblichen Einfluss insbesondere auf zukünftige Produktions- und Lieferabläufe im Maschinen- und Anlagenbau, der Elektrotechnik und der Automobilindustrie haben werden. Von einer Vernetzung dieser Bereiche mit der IT-Industrie wird ein starkes Wachstumspotential erwartet.
Als weiterer zentraler Anwendungsbereich wird die Energiewirtschaft gesehen, für die unter dem Begriff „Industrie 4.0“ Konzepte zur Energieversorgung mit intelligenten Stromnetzen („Smart Grids“) subsumiert werden. Die „Smart Grids“ sollen es ermöglichen, Stromnetze auch unter den Auswirkungen fortschreitender Dezentralisierung von Erzeugung und Verbrauch zu betreiben, die infolge der „Energiewende“ absehbar weiter zunehmen werden.
Da Niedersachsen in diesen Bereichen ausgewiesene wirtschaftliche Schwerpunkte mit einer hohen Anzahl von Beschäftigten besitzt, betrachtet die Landesregierung Entwicklung und Einsatz von „Industrie 4.0“-Technologien auch für die niedersächsische Wirtschaft als eine besondere Chance, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Betreibe und die Beschäftigungsfähigkeit der zugehörigen Belegschaften weiter abzusichern.
Auch eingedenk der positiven Erwartungen gegenüber „Industrie 4.0“-Anwendungen wird der notwendige Technologietransfer in die Industrie allerdings voraussichtlich noch eine Weile dauern. Hintergrund sind verschiedene Hemmnisse für die Unternehmen, auf die u. a. der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) in seinem aktuellen VDE-„Trendreport“ unter Auswertung einer Unternehmensbefragung hingewiesen hat:
Demnach gibt es noch eine Reihe ungelöster Fragen hinsichtlich der Standardisierung und Normung von Produktionsabläufen sowie zur Gewähr ausreichender Informationssicherheit. Beispielsweise bestehen bei der Vernetzung von Produktionsanlagen nicht nur Risiken in Hinblick auf eine unrechtmäßige Verfolgung und Speicherung von Prozessdaten, sondern auch in der Möglichkeit von Eingriffen in den Produktionsablauf selbst. Daneben wirken aus Sicht der Unternehmen auch der von ihnen beobachtete Fachkräftemangel in MINT-Berufen und die teilweise sehr hohen Investitions- und Rüstkosten hemmend auf die Umsetzung von „Industrie 4.0“-Strategien.

Zu 2.:
Es liegt im Interesse der Landesregierung, wenn Unternehmen aus Niedersachsen zur Umsetzung betrieblicher Innovationen die öffentlichen Förderprogramme des Landes, des Bundes und der Europäischen Union nutzen. Die Unternehmen können dafür kostenlos projektbezogene und allgemeine Förderberatungen bei der Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank) in Anspruch nehmen. Neben den Förderprogrammen des Landes bezieht die NBank in ihre Beratungen auch die Förderprogramme des Bundes und der Europäischen Union mit ein. Bei der Akquisition von Fördermitteln erhalten Unternehmen außerdem Unterstützung durch die vom Land geförderten Netzwerke und Landesinitiativen.

Zu 3.:
Eine zentrale Voraussetzung für die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft zur „Integrated Industry“ sind die technischen Grundlagen der Vernetzung in Form leistungsfähiger Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetze.
Die Landesregierung setzt hier einen Förderschwerpunkt und hat am 28.05.2013 beschlossen, diesen in der EU-Förderperiode 2014-2020 mit einem Mittelvolumen in Höhe von rd. 60 Mio. Euro auszustatten. Die Bereitstellung der Fördermittel soll im Rahmen der drei EU-Fonds – „Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE)“, „Europäischer Sozialfonds (ESF)“ sowie „Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)“ – unter Berücksichtigung der jeweiligen finanziellen und inhaltlichen Fördermöglichkeiten erfolgen.

Bereits in der laufenden EU-Förderperiode 2007-2013 unterstützt die Landesregierung aus Landes- und EFRE-Mitteln als einen zentralen Förderschwerpunkt Forschungseinrichtungen, Verbünde und Netzwerke, in denen Unternehmen und wissenschaftliche Institute gemeinsam auch die Entwicklung und Anwendung von „Industrie 4.0“-Technologien umsetzen:
Nur beispielsweise genannt seien das Forschungsnetzwerk „Industrial Informatics (INDIN)“ als Zusammenschluss mehrerer niedersächsischer Fachhochschulstandorte, das „Automotive Cluster Nordwest“ oder die „Landesinitiative Energiespeicher und Systeme“. Mit den Netzwerken „SafeTrans“, „Automotive Osnabrück“ und dem „Automotivecluster“ der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg bestehen ferner weitere niedersächsische Netzwerke der Automobilindustrie, in denen auch Fragestellungen zu „Industrie 4.0“-Technologien bearbeitet werden.

Bei der betrieblichen Umsetzung von „Industrie 4.0“-Anwendungen können Unternehmen in der laufenden EU-Förderperiode 2007-2013 das technologieoffene Niedersächsische Innovationsförderprogramm (IFP) nutzen:
Mit dem IFP unterstützt die Landesregierung aus Landes- und EFRE-Mitteln Unternehmen aller Branchen mit Sitz in Niedersachsen bei der Einführung neuer oder erheblich verbesserter Produkte, Produktionsverfahren oder Dienstleistungen. Nach aktueller Planung der Landesregierung soll die Innovationsförderung in Unternehmen auch im Rahmen der EU-Förderperiode 2014-2020 ein Gegenstand der EFRE-Förderung des Landes bleiben.

Darüber hinaus sind „Industrie 4.0“-Konzepte auch ein Gegenstand der universitären Forschung in Niedersachsen:
Beispielhaft genannt sei das OFFIS Institut für Informatik an der Universität Oldenburg. OFFIS hat zu der Erarbeitung der Forschungsstrategie für „Industrie 4.0“ auf Bundesebene maßgeblich beigetragen. Im Bereich Verkehr wird an Methoden zur Entwicklung von sicherheitskritischen Cyber Physical Systems für Autos, Flugzeuge und maritime Anwendungen gearbeitet. Ferner wird hingewiesen auf die Aktivitäten des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der Technischen Universität Braunschweig: Das IWF bearbeitet das Thema „Industrie 4.0“ mit dem Ziel, durch die Integration energieautarker Sensorik Qualität und Ressourceneffizienz in der Produktion zu verbessern. Insbesondere zu verweisen ist auf eine Beteiligung des IWF an einer Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit einem Projekt zum Einsatz von cyber-physischen Systemen (CPS).
Auch das Produktionstechnische Zentrum (PZH) der Leibniz Universität Hannover verfügt über ein großes Know-how in der Umsetzung von „Industrie 4.0“-Strategien. Derzeit wird unter der Leitung des Instituts für Transport- und Automatisierungstechnik das Forschungsprojekt „CogniLog“ durchgeführt, das aus Mitteln des EFRE und aus Landesmitteln gefördert wird. In Zusammenarbeit mit den Forschungspartnern OFFIS, der Hochschule Osnabrück und diversen Industrieunternehmen werden neue Wege in der kognitiven Förderlogistik aufgezeigt.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
30.08.2013
zuletzt aktualisiert am:
24.10.2013

Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke

Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Pressesprecher
Friedrichswall 1
30159 Hannover
Tel: (0511) 120-5427
Fax: (0511) 120-995427

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