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Ist eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft für Bundesstraßen eine „Kampfansage an die Länder“?

Plenum 17. Dezember 2015 - Mündliche Anfragen - Frage 66


Abgeordnete Jörg Bode und Gabriela König (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Eine unabhängige Expertenkommission, die von Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) im August 2014 eingesetzt worden ist, hat Bau, Betrieb und Instandhaltung von Bundesstraßen und Autobahnen durch eine neu zu gründende Verkehrsinfrastrukturgesellschaft empfohlen.

Im Bericht der Expertenkommission heißt es: „Eine leistungsfähige, zukunftsorientierte öffentliche Infrastruktur und eine hohe Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland für in- und ausländische Investitionen sind Grundvoraussetzungen für die langfristige Sicherung des Wohlstands in Deutschland“ (http://docs.dpaq.de/8783-auszug_aus_dem_bericht_der_expertenkommission.pdf).

Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft soll sich aus der Lkw-Maut, aus einer künftigen Pkw-Maut und aus Kreditaufnahmen finanzieren können. Sie soll überwiegend in der Hand des Staates sein, aber, vor dem Hintergrund der Schuldenbremse, Privatinvestoren offenstehen. Sie dient der Mobilisierung privaten Kapitals. Bisher teilen sich Bund und Länder diese Aufgaben. Für dieses Vorhaben ist eine Grundgesetzänderung erforderlich.

MdL Schminke (SPD) beurteilt dieses Vorhaben als „offene Kampfansage an die Länder“ (Hessisch Niedersächsische Allgemeine, 23. November 2015). MdB Kahrs (SPD) sagte Folgendes: „Das wäre eine staatliche Gesellschaft zur Umgehung der Schuldenbremse“ (Handelsblatt, 22. April 2015).

Vorbemerkung der Landesregierung

Die angesprochene Expertenkommission „Stär­­kung von Investitionen in Deutschland“ (Fratzscher-Kommission) kommt in ihrem Schluss­bericht im Hinblick auf den bestehenden Handlungsbedarf bei den Bundesfernstraßen zu folgender Einschätzung: „Ziel muss es dabei sein, Beschaffungsprozesse und Projektrealisierung effizient zu gestalten, um den Herausforderungen für eine langfristige, nachhaltige Infrastrukturfinanzierung begegnen zu können. Zudem gilt es sicherzustellen, dass ausreichend Kapital für Betrieb, Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur mobilisiert werden kann.“ Die Fratzscher-Kommission spricht damit zwei grundsätzliche Handlungsstränge an.

Zum einen werden organisatorische Maßnahmen in Erwägung gezogen, die die heutige Struktur der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen durch die Länder und damit deren grundgesetzliche Definition betreffen. Zum anderen sind es aber Empfehlungen gem. des originären Auftrages der Fratzscher-Kommission für erweiterte Finanzierungsinstrumente (z.B. Infrastrukturfonds, Bürgerfonds) und mehr Mittel für die Infrastruktur.

Weiter heißt es: „Die genaue Gestaltung einer solchen Gesellschaft liegt außerhalb des Rahmens der Diskussion innerhalb der Expertenkommission und sollte Aufgabe einer sorgfältigen Prüfung durch die Bundesregierung sein.“

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen weder einem der Bundesländer noch dem Bundesrat eine sorgfältige Prüfung und ein darauf aufbauendes Konzept des Bundes für die von der Fratzscher-Kommission angeregten Punkte vor.

1. Welche Haltung hat die Landesregierung gegenüber einer empfohlenen Infrastrukturgesellschaft, wie sie durch die unabhängige Expertenkommission im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers Gabriel im Rahmen einer Bundespressekonferenz am 13. April und eines Investitionskongresses am 21. April im Bundeswirtschaftsministerium vorgestellt worden ist?

Über­legun­gen zur „Stär­­kung von Investitionen in Deutschland“ sowie generelle Bestrebungen, die dazu führen, dass dauerhaft und verstetigt mehr Mittel als bisher in Bau und Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur investiert werden können, werden begrüßt. Daher ist der so genannte „Inves­­titionshochlauf des Bun­des“ eine wichtige Entwicklung, die es jedoch über das Jahr 2018 hinaus zu verstetigen gilt.

Organisatorische Maßnahmen sollten dagegen dazu führen, schnelle, wirk­sa­me und nachhaltige Lösun­gen zur Effi­zienz­stei­gerung zu bevorzugen. Die Optimie­rung kann nur im bestehen­den System der Auftragsverwaltung erfolgen.

Im Übrigen hat die Verkehrsminister­konferenz auf ihrer Sitzung am 08./09.10.2015 in Bezug auf diese Punkte einen entsprechenden einstimmigen Beschluss ge­fasst.

2. Vor dem Hintergrund der faktisch vorhandenen Investitionslücke in der deutschen Infrastruktur und des daraus resultierenden Handlungsbedarfs: Welchen Weg favorisiert die Landesregierung zum Abbau der Investitionslücke mit dem Ziel, eine leistungsfähige, zukunftsorientierte öffentliche Infrastruktur und eine hohe Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zu erreichen?

Die Landesregierung steht weiter zu dem einstimmigen Beschluss der Sonder-Verkehrsministerkonferenz vom 2. Oktober 2013 und den dort gemachten Vorschlägen. Dabei stehen die Verbesserung der Haushaltsfinanzierung und die Erweiterung der LKW-Maut in der Priorität des Landes oben an. Maßgeblich ist dabei die Verstetigung der Finanzmittel auf hohem Niveau. Dies muss auch über das Jahr 2018 hinaus durch den Bund sichergestellt werden.

3. Vor dem Hintergrund der Einschätzung von MdL Schminke, dass eine Infrastrukturgesellschaft zur Mobilisierung privaten Kapitals für Investitionen in die öffentliche Infrastruktur eine „offene Kampfansage an die Länder“ ist: Würde die Landesregierung die erforderliche Grundgesetzänderung im Bundesrat ablehnen?

Mög­liche Veränderungen des bishe­ri­gen Systems der Auftragsverwaltung müssen fundiert und in enger Zusammenarbeit mit den Ländern untersucht und bewertet werden. Strukturelle oder organisatorische Maß­nahmen werden wir nur dann unterstützen, wenn dadurch Vorteile für die Gesamtstraßen­infrastruktur sowie die verkehrs- und strukturpolitischen Ziele Niedersachsens erreicht werden können. Die durch die Verkehrsministerkonferenz eingesetzte Kommission „Bau und Unter­hal­tung des Verkehrsnetzes“ (Bodewig-II-Kommission) wird dies prüfen.

Eine Abschaffung der Auftragsverwaltung lehnen wir ab.

Nachhaltigen Verbesserungen für eine wirtschaftliche Finanzierung von Infrastruktur stehen wir positiv gegenüber. Dabei ist klar, dass eine Priva­ti­sierung von Bundesfernstraßen nicht mit dem Auftrag der öffentlichen Hand vereinbar ist, für eine funk­ti­o­nie­rende Verkehrs­infra­struktur zu sorgen, und lehnen sie daher ab.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
17.12.2015

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