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„Meldete das Wirtschaftsministerium offensichtlich ungeeignete Strecken für den Gigaliner-Feldversuch?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.09.2012 - TOP 39. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Gerd Will, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Wolfgang Jüttner, Jürgen Krogmann, Olaf Lies, u.a.


Die Abgeordneten Gerd Will, Heinrich Aller, Marcus Bosse, Wolfgang Jüttner, Jürgen Krogmann, Olaf Lies, Roland Schminke, Klaus Schneck, Petra Tiemann und Sabine Tippelt (SPD) hatten gefragt:

Bundesverkehrsminister Ramsauer versucht, dem Gigaliner-Feldversuch, an dem sich nur sechs Bundesländer beteiligen, zum Erfolg zu verhelfen. Zwischenzeitlich beschäftigt sich auch das Bundesverfassungsgericht mit der Zulässigkeit des Feldversuchs. Fraglich ist, ob es beim Feldversuch zuerst um die Gewinnung fachlicher Erkenntnisse geht oder vielmehr darum, dem von der großen Mehrheit der Verkehrsteilnehmer abgelehnten Gigaliner zu mehr Akzeptanz zu verhelfen.
Minister Ramsauer hat mit Ausnahmeverordnung vom 21. Mai 2012 zusätzliche Strecken, darunter auch solche mit sogenannten höhengleichen Bahnübergängen, für den Feldversuch zugelassen. Dabei konnte er sich der Unterstützung der Niedersächsischen Landesregierung gewiss sein; denn das Bundesverkehrsministerium (BMVBS) konnte nur Strecken aufnehmen, die von den Ländern gemeldet wurden. Unter den gemeldeten Bahnübergängen sind offenbar auch Strecken mit höhengleichen Bahnübergängen. Allerdings hat das BMVBS in seinem Schreiben vom 10. November 2012 höhengleiche Bahnübergänge grundsätzlich als nicht geeignet für das Befahren mit Lang-Lkw bezeichnet.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Warum wurden von ihr Strecken mit höhengleichen Bahnübergängen gemeldet, obwohl diese nach Auffassung des BMVBS für Gigaliner nicht geeignet sind, und in welchem Umfang wurden diese Bahnübergänge unter diesem besonderen Nutzungsgesichtspunkt jeweils verkehrssicherheitstechnisch überprüft?
  2. Welche nicht schon im ersten Feldversuch zwischen den Jahren 2006 und 2007 gewonnenen Erkenntnisse erhofft sich die Landesregierung vom neuerlichen eldtest?
  3. Wie aussagekräftig kann der neuerliche Feldversuch aus Sicht der Landesregierung sein, wenn nur sechs von sechzehn Bundesländern daran teilnehmen und es daher zwangsläufig zu räumlichen Friktionen des Feldversuchs kommt?

Wirtschaftsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Niedersachsen hatte sich bereits 2006 in einem eigenen Pilotversuch ein Bild von Nutzen und Risiken beim Einsatz der Lang-LKW gemacht. Der Versuch wurde in Zusammenarbeit mit der Uni Hannover ausgewertet. Im Ergebnis überwiegen die Vorteile der Lang-LKW deutlich. Da für den Transport des gleichen Ladungsvolumens statt drei normaler LKW nur noch zwei Lang-Lkw benötigt werden, reduzieren sich Spritverbrauch und CO2-Ausstoß um ca. 30%. Gleichzeitig verringert sich der Platzbedarf auf der Straße, was zu einer Entlastung stark befahrener Autobahnen führt.
Zur Festlegung des befahrbaren Streckennetzes hatte sich Niedersachsen über die Industrie- und Handelskammern an die Unternehmen gewandt und um Meldung von Strecken gebeten, die für die Nutzung durch Lang-LKW interessant sein könnten. Die zahlreich gemeldeten Strecken wurden durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr unter Anhörung der zuständigen kommunalen Behörden auf Befahrbarkeit hin geprüft. Alle als befahrbar eingestuften Strecken wurden vom Bundesverkehrsministerium als Positivnetz in den Anhang der Ausnahmeverordnung aufgenommen.
Aufgrund von Hinweisen der Allianz-pro-Schiene, dass im veröffentlichten Streckennetz auch Querungen von höhengleichen Bahnübergängen vorhanden sein sollen, wurden bereits im März 2012 alle bis dahin von Niedersachsen gemeldeten Strecken noch einmal auf diesen Sachverhalt hin überprüft. Für den größten Teil der Strecken mit höhengleichen Querungen lagen Zustimmungen der zuständigen Eisenbahnstreckenbetreiber vor, für die anderen wurden Alternativrouten festgelegt. Eine Strecke wurde aus dem befahrbaren Streckennetz gestrichen. Die Änderungen wurden umgehend dem Bundesministerium für Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und der Bundesanstalt für Straßenwesen gemeldet.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Mit Schreiben vom 10.11.2010 hatte das BMVBS als Randbedingung zum Feldversuch festgelegt, dass „die Strecken grundsätzlich nicht über höhengleiche Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Bahnübergänge) führen sollen.“
Dies gilt auf jeden Fall für Bahnstrecken auf denen Taktverkehre mit höheren Geschwindigkeiten und Güterverkehre in erheblichem Umfang stattfinden.
Die oben genannte Formulierung des BMVBS bedeutet aber nicht, dass Bahnübergänge in keinem Fall befahren werden dürfen. So gibt es zahlreiche Bahnübergänge, beispielsweise im Bereich von Häfen und Werksbahnen, auf denen es nur sehr wenig Bahnverkehr mit geringen Geschwindigkeiten gibt. Diese können auch mit Lang-LKW problemlos befahren werden. Das BMVBS hatte deshalb in einem Schreiben vom 27.02.2012 zu diesem Sachverhalt näher ausgeführt, dass „Bahnübergänge im Verlauf der gemeldeten Strecken auf eine problemlose Befahrbarkeit hin“ überprüft werden müssen.
Diese Prüfung wurde wie bereits in den Vorbemerkungen dargestellt in jedem Fall vorgenommen.
Aktuell liegen für alle Strecken in Niedersachsen, die über höhengleiche Bahnübergänge führen, Zustimmungen der zuständigen Eisenbahnstreckenbetreiber vor. Darunter sind keine Strecken der Deutschen Bahn AG, auf denen Taktverkehre stattfinden.

Zu 2.:
Die in Niedersachsen gewonnenen Erkenntnisse beruhen auf einer wissenschaftlichen Auswertung eines Pilotversuchs mit nur drei Fahrzeugkombinationen über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum. Diese Erkenntnisse waren ausreichend für eine positive Anfangsbewertung des neuen Fahrzeugkonzepts, für eine statistisch abgesicherte Aussage war die Anzahl der beteiligten Fahrzeuge jedoch viel zu gering. Am neuen Feldversuch der Bundesregierung werden wesentlich mehr Fahrzeuge teilnehmen und das befahrbare Streckennetz wird erheblich ausgedehnt. Die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen unter Beteiligung verschiedener wissenschaftlicher Institute kann sich deshalb auf eine wesentlich umfangreichere Datenbasis abstützen und statistisch abgesicherte Aussagen treffen.
So wird beispielsweise auch die von Gegnern des Konzepts immer wieder aufgestellte Behauptung, dass Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert werden könnte, eine wichtige Fragestellung sein. Im Pilotversuch Niedersachsens konnte dies aufgrund der geringen Anzahl der Versuchsteilnehmer nicht untersucht werden.

Zu 3.:
Neben Niedersachsen beteiligen sich Schleswig-Holstein, Hessen, Bayern, Sachsen, Hamburg und Thüringen am Feldversuch. Sachsen-Anhalt hat der Durchfahrt auf den Autobahnen nach Sachsen zugestimmt.
Zwar ist es aus niedersächsischer Sicht bedauerlich, dass sich insbesondere die Länder Nordrhein-Westfalen und Bremen nicht beteiligen, da hierdurch interessante Streckenführungen für Speditionen aus dem Osnabrücker Raum nicht möglich sind, jedoch hat dies für die Aussagekraft des Feldversuchs kaum Bedeutung, da das freigegebene Streckennetz immer noch ausreichend groß ist, um einen repräsentativen Querschnitt über das deutsche Straßennetz darzustellen. So sind im bundesweiten Feldversuch kurze und lange Streckenverläufe mit unterschiedlicher Topologie befahrbar. Wichtig sind auch die Anbindungen von Seehäfen (z.B. Hamburg) und Güterverkehrszentren, um auch die Vernetzung mit dem kombinierten Verkehr erproben zu können.

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erstellt am:
28.09.2012

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