Pläne zur Förderung von Schiefergas in den Niederlanden
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.06.2014 - TOP 31. Antwort vom Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Volker Bajus (GRÜNE) und Gerd Ludwig Will (SPD)
Die Abgeordneten Volker Bajus (GRÜNE) und Gerd Ludwig Will (SPD) hatten gefragt:
Wie nach Medienberichten vom 29. Mai 2014 bekannt wurde, wird derzeit in den Niederlanden - wie in vielen europäischen Ländern - diskutiert, wie und ob Erdgas aus Schiefergestein-Vorkommen gefördert werden kann. Dazu wollen die Niederlande eine „Strukturvision Schiefergas“ erarbeiten und Anfang 2015 vorlegen. In der Strukturvision soll dargelegt werden, ob und, wenn ja, in welchen Gebieten eine Schiefergasförderung möglich werden soll. Zur Risikoabschätzung hat die Regierung der Niederlande eine Strategische Umweltprüfung eingeleitet.
Zur Durchführung dieser Umweltprüfung liegt eine „Concept notitie reikwijdte en detailniveau planmer Structuurvisie schaligas“ (https://www.rvo.nl/sites/default/files/2014/05/C-NRD%20Duitse%20 vertaling.pdf) vor. In diesem Bericht zeigt die niederländische Regierung, wie die Umweltprüfung durchgeführt werden soll und wie sich die Perspektiven der Schiefergasförderung in den Niederlanden zu diesem Zeitpunkt darstellen. Diesem Bericht ist zu entnehmen, dass entsprechende Aufsuchungsgebiete auch an der niederländisch-deutschen Grenze liegen.
Zum Bericht können bis zum 9. Juli Stellungnahmen eingereicht werden.
Bei der Förderung von Schiefergas kommt flächendeckend, systematisch und in großer Anzahl die Fracking-Technologie zum Einsatz. Die damit verbundenen Risiken für Mensch und Umwelt sind nach wie vor nicht hinreichend geklärt. Insbesondere wird von Kritikern auf die mögliche Gefährdung von Grund- und Trinkwasser hingewiesen.
Die Niedersächsische Landesregierung hat sich wegen der unkalkulierbaren Risiken gegen die Genehmigung von Frack-Vorhaben in unkonventionellen Lagerstätten (Kohleflöz- und Schiefergaslagerstätten) ausgesprochen.
Wir fragen die Landesregierung:
- Gegebenenfalls wann und von welcher Stelle ist die Landesregierung über die Pläne und Vorstellungen der Niederlande informiert worden?
- Wären nach Kenntnis der Landesregierung auch grenzüberschreitende Trinkwasservorkommen zwischen den Niederlanden und Niedersachsen von den niederländischen Plänen unmittelbar oder mittelbar betroffen?
- Welche Möglichkeiten hat die Landesregierung, zu diesen Planungen Stellung zu beziehen und gegebenenfalls Einfluss zu nehmen?
Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Die Landesregierung lehnt die Aufsuchung und Gewinnung von unkonventionellen Erdgasvorkommen (z.B. Schiefergaslagerstätten) unter Einsatz der Frack-Technologie ab. Dies gilt auch für derartige Vorhaben in benachbarten Ländern im Grenzbereich, da aufgrund des aktuellen Kenntnisstandes Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt in Niedersachsen nicht auszuschließen sind.
Die Pläne zur Förderung von Schiefergas in den Niederlanden befinden sich zurzeit auf der Ebene der sog. Strategischen Umweltprüfung. Nach Art. 7 der Richtlinie 2001/42/EG sind Grenzüberschreitende Konsultationen für solche Pläne und Programme vorgesehen, die voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedsstaats haben werden. Hierzu gibt es eine „Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit bei der Durchführung grenzüberschreitender Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie grenzüberschreitender Strategischer Umweltprüfungen im deutsch-niederländischen Grenzbereich zwischen dem Ministerium für Infrastruktur und Umwelt der Niederlande und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland“.
Die Gemeinsame Erklärung gibt vor, den betroffenen Nachbarstaat bereits bei der Festlegung des Untersuchungsrahmens (sog. Scoping) für den Umweltbericht zu beteiligen. Die Stellungnahmen werden bei der Feststellung des endgültigen Berichts über die Reichweite und Detailtiefe der Strategischen Umweltprüfung berücksichtigt, d.h. bei der Festlegung des Untersuchungsrahmens.
Nach Durchführung der Strategischen Umweltprüfung wird der Entwurf einer „Strukturvision Schiefergas“ erstellt, der dann Anfang 2015 zusammen mit dem Umweltbericht zur Einsicht ausgelegt werden soll. Es erfolgt eine erneute Beteiligung der zuständigen deutschen Behörden. Die Stellungnahmen werden gem. Art. 8 der Richtlinie 2001/42/EG bei einer Entscheidung über die Strukturvision Schiefergas berücksichtigt.
Art. 7 der Richtlinie 2011/92/EU in Verbindung mit der o.g. Gemeinsamen Erklärung sieht eine erneute Beteiligung vor, sollten bei konkreten Vorhaben zu einem späteren Zeitpunkt Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen und Auswirkungen auf die Umwelt in Niedersachsen möglich sein. Entsprechende Stellungnahmen aus Niedersachsen wären nach Art. 8 dieser Richtlinie beim Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Mit Schreiben vom 27.05.2014 hat das Niederländische Ministerium für Wirtschaft das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr darüber informiert, dass in den Niederlanden eine sogenannte Strukturvision Schiefergas erarbeitet werden soll. Diese Strukturvision soll klären, ob und wenn ja, in welchen Gebieten in den Niederlanden eine Förderung von Schiefergas mit möglichst geringen Belastungen für Mensch, Natur und Umwelt möglich wäre. Zuvor hat das Niederländische Ministerium für Wirtschaft bei der Anlaufstelle für grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen im Amt für regionale Landesentwicklung Weser-Ems in Oldenburg am 12.03.2014 angefragt, welche deutsche Behörde für ein solches Verfahren zuständig ist. Mit Nachricht vom 12.03.2014 wurde von Seiten der Anlaufstelle das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) kontaktiert. In Absprache mit der Anlaufstelle hat das LBEG am 18.03.2014 dem Niederländischen Ministerium für Wirtschaft mitgeteilt, dass das LBEG die in Niedersachsen zuständige Behörde ist. Mit Schreiben vom 14.04.2014 und 15.04.2014 hat das LBEG das Niederländische Ministerium für Wirtschaft darüber informiert, welche deutschen Stellen im Rahmen des Planverfahrens sowie in Bezug auf die notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung einzubinden sind, und die deutschen Stellen benannt, in denen die Unterlagen auszulegen sind.
Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz und das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr wurden vom LBEG mit Nachricht vom 14.04.2014 darüber informiert, dass das Niederländische Ministerium für Wirtschaft plant, einen Entwicklungsleitplan mit möglichen Standorten für die Gewinnung von Schiefergas aufzustellen, und dass hierfür eine Strategische Umweltprüfung durchgeführt werden soll.
Zu 2.:
Der Landesregierung liegen keine belastbaren Erkenntnisse zu konkreten Frack-Vorhaben in unmittelbarer Nähe der Landesgrenze Niederlande/Niedersachsen vor. Gleichwohl ist festzustellen, dass sich in Grenznähe Trinkwasserschutzgebiete, Vorranggebiete für die Trinkwassergewinnung sowie Einzugsgebiete öffentlicher Trinkwassergewinnungsanlagen befinden. Die oberen Grundwasservorkommen, die u.a. auch für die Trinkwassergewinnung genutzt werden, haben in der Regel eine Mächtigkeit von mehreren Dekametern und sind entlang der gesamten Landesgrenze regelmäßig grenzüberschreitend ausgebildet.
Zu 3.:
Die Landesregierung hat im Zusammenhang mit der Entscheidung in den Niederlanden über die Zulässigkeit der Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten kein Mitspracherecht. Die Landesregierung wird jedoch die in der Vorbemerkung geschilderten Beteiligungsmöglichkeiten nutzen, um ihre ablehnende Haltung zu diesen Vorhaben deutlich herauszustellen und dabei auch auf die aktuelle Erarbeitung der niedersächsischen Mindeststandards für die Gewinnung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten hinweisen und die entsprechende Anwendung dieser strengen Maßstäbe nahelegen. Mit Schreiben der Staatssekretärin im niedersächsischen Wirtschaftsministerium vom 20.06.2014 an den niederländischen Wirtschaftsminister wurde die ablehnende Position der niedersächsischen Landesregierung deutlich gemacht.
Artikel-Informationen
erstellt am:
27.06.2014
Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke
Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Pressesprecher
Friedrichswall 1
30159 Hannover
Tel: (0511) 120-5427
Fax: (0511) 120-995427