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Sitzung des Niedersächsischen Landtages im Mai 2015

Mündliche Anfragen


36. Welche Größe hat die jährliche deutsche „Investitionslücke“ in Niedersachsen?

Abgeordnete Almuth von Below-Neufeldt, Gabriela König, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP)

Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung

Vorbemerkung der Abgeordneten

Das Schlagwort „Investitionslücke“ beschäftigt seit Monaten die Politik in Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) hat am 28. August 2014 eine Expertenkommission zur „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, unter dem Vorsitz von Prof. Marcel Fratzscher (DIW), ein-gesetzt. Seinerzeit sprach er davon, dass Deutschland zum einen eine höhere Dynamik der privaten Investitionen braucht und zum anderen Investitionen benötigt, die das Wachstum stärken. „Dies gilt vor allem für die öffentliche Infrastruktur, etwa leistungsfähige Verkehrswege und kommunale Infrastruktureinrichtungen (http://www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=651464.html).

Im Beitrag „Gabriels Geheimwaffe“ (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/menschen-wirtschaft/diw-praesident-marcel-fratzscher-ist-das-neue-oekonomische-gewissen-der-nation-13151775.html) vom 17. September 2014 beziffert der „zum neuen Chefökonomen der Bundesregierung“ aufgestiegene Politikberater Fratzscher die Investitionslücke in Deutschland auf 75 Milliarden Euro. Im Beitrag „Gabriels Masterplan für die marode Bundesrepublik“ (http://www.welt.
de/wirtschaft/article137496860/Gabriels-Masterplan-fuer-die-marode-Bundesre-publik.html) vom 17. Februar 2015 ist die „Investitionslücke“ auf 80 Milliarden Euro angewachsen, und seit Mitte April 2015 sprechen Minister Gabriel und Prof. Fratzscher unisono von einer riesigen Investitionslücke in Deutschland von jährlich über 100 Milliarden Euro (http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Wirtschaft/d/6466346/gigantische-investitionsluecke-in-deutschland.html). Rechnerisch wächst also die Investitionslücke um knapp eine Milliarde Euro pro Woche.

Die SPD hat als Reaktion auf die nationale Investitionslücke eine Arbeitsgruppe „Projekt Infrastrukturkonsens“ ins Leben gerufen, das BMWi hat eine Investitionsstrategie veröffentlicht, Prof. Fratzscher fordert eine Investitionsagenda für Europa (http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.469130.de/14-27.pdf) und die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bundestag fordert einen „grünen Investitionsplan“, der bis 2018 rund 45 Milliarden Euro für ein „gutes Leben“ ausgibt (Drucksache 18/4689). Zeitgleich zweifelt Bundesfinanzminister Schäuble am Bestehen irgendeiner Investitionslücke in Deutschland (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/wolfgang-schaeuble-zweifelt-an-investitionsluecke-13550688.html).

Vorbemerkung der Landesregierung

Die hierzulande gut ausgebaute Infrastruktur war und ist immer noch immer ein Pluspunkt im internationalen Standortwettbewerb. Als wettbewerbsfähiger Industriestandort ist Deutschland auch zukünftig auf eine leistungsfähige Infrastruktur in allen Bereichen (Verkehr, digitale Infrastruktur und Ausbau der Netze als Beitrag zum Gelingen der Energiewende) angewiesen. Sie ist elementare Voraussetzung für Arbeitsplätze, Wohlstand und Lebensqualität. Die von Bundeswirtschaftsminister Gabriel eingesetzte Expertenkommission kommt zu dem Ergebnis, dass sich sowohl bei den öffentlichen als auch bei den privaten Investitionen eine Investitionslücke in Deutschland auftut. Diese Einschätzung wird von der Landesregierung geteilt.

Die Landesregierung teilt zudem die Auffassung der Expertenkommission, dass die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland noch von weiteren Rahmenbedingungen abhängig ist. Hierzu zählen die Fachkräftesicherung, ein bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen, der Ausbau von Ganztagsschulen und nicht zuletzt auch die Gestaltung gründungsfreundlicher Rahmenbedingungen.

1. Wie gestaltet sich die jährliche „Investitionslücke“ in oder für Niedersachsen?

Neben den privaten Investitionen werden öffentliche Investitionen von allen Gebietskörperschaften in Niedersachsen getätigt. Hierzu zählen der Bund, das Land, die Landkreise sowie die Städte und Gemeinden in Niedersachsen. Aufgrund der Vielfalt der getätigten öffentlichen und privaten Investitionen in Niedersachsen und der unzureichenden statistischen Erfassung liegen der Landesregierung keine belastbaren Informationen zu eine „Investitionslücke“ in Niedersachsen vor.

2. Vor dem Hintergrund, dass annährend „90 % der gesamtwirtschaftlichen Investitionen in Deutschland“ privat erbracht werden (Quelle: Investitionsstrategie BMWi): Welche Investitionsschwerpunkte setzt die Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode, um ihren Beitrag zum geforderten Lückenschluss bei öffentlichen Investitionen zu leisten?

Die von der Landesregierung geleisteten Beiträge zum Lückenschluss bei öffentlichen Investitionen werden im Folgenden nur auszugsweise dargestellt und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Beispielhaft seien genannt:

  • die Breitbandstrategie mit 60 Millionen Euro Fördermitteln und zinsgünstigen Kommunalkrediten der N-Bank für schnelle Internetanschlüsse insbesondere im ländlichen Raum,

  • das Sondervermögen zum Abbau des Investitionsstaus durch energetische Sanierungen und Infrastruktursanierungen von Landesvermögen mit einem Umfang von 120 Millionen Euro,

  • die Förderung des kommunalen Straßenbaus mit einem jährlichen Betrag im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Zusätzlich wurde Ende 2013 ein 32 Millionen Euro schweres Sonderprogramm aufgelegt, mit dem zwischen 2014 und 2017 neue Radwege und Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit gefördert werden,

  • der Ausbau der niedersächsischen Hafeninfrastruktur mit einem geplanten Investitionsvolumen in Höhe von 135,5 Millionen Euro bis zum Ende der Legislaturperiode,

  • die Fachkräfteinitiative des Landes mit 200 Millionen Euro Fördermitteln zur Qualifi­zierung, Ausbildungsförderung und Arbeitsmarktintegration verschiedener Personengruppen,

  • die „Zukunftsoffensive Bildung“ mit 420 Millionen Euro zur Förderung der frühkindlichen Bildung, zum Ausbau von Ganztagsschulen und Qualitätsverbesserungen an den Schulen,

  • das Fachhochschulentwicklungsprogramm mit 480 Millionen Euro zur dauerhaften Sicherung von Studienanfängerplätzen und zur Unterstützung der Forschung an den Fachhochschulen des Landes,

  • Das Förderprogramm MikroSTARTER Niedersachsen mit 32 Millionen Euro zur Unterstützung von Existenzgründerinnen und –gründern.

3. Vor dem Hintergrund der Rekordeinnahmen beim Steueraufkommen von Bund und Ländern und zeitgleicher Forderungen, noch mehr privates Geld für erforderliche Staatsaufgaben zu generieren (Bericht der Expertenkommission im Auftrag des BMWi, Kapitel 3), z. B. durch die Gründung von Infrastrukturgesellschaften oder andere Modelle („Infrastrukturgesellschaft für Kommunen“, „Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen“, Beschaffungsmodel „Öffentliche Kooperationen“, „Bürgerfonds“ oder Öffentlich-Private-Partnerschaften): Wo erkennt die Landesregierung ein Aufgabeneinschränkungspotenzial, sodass originäre Staatsaufgaben (Stichwort: staatliche Daseinsvorsorge) zukünftig ausreichend finanziert sind?

Niedersachsen hat bereits die niedrigste Ausgabenquote je Einwohner im Vergleich aller Bundesländer, wenn man die aufsummierten bereinigten Ausgaben von Ländern und Gemeinden vergleicht. Damit ist das Sparpotenzial im Land begrenzt. Die niedersächsische Landesregierung wird allerdings weiterhin bestehende Einsparpotenziale nutzen, um notwendige Zukunftsinvestitionen zum Beispiel in Bildung und Infrastruktur vornehmen zu können.

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