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Warum verbietet das Land die traditionelle Fahrradsternfahrt in Hannover?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 10.05.2012 - TOP 22. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Enno Hagenah (GRÜNE)


Der Abgeordnete Enno Hagenah (Grüne) hatte gefragt:

2012 feiert der autofreie Sonntag in Hannover sein fünfjähriges Jubiläum. An den ersten autofreien Sonntagen waren dazu mit großem Erfolg alle Radfahrerinnen und Radfahrer aufgerufen, Hannovers große Straßen mit einer Fahrradsternfahrt zu erobern. Auf Strecken der Fahrradregion führten Touren zu sieben Startpunkten am Stadtrand von Hannover und von dort über die großen Straßen (inklusive der Schnellwege) zu drei innenstadtnahen Sammelpunkten. Von hier aus ging es über die großen Einfallstraßen zeitgleich Richtung autofreie Innenstadt. Ziel war die Fahrradmeile am Leibnizufer.

Diese symbolische Eroberung auch der großen Straßen mit dem Fahrrad sollte es aufgrund eines Ratsbeschlusses aus dem letzten Jahr beim autofreien Sonntag am 20. Mai 2012 wieder geben.

Das die Landesstraßenverwaltung nun, gut ein Jahr nachdem Hannover vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium als „fahrradfreundlichste Kommune“ ausgezeichnet worden ist, diese Fahrradsternfahrt am autofreien Sonntag 2012, trotz eines positivem Votums der Polizei, diesmal nicht genehmigen will, ist für die Menschen und die Politik in der Landeshauptstadt nicht nachvollziehbar.

Die Begründung der Landesstraßenverwaltung für ihre Ablehnung, dass bei einem Unfall auf der Autobahn der Messeschnellweg jederzeit als Ausweichstrecke gebraucht werde und es einen Bundeserlass gebe, dass an „verlängerten Wochenenden“ im Sommer die Bundesfernstraßen frei sein müssen, ist für die Stadt nicht schlüssig. Die Stadtverwaltung habe zur Beantragung einen Notfallplan vorgelegt, wonach bei Problemen am Autobahnkreuz Ost der Messeschnellweg kurzfristig aus der Route herausgenommen werde. Außerdem gebe es an einem Sonntagmorgen um 11 Uhr, auch bei einem langen Wochenende nach Christi Himmelfahrt, auf den hannoverschen Schnellwegen nach bisheriger Erfahrung kaum Verkehr. Die fraglichen Schnellwegeabschnitte würden auch jeweils nur für ca. 30 Minuten für Autofahrerinnen und Autofahrer gesperrt.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche neuen Erkenntnisse jenseits der positiven Abwägung der Polizei haben die Landesbehörde dieses Jahr zu einer Ablehnung der kurzzeitigen Schnellwegnutzung bewogen?
  2. Welche signifikante Problemlagen oder unzumutbaren Behinderungen aufgrund der damals jeweils genehmigten Fahrradsternfahrten hat es in den vergangenen Jahren gegeben?
  3. Hängt das diesjährige Verbot mit einer veränderten Haltung der Landesregierung gegenüber dem Wert des Fahrrades als unterstützenswertem, gesundem und klimafreundlichem Alltagsverkehrsmittel zusammen, oder hat etwa der bevorstehende Landtagswahlkampf hier zu einer restriktiveren Sichtweise des niedersächsischen Verkehrsministers geführt?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Der Duden definiert eine Tradition als etwas, was im Hinblick auf Verhaltensweisen, Ideen, Kultur o. Ä. in der Geschichte, von Generation zu Generation [innerhalb einer bestimmten Gruppe] entwickelt und weitergegeben wurde [und weiterhin Bestand hat]. Es bedarf somit einer lang anhaltenden nachhaltigen Übung um etwas als traditionell bezeichnen zu können.

In 2012 wird zum fünften Mal der „autofreie Sonntag“ in der Landeshauptstadt Hannover stattfinden. In Ermangelung einer bereits lang anhaltenden nachhaltigen Übung kann hier nicht von einer „traditionellen“ Veranstaltung ausgegangen werden. Darüber hinaus wurde bisher aufgrund dieses Anlasses lediglich eine einzige Fahrradsternfahrt im Jahre 2009 durchgeführt.

Die Landeshauptstadt Hannover hat bei der Zentrale der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV-Z) einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zur Durchführung der Fahrradsternfahrt zum „autofreien Sonntag“ am 20.05.2012 gestellt. Nach dem vorgelegten Planungskonzept sollte die Fahrradsternfahrt von vier Sammelpunkten aus Richtung Norden, Osten, Süden und Westen auf vier Stadt -Touren zu insgesamt drei Auffahrpunkten auf die Schnellwege (Messe-, Süd- und Westschnellweg) führen. Die Schnellweg-Touren sollten auf Höhe der sogenannten Kaisergabel zusammentreffen und gemeinsam über die Ritter-Brüning-Straße und die Lavesallee zum Friederikenplatz geführt werden.

Nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften soll die in Rede stehende Erlaubnis erst dann erteilt werden, wenn die Polizei, die Straßenverkehrsbehörden und die Straßenbaulastträger keine Bedenken geltend machen.

Seitens des zuständigen Straßenbaulastträgers, der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Regionaler Geschäftsbereich Hannover, wurde einer Benutzung der Schnellwege jedoch nicht zugestimmt, da zurzeit auf dem überregionalen Netz eine Großbaustelle (Autobahnkreuz Hannover Ost) besteht, die bereits zu Beeinträchtigungen der Verkehre führt. Im etwaigen Störfalle stünden aufgrund des „autofreien Sonntags“ nur die Schnellwege für etwaige Umleitungsverkehre zur Verfügung. Bei einer von der Landeshauptstadt Hannover erwarteten Teilnehmerzahl von bis zu 10.000 Fahrradfahrern, hätten im Störungsfall auf den BAB die dann benötigten Umleitungsstrecken erst mit erheblichem Zeitverzug wieder zur Verfügung gestanden.

Am 17.05.2012 ist Christi Himmelfahrt und der 18.5.2012 in vielen Bundesländern ein Ferientag, somit ist am 20.05.2012 mit erhöhtem Rückreiseverkehr auf den Autobahnen A 2 und A 7 zu rechnen.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat in seinem Erlass zu „Verkehrslenkenden Maßnahmen für Ostern und Pfingsten 2012" vom 14.02.2012 unter anderem zum Schutz der Verkehrsumleitungen darauf verwiesen, dass keine Zustimmungen für Baumaßnahmen (vor und nach Feiertagen mit zu erwartendem starken Reiseverkehr) auf Straßen zu erteilen sind, die als Umleitungsstrecken gekennzeichnet sind. Hieraus ist zu folgern, dass auch vollständige Sperrungen aus anderen Gründen zu unterbleiben haben. Durch diesen Erlass des BMVBS wird die Auftragsverwaltung deutlich angewiesen, dass alles das zu verhindern ist, was den Verkehrsfluss beeinträchtigen kann und das Möglichste getan werden soll, um diesen möglichst störungsfrei - auch auf den Umleitungsstrecken - zu gewährleisten.

Die Bundesautobahnen A 2 und A 7, soweit sie im Zuständigkeitsbereich des Regionalen Geschäftsbereichs Hannover liegen, gehören zu den störanfälligen und überlasteten Autobahnstrecken. Hinzu kommt aktuell, dass, wie erwähnt, die Großbaustelle Hannover Ost einen weiteren neuralgischen Punkt darstellt.

Um dennoch eine Genehmigung der Fahrradsternfahrt zu ermöglichen, wurde der Landeshauptstadt Hannover seitens der NLStBV-Z angeboten, die Fahrradsternfahrt auf alternativen Streckenführungen außerhalb der Schnellwege zu prüfen. Diese Option wurde seitens der Landeshauptstadt mit der Begründung abgelehnt, dass im Stadtgebiet, bedingt durch den „autofreien Sonntag“, bereits massive Straßensperrungen erforderlich sind. Eine Verlagerung der Streckenführung der Fahrradsternfahrt würde die verkehrliche Situation insgesamt nochmals belasten.

Daraufhin wurde die Durchführung der Fahrradsternfahrt von der NLStBV-Z abgelehnt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

Zu 2.:
Zum Zeitpunkt der einzigen genehmigten Sternfahrt im Jahre 2009 hat es keine Großbaustellen auf den betreffenden Autobahnteilstrecken gegeben.

Zu 3.:
In der niedersächsischen Verkehrspolitik hat der Radverkehr seit vielen Jahren seinen festen Platz. Als ein wichtiges Fortbewegungsmittel für fast alle Altersklassen fördert das Fahrrad die Gesundheit, schont die Umwelt und sorgt auf einfache Weise für mehr Mobilität.
Zukünftig soll der Radverkehr in Niedersachsen auf möglichst vielen Ebenen noch attraktiver gemacht und das Fahrradland Niedersachsen weiter vorangebracht werden. Dazu sind das Klima im Straßenverkehr für Radfahrer und die Fahrradinfrastruktur weiter zu verbessern und der Radverkehrsanteil zusammen mit der Verkehrssicherheit zu steigern.

Die Entscheidung, die diesjährige Fahrradsternfahrt abzulehnen wurde aus rein sachlichen Erwägungen allein von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr getroffen. Es wurden hierbei seitens des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr keine politischen Vorgaben erteilt.


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Artikel-Informationen

erstellt am:
11.05.2012

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